Kochen, vorlesen, Schwimmunterricht: Vieles funktioniert nur durch die freiwillige Mitarbeit. Doch immer weniger Mütter und Väter haben Zeit dafür. Elternverbände fordern mehr Einsatz der Schulleitung.
Hamburg. Ohne Elternhilfe läuft an den Schulen nicht mehr viel: Sie schmieren Brötchen und kochen, sie lesen Schülern vor und sind zur Stelle, wenn die Lehrer Unterstützung bei Ausflügen benötigen. Sie machen das alles freiwillig, und sie machen es gern. Doch mit der zunehmenden Berufstätigkeit geht die Elternbeteiligung zurück. Elternverbände fordern die Schulleitungen auf, Aufgaben nicht auf Mütter und Väter abzuwälzen, sondern Engpässe an die Behörde zu melden.
Als Frauke do Nascimento ihren heute 14-jährigen Sohn an der Ida-Ehre-Schule in Harvestehude anmelden wollte, wurde sie beim Gespräch mit der Schulleitung gefragt, ob sie bereit wäre, an der Schule zu helfen. Schon in Aufnahmegesprächen an weiterführenden Schulen ist die Mitwirkung von Eltern ein Thema. Seit drei Jahren beteiligt sich Frau do Nascimento am Lesepatenprojekt der Stadtteilschule und trifft sich jeden Montag von 13.40 bis 14.25Uhr mit ihrem „Patenkind“ aus der 5. oder 6. Klasse. Die Heilerzieherin kann sich diese Zeit nehmen, weil sie montags immer freihat. Eine Dreiviertelstunde verbringt sie mit ihrem Patenkind, und sie lesen gemeinsam. 14 Lesepaten an der Ida-Ehre-Schule engagieren sich, die meisten von ihnen sind Rentner, weil nur wenige Eltern Zeit dafür haben.
Dank vieler „Kochmütter“ gibt es das Mittagessen an Schulen
Frauke do Nascimento ist gern an der Schule ihres Sohnes aktiv, nicht nur als Lesepatin, auch als Elternratsmitglied. „Ich habe einen direkten Zugang zur Schule, bekomme alle Informationen. Es ist eine tolle Kommunikation“, sagt die 54-Jährige. Auch viele Lehrer begrüßen die Elternmithilfe. Hildegard Fleischer, Deutsch-, Psychologie- und Sportlehrerin an der Ida-Ehre-Schule, hat in ihrer fast 40-jährigen Berufstätigkeit gute Erfahrungen damit gemacht. „Ich bin total gern mit Eltern zusammen, ich habe auch das Gefühl, dass viele Eltern Vorbehalte, die sie gegenüber der Schule oder einzelnen Lehrern hatten, dadurch überwinden.“ Weil sich Eltern mit Migrationshintergrund weniger in die Elternarbeit einbringen, gibt es an der Ida-Ehre-Schule eine Gruppe türkischer Mütter – so sollen Hemmschwellen abgebaut werden. Denn diese Eltern seien häufig unsicher, welche Rechte und Pflichten sie gegenüber der Schule haben.
Ohne Elternaktivität, sagt auch Marie-Luise Brauns-Garde, gäbe es kein Mittagessen, das in der Schule frisch gekocht würde. Die Leiterin des Gymnasiums Meiendorf kann stolz sein auf „ihre“ Kochmütter: Seit 1975 schon bereiten diese das Mittagessen für die Schüler zu. Momentan sind es 100 Mütter und Großmütter, die im 14-tägigen Wechsel Brötchen und Sandwiches schmieren und das Mittagessen für 120 bis 200 Schüler kochen. Freiwillig, weil sie finden, dass es einfach besser schmeckt als das Essen vom Caterer. Günstiger ist es außerdem.
Längst nicht alle der mehr als 900 Schüler am Gymnasium essen täglich in der Schule, sonst wäre das auch nicht zu leisten. „Wir haben das Glück, dass wir Eltern haben, die nicht berufstätig sind und die sich engagieren, damit die Berufstätigen arbeiten können“, sagt Frau Brauns-Garde. An ihrem Gymnasium sind rund 200 Eltern in Projekten wie der Kochgruppe, der Mittelstufen-AG, in der Hausaufgabenhilfe oder im Elternrat aktiv.
Kurzzeitig stand die Produktionsküche allerdings vor dem Aus, weil sich nicht genügend Freiwillige gefunden haben. Christine Schröder, Leiterin der Kochgruppe, konnte dann doch andere Eltern motivieren, und das, obwohl es ein harter Job in der Küche ist. Es ist aber auch eine schöne Aufgabe. „Wir haben alle die Chance, vor Ort zu sein. Am Schulleben teilzuhaben“, sagt „Kochmutter“ Angelika Pflesser.
Nicht immer kann die Mitarbeit der Eltern die beste Lösung sein
Doch es wird zunehmend schwierig, Eltern für diese Form der Mitarbeit zu mobilisieren, weil die meisten dafür am Vormittag gar keine Zeit haben. „Der Rückgang des Elternengagements ist eine Folge der gesellschaftlichen Entwicklungen. Der Anteil doppelt berufstätiger Eltern steigt, der Anteil Alleinerziehender steigt, somit haben Eltern heute weniger Zeit als früher“, sagt Gerrit Petrich von der Elternkammer. Eine dauerhafte Lösung sei die Elternhilfe ohnehin nicht in allen Fällen. Beispiel: die Begleitung zum Schulschwimmen in den dritten und vierten Klassen. Gern greifen Schulleitungen auf Eltern als Begleitpersonen zurück. „Das Schwimmen ist aber Bestandteil des regulären Unterrichts. Somit liegt die Verantwortung der Durchführung bei der Schulbehörde. Die Eltern können dabei nur unterstützend mitwirken“, sagt Petrich. Eine dauerhafte Lösung kann nur in einer Mittelzuweisung durch die Behörde erfolgen. Denn: Fallen Eltern aus, bestehe beim jetzigen Konzept die Gefahr des Unterrichtsausfalls.
Es sei der einfache Weg, den Leidensdruck von Schulleitungen auf Eltern abzuwälzen. „Schwieriger, aber letztlich besser, ist es, wenn die Schule die Probleme an die Behörde meldet und um Nachbesserung bittet“, sagt Elternkammer-Vertreter Gerrit Petrich. Häufig ist es schwierig, genügend Eltern für die Begleitung zu finden. „Die Motivation bei den Eltern ist mäßig“, sagt Jörn Ehlers vom Elternrat der Grundschule Hinter der Lieth in Lokstedt. Er kritisiert: „Die Schulbehörde ordnet Schwimmunterricht an und überlässt es den Schulen, die Begleitung der Kinder zu organisieren.“ Bislang hätten sich noch immer genügend Väter und Mütter für die Begleitung gefunden. Die Verantwortung liege dann auf den Schultern weniger Eltern, sagt Ehlers.
Saskia Bittner ist eine dieser Mütter, die 22 Schüler in die Schwimmhalle begleiten, den Kindern beim Haareföhnen und Handtuchsuchen helfen. Bis zu den Herbstferien hat sie sich dreimal für die Begleitung der 3c ins Schwimmbad Bondenwald eingeteilt, meistens findet sich noch eine weitere Mutter oder ein Vater. „Man kriegt das aufdiktiert. In Ordnung finde ich das nicht“, sagt die kaufmännische Angestellte. Sie mache das für die Kinder. Denn es macht ihr auch Freude, in der Klasse ihres Kindes zu sein. Für die vierten Klassen hat die Schulbehörde nun vorgesehen, Mittel für Erzieher bereitzustellen, die die Kinder begleiten.
Denn leicht kann das Elternengagement auch ausgenutzt werden. „Die Schulbehörde setzt – wie auch andere Behörden – zu sehr auf ehrenamtliches Engagement der Eltern“, kritisiert Stefanie von Berg, bildungspolitische Sprecherin der Grünen in der Bürgerschaft. „Die Ressourcen für die Schulen sind – gemessen an den Aufgaben, die sie zu bewältigen haben – sehr knapp.“ Die Eltern hätten diesen Notstand erkannt und helfen, wo sie können. „Die Ganztagsschule wurde aber auch eingeführt, um den Eltern Zeit für ihre Berufstätigkeit zu geben, nicht um sie tagsüber als Hilfskräfte in der Schule einzubinden.“