St. Georg. Zehn Prozent der rund 30.000 Angestellten im öffentlichen Dienst demonstrieren für mehr Lohn. Kundgebung vor Hauptbahnhof und Rathaus.

Fast zwei Stunden hat der Unternehmer Mohammed Yehia am Dienstag in den Sand gesetzt. Beim Landesbetrieb Verkehr am Ausschläger Weg wollte er seinen neuen Wagen anmelden. Doch morgens, gegen neun Uhr, versperrte ihm ein kahlköpfiger Security-Mitarbeiter energisch den Zutritt zum Gebäude. „Haben Sie einen Termin?“, lautete die Frage. Nein, Mohammed Yehia hatte genauso wenig einen Termin wie die Billstedterin Juliane Böttcher, die lediglich ihr Fahrzeug abmelden wollte. Nur wer vorher eine Uhrzeit vereinbart hatte, wurde bis zum Mittag bedient. Danach war für alle Schluss.

Das Türschild an der Kfz-Zulassungsstelle Mitte verkündete: „Aufgrund eines Warnstreiks muss mit erheblichen Beeinträchtigungen gerechnet werden.“ Wie in Mitte gab es auch an den Standorten Bergedorf und Harburg sowie in den Bezirksämtern und bei der telefonischen Behördenauskunft am Dienstag massive Beeinträchtigungen für Bürger und Kunden. Während sich bis zu 2500 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zu einem Protestmarsch durch die Hamburger City formierten, blieb die Arbeit in den Amtsstuben liegen.

Nach Angaben von Rudolf Klüver, Vorsitzender des Hamburger Beamtenbundes, beteiligten sich knapp zehn Prozent der 30.000 Angestellten im öffentlichen Dienst an dem flächendeckenden Warnstreik. Vor allem Polizisten und Angestellte der Allgemeinen Verwaltung gingen auf die Straße. Auch etliche Beamte zeigten Flagge – in der Mittagspause.

Mit lautstarker Stimme machte Willi Russ, Verhandlungsführer des dbb Beamtenbund und Tarifunion, seinem Unmut Luft. Auf der Kundgebung vor dem Rathaus sagte er zu den bislang gescheiterten Verhandlungen auf Bundesebene: „Wir sind nicht länger bereit, uns auf die Folter spannen zu lassen. Wir brauchen keine warmen Worte. Wir brauchen mehr Kohle.“ Die Gewerkschaften fordern eine Erhöhung der Gehälter um 5,5 Prozent, mindestens aber 175 Euro im Monat. Außerdem soll es Verbesserungen für Auszubildende geben.

Ver.di-Bereichsleiterin Sieglinde Frieß appellierte an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), die „Arbeitgeber-Blockade-Linie“ zu durchbrechen. Zu den Streikenden auf dem Rathausmarkt gehörte auch ein Angestellter der Dienstgruppe Gefangenentransport im Landeskriminalamt. Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, klagt aber offen über die schlechten Arbeitsbedingungen und das fehlende Personal. Außerdem sei eine Gehaltserhöhung längst fällig. Wer rund 35 Jahre alt sei, verdiene als Angestellter gerade mal 2200 Euro brutto. „Das ist zu wenig“, fügt er hinzu. Gewerkschafterin Frieß nannte im Gespräch mit dem Abendblatt ein anderes Beispiel: „Nehmen wir mal einen Familienvater, der als Sachbearbeiter im Grundsicherungsamt oder in der inneren Verwaltung arbeitet. Er ist schon seit neun Jahren bei der Stadt beschäftigt, dann kann er zwischen 2797,89 und 3265,01 Euro brutto verdienen.“ Die Polizistin Maren Listing, 55, hält die bisherigen Lohnerhöhungen für zu niedrig.

Mehr als ein Dutzend Einzelgewerkschaften nahmen an dem Warnstreik teil. Dazu zählte auch Komba, die Fachgewerkschaft für Beschäftigte in Kommunen und Ländern. Sie war bei der Kundgebung mit rund 500 Mitgliedern. Erstmals beteiligten sich Mitarbeiter des IT-Dienstleisters Dataport. Rund 60 Angestellte des Informations- und Kommunikationsdienstleiters der öffentlichen Verwaltung versammelten sich am Dienstag zunächst im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof. Ralf Iden, Beschäftigter bei dem IT-Dienstleister und Mitglied der Tarifkommission, schilderte den Ablauf der ersten Verhandlungsrunde. „Die Forderungen des Vorstands können als unverschämt bezeichnet werden.“

Rainer Kreher, 62, bereits seit 1994 für Dataport tätig, hat klare Forderungen an den Arbeitgeber: „Die Zusatzrente darf nicht gekürzt werden. Zudem sollte der Tarif erhöht werden.“ Nils Tubbesing, 38, sieht das ähnlich. „Wir bewegen uns im Spannungsfeld zwischen IT-Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst. In der freien Wirtschaft verdienen die Arbeitnehmer deutlich mehr, unsere Arbeitsplätze sind auch nicht mehr so sicher wie früher. Wenn jetzt noch die Zusatzrente gekürzt wird, warum sollte man dann überhaupt bei Dataport arbeiten?“

Mit markigen Worten kündigte dbb-Verhandlungsführer Willi Russ vor dem Hamburger Rathaus weitere Streiks an, sollten die Arbeitgeber nächste Woche in Potsdam kein Angebot vorlegen. „Wir“, sagte er, „lassen uns nicht mit Almosen abspeisen. Wir wollen einen Schluck aus der Pulle.“