Hamburg. Rund 5000 Beschäftigte demonstrierten – darunter weniger Pädagogen als erwartet. Verkehrsprobleme gab es in der Hamburger City.

Die flammenden Reden und die schrillen Trillerpfeifen waren in Potsdam natürlich nicht zu hören. Trotzdem sollte die Kundgebung auf dem Gänsemarkt, zu der sich am Montagmorgen rund 1500 Beschäftigte im öffentlichen Dienst getroffen hatten, ein deutliches Signal an die Tarifgemeinschaft der Länder sein. Denn die Vertreter der Arbeitgeber und die Gewerkschaften hatten am Vormittag in Potsdam einen erneuten Anlauf unternommen, um in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst eine Einigung zu erzielen.

Den Auftakt der mittlerweile dritten Verhandlungsrunde nahmen die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Bildungsgewerkschaft GEW und die Polizeigewerkschaft GdP in Hamburg zum Anlass für einem Warnstreik. Insgesamt legten 5000 Beschäftigte die Arbeit nieder, darunter Lehrer sowie Mitarbeiter von Bezirksämtern, Finanzbehörde, Polizei und Postbank. Betroffen waren Schulen, Bezirks-Kundenzentren und Kfz-Zulassungsstellen.

Auch die Autofahrer in der Innenstadt hatten unter den Demonstrationszügen zu leiden – laut Polizei kam es zu Verkehrsbehinderungen.

Seit 1994 seien bei den Hamburger Tarifbeschäftigten insgesamt rund 30 Prozent Personal abgebaut worden, sagte Verdi-Fachbereichsleiterin Sieglinde Frieß, Statt 100.000 gäbe es jetzt nur noch gut 65.000 Mitarbeiter. „Sie arbeiten mindestens ein Drittel mehr. Manche sogar doppelt so viel, weil die Aufgaben gestiegen sind.“ Die Folgen seien gestiegene Krankenquoten und oberflächlich erfüllte Aufgaben.

Weil die GEW in der Urlaubszeit zum Streik aufgerufen hatte, gingen nach eigenen Angaben nur etwa 400 Pädagogen auf die Straße. Zu Unterrichtsausfällen am ersten Schultag nach den Ferien sei es daher laut Schulbehörde nicht gekommen. Das kann sich jedoch in der nächsten Zukunft ändern, insbesondere an den Vor- und Förderschulen, wo viele angestellte Pädagogen tätig sind. „Wenn wir heute kein Ergebnis in den Verhandlungen sehen, rufen wir gleich zur nächsten Streikrunde auf“, sagte die GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze.

Die Gewerkschaften fordern eine Gehaltserhöhung um 5,5 Prozent, mindestens aber 175 Euro mehr im Monat, und einen Tarifvertrag für Lehrkräfte, auch an Vorschulen. „Es kann nicht sein, dass es in den Klassenzimmern Lehrer erster, zweiter und dritter Ordnung gibt“, sagte auch Marlis Tepe, die Bundesvorsitzende der GEW.

In Hamburg stehen 15.000 verbeamteten Lehrern knapp 2000 angestellte gegenüber. Eine von ihnen ist Sabine Bielefeldt, Lehrerin an der Grundschule Mümmelmannsberg. Bezahlt werde sie nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder in der Gruppe TV-L9, sagt sie und schwenkt ihre Fahne. „Das ist weit weg von den Tarifgruppen A12 oder A13, nach denen meine beamteten Kollegen bezahlt werden. Sie verdienen für die gleiche Arbeit bis zu 1000 Euro mehr als ich.“ Sie unterrichte sehr gern. Weil ihr Kind schon groß sei, habe sie sogar das Amt einer Klassenlehrerin übernommen. „Das hätte ich früher wegen der geringen Bezahlung nicht getan.“

Auch Manuela Kirschbaum, Erzieherin an der Grundschule Eduardstraße, fühlt sich angesichts der hohen Anforderungen an ihren Job unterbezahlt. „Bei uns ist eine Person für 23 Kinder verantwortlich, da ist pädagogische Arbeit kaum möglich“, sagt sie. „Wir arbeiten im Schichtdienst zwischen acht und 18 Uhr, jeweils zu zweit. Wenn einer von uns krank wird, steht der andere mit 46 Kindern da.“ Gerade Inklusionskindern, die besonders viel Aufmerksamkeit bräuchten, könne man so nicht gerecht werden.

Von der Schule An der Gartenstadt sind 15 Erzieher und Sozialpädagogen gekommen. Manuela Loibl arbeitet seit 18 Jahren an der Vorschule und demonstriert aus zwei Gründen. „Zum einen werde ich schlechter bezahlt als Lehrer, habe aber genauso lange studiert“, sagt sie. Außerdem sei sie hier aus Solidarität mit ihren Kollegen. Denn während sie entsprechend der „normalen“ Entgeltgruppe E9 entlohnt werde, würden diese nach einer „abgespeckten“ E9 bezahlt. „Wir machen das gleiche wie Manuela, bekommen dafür aber etwa 200 Euro weniger“, bestätigt Dagmar Knobel. Erzieher Björn Roggenbuck beklagt schlechtere Urlaubsbedingungen. „Die Vorschule hat vier Wochen im Jahr geschlossen. Ich muss also mit meinem Krötenlohn in der teuren Ferienzeit verreisen. Lehrern, die doppelt so viel verdienen, tut das weniger weh.“ Veit Vollmer, angestellter Kunstlehrer an der Wichern-Schule, ist mit seinem Arbeitgeber sehr zufrieden. Trotzdem streikt er. „Beamte verdienen mehr und haben eine bessere Altersversorgung als wir. Also Hände weg von unseren Renten.“