30 Leitungsposten an Schulen sind vakant. Im vergangenen Schuljahr waren 58 Stellen über Monate nicht besetzt. Die Bezahlung ist offenbar ein Problem.

Hamburg. Der Stundenplan fürs neue Schuljahr, Personalplanung, Koordination des Ganztagsangebots – Eckard Ortmann hat anstrengende Wochen hinter sich. Seit seine Stellvertreterin vor einem halben Jahr an eine größere Schule wechselte, macht der Leiter der Grundschule Kamminer Straße ihren Job mit. „Das ist eine hohe Belastung“, sagt der 55-Jährige. Mit Elterngesprächen, Gremiensitzungen und Stadtteilterminen kommt er auf 55 Wochenstunden und mehr. Große Hoffnung, dass sich daran bald etwas ändert, hat er nicht. Der Stellvertreterposten ist nun schon zum zweiten Mal ausgeschrieben, „beworben hat sich aber niemand“, sagt der Pädagoge und klingt ein bisschen müde. Schon von 2006 bis 2012 hatte er die Leitung der 185-Schüler-Schule allein geschmissen.

Die Rahlstedter Schule ist kein Einzelfall. Aktuell sind 30 Leitungsstellen an Grundschulen vakant, weitere fünf nur kommissarisch besetzt. An allen staatlichen Schulen blieben im vergangenen Jahr sogar 58 Leitungsposten teils über Monate unbesetzt, wie eine kleine Schriftliche Anfrage der Grünen-Bürgerschaftsabgeordneten Stefanie von Berg ergab. Die größten Probleme gibt es laut Senatsantwort an den 200 Grundschulen. Dort waren 46 Leitungsstellen vakant, davon einige der freien 35 Stellvertreterjobs bis zu 24 Monate. Bewerber sind Mangelware. In den vergangenen drei Schuljahren gab es auf 31 der 105 ausgeschriebenen Grundschulleiterstellen gar keine Bewerbung. Bei den Stellvertretern meldeten sich nur für die Hälfte (103) der 222 Posten Interessenten. Besser ist die Situation an den Gymnasien. Für zwei der 26 ausgeschriebenen Rektorenstellen gab es keine Bewerber. Bei den Stellvertretern waren zwei von 46 Jobangeboten erfolglos. Auch die Leitungspositionen an Stadtteilschulen sind beliebter: Von 22 ausgeschriebenen Chefstellen ließ sich nur eine nicht besetzen.

„Gerade die kleinen Grundschulen müssen oft lange suchen, bis sie Leitungsjobs besetzen können“, sagt der Vorsitzende des Grundschulverbands Hamburg, Stefan Kauder. Gründe sieht er vor allem in der wachsenden Zahl der Aufgaben, die Schulleitungen seit Einführung der selbstverwalteten Schule haben. Budgetverantwortung, Personalentwicklung, Unterrichtsverbesserung, Kooperation im Stadtteil „eigentlich ist man ein Manager“, sagt Kauder, der inzwischen nur noch einen Kurs in der Woche unterrichtet. Dazu kommen nörgelnde Eltern, genervte Kollegen und jede Menge Verwaltungskram. Der Leiter der Schule Appelhoff weiß, wovon er spricht. Gerade hat er einen Tag damit zugebracht, den Reinigungsservice so zu organisieren, dass die Schultische wieder täglich gewischt werden.

Der andere Punkt ist die Bezahlung. „Man hat mehr Verantwortung für das gleiche Geld“, sagt Nina Löb vom Vorstand des Verbands Hamburger Schulleitungen. Knapp 100 Euro netto verdienen Leiter kleiner Grundschulen mehr als normale Lehrer. Stellvertreter sind oft auf der gleichen Gehaltsstufe wie ihre Kollegen – und stehen neben der Führungsfunktion noch im Klassenzimmer. „Das ist nicht attraktiv“, sagt Löb. Während Leitungen von größeren Grundschulen es immerhin auf A14-Stellen (bis 5161 Euro) schaffen, können Rektoren von Stadtteilschulen und Gymnasien sogar bis A16 (bis zu 6472 Euro brutto) aufsteigen. „Dabei sind viele Aufgaben die gleichen“, sagt Löb, die die Schule Vizelinstraße in Lokstedt leitet. Der Verband fordert deshalb, die Besoldung für alle Schulleiter anzugleichen – egal, ob Grundschule, Stadtteilschule oder Gymnasium.

Besonders hart trifft es Grundschulen in Gebieten mit niedrigem Sozialindex, kritisiert die Lehrergewerkschaft GEW. Weil die Klassengrößen mit 19 Kindern kleiner sind als an anderen Grundschulen, haben selbst dreizügige Schulen weniger als 230 Schüler. Das ist die Grenze für den Sprung in die nächste Besoldungsgruppe und für eine dritte Stelle im Leitungsteam. „Wir sehen darin eine Benachteiligung“, sagt die Hamburger GEW-Chefin Anja Benzinger-Stolze. Sie fordert eine Gehaltsangleichung für diese Schulleitung. Auch weil sie oft unter schwierigen Bedingungen arbeiteten.

Die Bewerberzahl auf offene Stellen ist kontinuierlich zurückgegangen

Das Problem ist nicht neu, aber es hat sich verschärft. Nach Senatsangaben kamen im Schuljahr 2013/2014 auf eine Grundschulleiterstelle durchschnittlich 0,8 Bewerbungen, drei Jahre zuvor waren es noch 1,1. Noch schlimmer sieht es bei den Stellvertreterposten aus: Im Schnitt 0,6 Bewerber waren es pro Stelle. Der Markt ist leer. Das zeigt auch ein Blick ins Bewerbungsportal der Schulbehörde. Von den 20 Stellenangeboten für Grundschulleiter oder Stellvertreter war bei zwölf der Bewerbungsschluss mindestens einmal verlängert worden. Bis zu einem Jahr, in einem Fall sogar zwei Jahre, sind die Leitungsposten an sieben Grundschulen nicht oder kommissarisch besetzt.

Immer wieder hat die grüne Bildungsexpertin Stefanie von Berg auf die Führungslücken an Grundschulen hingewiesen. Jetzt sagt sie: „Senator Rabe und seine Behörde ignorieren dieses Problem. Es sind keine Anstrengungen erkennbar, neue, motivierte Schulleitungen für diese wichtige Aufgabe zu gewinnen. Gute Schulentwicklung kann so kaum funktionieren.“ Vom Senat fordert sie „zumindest über eine Entlastung bei den umfangreichen, zeitraubenden Verwaltungstätigkeiten nachzudenken, aber auch über Änderungen bei der Besoldungspraxis“.

Die Schulbehörde sieht die Kritik gelassen. Man habe Verständnis dafür, dass alle Schulleiter gern eine Stellvertretung hätten, sagt Sprecher Peter Albrecht. Aber gerade an kleinen Schulen seien die Aufgaben auch anders zu bewältigen, etwa indem die sogenannten Funktionsstunden im Kollegium verteilt würden. Auch mehr Geld für Schulleiter ist absehbar nicht geplant. Zuletzt war die Besoldung der Grundschulrektoren in der vergangenen Legislaturperiode von A13 (bis zu 4668 Euro brutto) auf A13 Z angehoben worden. Ein Plus von 180 Euro. Tatsächlich verdient man in Hamburg im Vergleich besser. In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es nur ein A12-Gehalt (4015 Euro) plus einer Amtszulage von 155,09 Euro. Dort ist der Notstand enorm, jede neunte Leitungsstelle an Grundschulen ist unbesetzt. Aber auch Schulsenator Ties Rabe (SPD), der bereits als Oppositionspolitiker auf Mängel hinwies, sieht Handlungsbedarf. Ein Coaching für Schulleiter soll helfen.

Das Problem des Rahlstedter Schulleiters Ortmann löst das nicht. Dabei gäbe es Kollegen, die sich begeistern könnten, sagt der Pädagoge. Den meisten gehe es dabei gar nicht nur ums Geld. Sein Wunsch: „Schulen müssen ein höheres Stundenkontingent für Leitungsaufgaben bekommen.“