Behörde gibt Linie für Umgang mit chronisch Kranken vor. Anlass für den Hinweis der Behörde war ein Abendblatt-Bericht über den sechs Jahre alten, an Diabetes Typ 1 erkrankten Ben aus Hummelsbüttel.

Hamburg. Kurz vor den Herbstferien hat die Schulbehörde alle Hamburger Schulleiter noch einmal für den Umgang mit chronisch kranken Kindern sensibilisiert. In einem Schreiben hat Landesschulrat Norbert Rosenboom „aus gegebenem Anlass“ darauf hingewiesen, dass alle staatlichen allgemeinbildenden Schulen „grundsätzlich alle angemeldeten Kinder“ aufnehmen müssen, „und dies gilt selbstverständlich auch für Kinder mit chronischen Erkrankungen“, heißt es darin.

Der „gegebene Anlass“ war ein Abendblatt-Bericht über den sechs Jahre alten, an Diabetes Typ 1 erkrankten Ben aus Hummelsbüttel, der an den beiden für ihn zuständigen Grundschulen nicht eingeschult werden konnte, weil die Schulleitungen die medizinische Unterstützung des Jungen nicht übernehmen wollten. Ben braucht Hilfe beim Blutzuckermessen und bei der Bedienung der Insulinpumpe, weil er noch nicht lesen und schreiben kann. Eine Schulbegleitung für ihn hatte die Behörde abgelehnt. Die Rechtsabteilung hatte zudem in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass Lehrkräfte „medizinische Hilfsmaßnahmen nicht durchführen müssen“.

Karin Prien, schulpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, hat deshalb in einer Senatsanfrage nachgefragt, wie ernst es der Senat mit der Inklusion meint. Sie wollte wissen: „Haben sich die potenziellen Klassenlehrer konkret geweigert, die Hilfestellung zu gewährleisten?“ Überraschende Antwort: An der Entscheidung über die Aufnahme seien mögliche Klassenlehrer gar nicht beteiligt gewesen. Das sei für sie völlig unverständlich, sagt Prien: „Ich hätte verstanden, wenn sich kein Lehrer bereit erklärt hätte, Ben in die Klasse zu nehmen. Aber so ist die Ablehnung des Schulleiters als grundsätzliche zu verstehen.“ Das Inklusionskonzept werde so ad absurdum geführt, sagte Prien dem Abendblatt.

Dagegen betont der Senat, die Schulleitungen hätten die Aufnahme Bens gar nicht abgelehnt. Vielleicht sei dies bei Bens Mutter, Claudia Schulze-Domnick, im Beratungsgespräch nur „falsch rübergekommen“. Das allerdings bezweifelt Karin Prien: „Ich habe den Eindruck, der Senat versucht sich da herauszureden.“ Und auch Claudia Schulze-Domnick lässt den Vorwurf nicht auf sich sitzen. „Ich fühle mich ein bisschen veräppelt“, sagt die Anwältin. „Die Behörde schreibt über unseren Fall, aber bis heute hat niemand von der Schulbehörde mich angerufen und mit mir gesprochen.“ Auch auf ihr Schreiben an das Referat für Inklusion Anfang September habe sie noch immer keine Antwort erhalten.

Ihr Antrag auf Schulbegleitung für Ben war Anfang Juli abgelehnt worden. Und den Lehrern sei die Verantwortung für Ben nicht zuzumuten, schrieb ein Schulleiter damals an Bens Familie. „Wenn Lehrkräfte die medizinische Unterstützung nicht übernehmen wollen, dann muss es an dieser Stelle Schulbegleitung geben“, fordert Karin Prien.

Ben besucht seit August die Bugenhagenschule Alsterdorf. Claudia Schulze-Domnick hatte zu Beginn des Schuljahres auf eigene Kosten unter anderen zwei Lehrer und einen Erzieher durch die Diabetesberatung des AK Altona schulen lassen und zudem einen Pflegedienst bezahlt, der bei Bens Betreuung mithalf. Ein junger Mann, der freiwilligen sozialen Dienst leistet und ebenfalls geschult wurde, stehe nun überwiegend Ben zur Verfügung, „der fehlt natürlich an anderer Stelle“, sagt Schulze-Domnick. Problematisch seien zudem weiterhin die Spätbetreuung an der Schule und die Ferien. Eine Hoffnung hat sich gerade zerschlagen: „Der Medizinische Dienst hat die Pflegestufe für Ben abgelehnt“, sagt seine Mutter. Sie hat nun erneut einen Antrag auf Schulbegleitung gestellt. Ausgang offen. Auch ihre Krankenkasse hat noch nicht entschieden. „Ich freue mich, wenn es für andere Kinder künftig besser läuft“, sagt Schulze-Domnick. Sie hoffe, dass es auch für ihren Sohn eine Lösung gibt.