Bürgermeister Scholz habe beim Deal zur Fernwärme Sorgfaltspflicht verletzt. Der Rückkauf der Fernwärme ist mit allerlei Unwägbarkeiten belastet. Dabei ist dieses Netz vom Finanzvolumen her das mit Abstand wichtigste.

Hamburg. Die vollständige Umsetzung des Volksentscheids zum Rückkauf der Energienetze ist längst nicht mehr so sicher, wie es zunächst schien. Während der Senat das Stromnetz bereits von Vattenfall erworben hat und über den Kauf des Gasnetzes mit E.on verhandelt, wird immer klarer, dass der Rückkauf der Fernwärme mit allerlei Unwägbarkeiten belastet ist. Dabei ist dieses Netz vom Finanzvolumen her das mit Abstand wichtigste.

Wie berichtet, haben Senat und Vattenfall eine Option für den Rückkauf der Fernwärme erst für das Jahr 2019 vereinbart und dafür bereits einen Mindestpreis festgelegt. Dabei heißt es im Volksentscheid explizit, alle Netze seien „2015 wieder vollständig in die öffentliche Hand zu übernehmen“. Der Senat begründet die Verschiebung damit, dass Vattenfall bei einem sofortigen Verkauf eine Art Spekulationssteuer hätte zahlen müssen.

Das liegt daran, dass das Unternehmen sein Fernwärmegeschäft 2011 aufsplitten musste, um die Stadt mit 25,1 Prozent zu beteiligen, wie es Bürgermeister Olaf Scholz wollte. Würde das Unternehmen nun vor Ablauf von sieben Jahren veräußert, könnte eine Art Steuer nach dem „Umwandlungssteuergesetz“ fällig werden – angeblich im dreistelligen Millionenbereich.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Fraktionschefs Jens Kerstan räumt der SPD-Senat nun ein, dass er die genaue Höhe möglicher Steuernachzahlungen gar nicht geprüft habe. „Bei der Höhe und der Berechnungsgrundlage des Steuernachteils handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Vattenfall“, so der Senat. Und weiter: „Eine Prüfung der steuerlichen Verhältnisse des Vattenfall-Konzerns war nicht Gegenstand der Kaufverhandlungen.“ Mit anderen Worten: Der Senat hat die von Vattenfall angebrachte Begründung offenbar nicht hinterfragt.

„Das einzige Hindernis für einen Sofortkauf war die Forderung von Vattenfall nach Erstattung eines Steuernachteils. Jetzt erfahren wir: Diese Forderung hat der Senat nie nachgerechnet“, sagt Jens Kerstan. „Das ist eine grobe Verletzung der Sorgfaltspflicht. Ohne den Anteilskauf 2012 hätte es dieses Steuerproblem nie gegeben.“ Auch zeige die Antwort, dass der Senat die Möglichkeit nie geprüft habe, „mit Vattenfall eine Entschädigung auszuhandeln und dafür die Fernwärme mitsamt der Einnahmen sofort in die Hand zu bekommen“, so Kerstan.

Aufgrund des nun gewählten Konstrukts ist der Rückkauf im Jahr 2019 nicht wirklich sicher. Denn im kürzlich geschlossenen Vertrag hat der Senat mit Vattenfall einen Mindestpreis für den vereinbarten Kauf der Fernwärme im Jahr 2019 festgelegt. Er beträgt 1,15 Milliarden Euro inklusive des Kraftwerks Tiefstack und des noch zu bauenden neuen GuD-Kraftwerks in Wedel.

Der Haken an der Sache: Im Jahr 2018 wird der Wert des Fernwärmenetzes neu ermittelt. Liegt er höher, so bekommt Vattenfall diesen höheren Preis. Liegt der 2018 ermittelte Wert aber niedriger als der jetzt festgelegte, so müsste der Senat trotzdem den Garantiepreis zahlen. Das aber verbietet die Landeshaushaltsordnung. Mit anderen Worten: Der Rückkauf könnte scheitern. Nach der Niederlage beim Volksentscheid habe Scholz um jeden Preis einen schnellen Erfolg verkünden wollen, sagt Kerstan. „Als er im Januar seine angeblich glatte Lösung präsentierte, hat ihn nicht interessiert, was sein Deal am Ende kosten wird. Und er hat in Kauf genommen, dass die Umsetzung des Volksentscheids scheitern könnte.“