Heute will der Senat die Einigung mit Vattenfall über den Rückkauf von Strom- und Fernwärmeleitungen bekannt geben.
Hamburg. Sie hatten sich vorgenommen, bis zum Mittwoch um 11 Uhr fertig zu werden. Zu dieser Uhrzeit endete die Bewerbungsfrist für die Stromnetzkonzession. Aber die Verhandler von Vattenfall und der Stadt brauchten länger. Erst am späten Nachmittag einigte man sich, bis etwa Mitternacht saß man beim Notar zusammen. Noch am Mittwoch aber wurde eine Pressekonferenz für heute, 10.30 Uhr, zur Verkündung der Ergebnisse anberaumt. Alles andere als eine rechtsgültige Beurkundung in der Nacht wäre also eine Überraschung. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen:
Worüber haben Senat und Vattenfall genau verhandelt?
Bisher ist Hamburg mit 25,1 Prozent an der Stromnetz Hamburg GmbH beteiligt, der das 27.500 Kilometer lange Stromnetz gehört. Vattenfall hielt bisher 74,9 Prozent. Dasselbe gilt für die Fernwärmegesellschaft. Ziel des Senats war es, Vattenfall seine Anteile an den Gesellschaften abzukaufen, um sie vollständig in städtische Hand zu bringen. Wäre das Vorhaben gescheitert, hätte Hamburg sich aus der Gesellschaft zurückziehen können. Diese Option wurde 2011 vertraglich vereinbart. Die Frist dafür wurde kürzlich bis Mitte Februar 2014 verlängert. Der vollständige Kauf der GmbH ersetzt allerdings nicht die Konzession. Um diese muss sich die Gesellschaft so oder so bewerben.
Warum konnten Stadt und Vattenfall über Fristende hinaus verhandeln?
Die Verhandlungen über einen Rückkauf der Fernwärme und der Vattenfall-Anteile am Stromnetz waren von der Bewerbungsfrist für die Konzession nicht direkt betroffen. Damit Hamburg, egal wie die Verhandlungen ausgehen würden, in jedem Fall rechtzeitig eine Bewerbung um die Konzession abgegeben hätte, hat die Stadt dies doppelt getan. Zum einen hat sich die Stromnetz Hamburg GmbH beworben. Zum zweiten hat sich die Stadt mit der im Dezember gegründeten Hamburg Energienetz GmbH beworben. Durch die Einigung mit Vattenfall kann diese Gesellschaft sich wieder zurückziehen. Hamburg bewirbt sich nun als alleiniger Eigentümer der Stromnetz Hamburg GmbH.
Wer sind die anderen Bewerber um die Stromnetzkonzession?
Die Stadt hat die Namen bisher nicht veröffentlicht. Bekannt sind neben der Stromnetz Hamburg GmbH und Hamburg Energienetz GmbH zwei weitere Bewerber: E.on Hanse und eine Bietergemeinschaft aus dem holländischen Netzbetreiber Alliander und der Genossenschaft EnergieNetz Hamburg eG.
Wer steckt hinter der Genossenschaft EnergieNetz Hamburg eG?
Die Ähnlichkeit der Namen sorgt bei der ohnehin komplizierten Materie für weitere Verwirrung, aber: Die Hamburg Energienetz GmbH und die EnergieNetz Hamburg eG sind zwei unterschiedliche Gebilde – und Konkurrenten um die Stromnetzkonzession. Die GmbH ist, wie oben erwähnt, eine städtische Gesellschaft. Die EnergieNetz Hamburg eG dagegen ist eine von Hamburger Bürgern gegründete Genossenschaft. Ihr Ziel ist es, die Bürger an den Netzen zu beteiligen. Die Gründer stammen vorrangig aus dem rot-grünen Umfeld. Vorstand ist der SPD-Politiker Matthias Ederhof, der sich derzeit um den SPD-Distriktsvorsitz in Schnelsen bewirbt. Im Aufsichtsrat sitzen der Mitbegründer der Grünen, Lukas Beckmann, und Peter Becker, Gründer einer der größten deutschen auf Energierecht spezialisierten Anwaltskanzleien. Der Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan hatte zunächst mit einer Beteiligung der Genossenschaft am Netze-Rückkauf geliebäugelt. Dies widerspräche aber wohl dem Auftrag des Volksentscheids, wonach das Netz vollständig in städtische Hand überführt werden soll.
Wie läuft das Konzessionsverfahren?
Vergeben wird die Konzession von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Zunächst müssen alle Bewerber eine Vertraulichkeitserklärung abgeben, um Absprachen zu verhindern. Dann werden sie aufgefordert, unverbindliche Angebote abzugeben und ihre Eignung zum Betrieb des Stromnetzes nachzuweisen. Die Behörde trifft bis zum Sommer eine Vorauswahl. Danach werden verbindliche Angebote eingeholt. Bis zum Herbst soll die neue Konzession für das Stromnetz vergeben sein. Sie gilt von 2015 an für maximal 20 Jahre. Die Geltungsdauer kann im Verfahren verkürzt werden.
Nach welchen Kriterien wird die Konzession vergeben?
Zwar vergibt die Stadt die Konzession für das Stromnetz selbst, dies muss aber „diskriminierungsfrei“ geschehen. Hamburg darf die Konzession nicht einfach aus politischen Gründen der eigenen Gesellschaft zusprechen. Die Vergabe muss anhand der Kriterien des Energiewirtschaftsgesetzes erfolgen. Den Zuschlag soll der Bewerber erhalten, der das Netz am sichersten, effizientesten, umweltschonendsten, verbraucherfreundlichsten und preisgünstigsten betreiben kann. Unterlegene Bewerber können die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen. Wer die Konzession bekommt, erhält das Netz zu einem „angemessenen“ Preis.
Wie geht es jetzt mit Gas- und Fernwärmenetz weiter?
Die Konzession für das Gasnetz läuft bis 2018. Sie liegt bei einer gemeinsamen Gesellschaft von Stadt und E.on, an der Hamburg 25,1 Prozent hält. Die Stadt wird versuchen, auch hier die Anteile von E.on zu kaufen. Auch dafür wird sie einen dreistelligen Millionenbetrag bezahlen müssen. Für die Fernwärme gibt es kein Konzession. Die Stadt hat sich mit Vattenfall auf eine bis 2018 laufende Kaufoption für das Fernwärmenetz inklusive der Kraftwerke Tiefstack und Wedel geeinigt. Das geplante neue GuD-Kraftwerk in Wedel soll Vattenfall in Absprache mit dem Senat bauen. Die Stadt kann es bis 2018 ebenfalls kaufen.
Was bedeutet all das für die Kunden?
Für Kunden ist es egal, wem Strom- und Gasleitungen gehören. Jeder Netzbetreiber muss Strom und Gas aller Anbieter durchleiten. Bei der Fernwärme könnte die Stadt die Preise senken. Dass sie dies angesichts hoher Finanzierungskosten und notwendiger Modernisierung tut, ist unwahrscheinlich.