Die Alliander AG will sich mit der Genossenschaft EnergieNetz um die Hamburger Stromkonzession bewerben. Die Frist endet Mittwoch um 11 Uhr. Der Senat verhandelt immer noch mit Vattenfall über die Konditionen des Verkaufs.
Hamburg. Nun steigen auch die Niederländer ins Rennen um die Hamburger Stromnetzkonzession ein. Der holländische Netzbetreiber Alliander AG hat sein Interesse nach eigener Aussage bereits offiziell bei der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt bekundet. Die Frist dafür läuft am Mittwoch um 11 Uhr ab. Das Unternehmen, das laut eigenen Angaben rund 7000 Mitarbeiter beschäftigt und etwa sechs Millionen Menschen in den Niederlanden mit Strom versorgt, will sich aber nicht allein bewerben – sondern gemeinsam mit der im Frühjahr von Hamburger Bürgern gegründeten Genossenschaft EnergieNetz Hamburg eG. „Mit der gemeinsamen Bewerbung unterstreichen beide Unternehmen ihr konkretes Interesse an der Modernisierung und am Betrieb des Hamburger Stromnetzes und betonen zugleich ihren Wunsch und ihr Angebot an einer kommunalen Partnerschaft mit der Freien und Hansestadt Hamburg“, heißt es im Entwurf einer Pressemitteilung, die dem Abendblatt vorliegt. Alliander hat sich auch in Berlin um die Konzessionen für Strom und Gas beworben. Dort gibt es auch zahlreiche weitere Bewerber, etwa auch die chinesische China State Grid.
Derweil verhandeln Senat und Vattenfall noch immer darüber, zu welchen Konditionen der schwedische Konzern der Stadt seine Anteile an Strom- und Fernwärmenetz verkaufen könnte. Wenn es Hamburg bis zum Fristende nicht gelingt, die 74,9 Prozent an der gemeinsamen Netzgesellschaft zu kaufen, die derzeit noch Vattenfall gehören, wird sie die Option zum Ausstieg aus der Gesellschaft nutzen und sich stattdessen mit einer neuen städtischen Gesellschaft um die Konzession bewerben. Diese wurde bereits Mitte Dezember unter dem Namen Hamburg Energienetz GmbH gegründet und wird derzeit von einer Doppelspitze geleitet, nämlich von Petra Bödeker-Schoemann, einer Geschäftsführerin der Hamburgischen Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV) und dem leitenden Regierungsdirektor der Finanzbehörde, Christian Heine. Zur Fristwahrung werden sowohl die neue Gesellschaft als auch die gemeinsame Gesellschaft von Stadt und Vattenfall ihr Interesse an der Stromkonzession bekunden. Die Stadt geht also zumindest vorübergehend mit zwei Gesellschaften in das Verfahren.
Während in der vergangenen Woche bereits viel Optimismus über eine Einigung zwischen Vattenfall und Stadt verbreitet wurde, werden die Einschätzungen auf den letzten Metern wieder skeptischer. Vattenfall-Norddeutschland-Chef Pieter Wasmuth dämpfte die Erwartungen und nun spricht auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel nur noch on einer „Fifty-fifty-Chance“ auf eine Einigung. Offensichtlich liegen die Verhandler bei den Preisvorstellungen noch weit auseinander. Besonders die Einschätzungen zum Wert des Fernwärmenetzes dürften sehr unterschiedlich sein. Sollte es keine Einigung geben, müsste Hamburg mit seiner neuen Gesellschaft nicht nur gegen Alliander und mögliche andere Bewerber, sondern auch gegen den bisherigen Platzhirsch Vattenfall antreten. Das würde die Chancen auf den Zuschlag bei der Stromkonzession nicht gerade erhöhen. Zwar vergibt die städtische Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) die Konzession. Dies muss aber „diskriminierungsfrei“ geschehen und kann auf Antrag von unterlegenen Bewerbern gerichtlich überprüft werden.
Um die Neutralität zu wahren, ist die für die Konzessionsvergabe zuständige BSU nicht an den derzeit laufenden Verhandlungen mit Vattenfall beteiligt. Diese werden von der Finanzbehörde geführt. Im Endspurt haben sich nun auch Staatsrat Jens Lattmann und Finanzsenator Peter Tschentscher selbst in die Verhandlungen eingeschaltet. Die Grünen wiederholten ihre Warnung, Vattenfall einen zu hohen Preis zu zahlen. „Vattenfall steht in Schweden wegen seiner Geschäftspraktiken im Ausland unter Druck“, sagte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. „Gut möglich, dass sich der Konzern aus Deutschland zurückzieht. Für die Kaufverhandlungen heißt das: Die Zeit spielt für die Stadt und gegen Vattenfall.“ Bürgermeister Olaf Scholz müsse genau belegen, dass er eine schnelle Einigung nicht mit Zugeständnissen an Vattenfall erkaufe – zumal es bei der Fernwärme, anders als beim Strom, keinen Zeitdruck gebe. „Klima und Verbraucher dürfen nicht den Preis für einen schnellen, öffentlichkeitswirksamen Erfolg von Olaf Scholz bezahlen“, so Kerstan. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel konterte: „Es entbehrt nicht der Komik, dass die Grünen uns jetzt warnen, wir sollten keine Mondpreise bezahlen. Sie haben für den Rückkauf plädiert. Wäre es nach der SPD gegangen, hätten wir gar nichts bezahlt.“
Die CDU kritisierte erneut das Verfahren. „Egal wie die Verhandlungen ausgehen, der Bürgermeister sitzt auf drei Stühlen“, sagte CDU-Energiepolitikerin Birgit Stöver. „Nicht nur, dass sich der Senat mit gleich zwei Beteiligungen bewerben wird, obendrein ist der Senat auch noch Herr des Konzessionsverfahren und am Ende der Entscheider. Bei der Verquickung von Beteiligung und Vergabe ist die Gefahr groß, dass die Diskriminierungsfreiheit und Transparenz des Verfahrens infrage gestellt wird.“ Mögliche Klagen unterlegener Bewerber aber seien „eine Gefahr für die Bürger“, so Stöver. „Sie können zu einer jahrelangen Hängepartie mit Investitionsstopp und Versorgungsunsicherheiten führen.“