Münchner Gesellschaft Afinum peilt Minderheitsbeteiligung an. Schuhhändler Reno aber noch nicht aus dem Rennen. Entscheidung noch vor Ostern.
Hamburg. Das Poker um einen Einstieg von Investoren bei der Hamburger Schuhkette Görtz geht in die entscheidende Runde. Nach Informationen dieser Zeitung ist neben dem Konkurrenten HR Group (Reno) nun auch der Münchner Finanzinvestor Afinum am Erwerb wesentlicher Anteile an dem Traditionsunternehmen interessiert. Dabei scheint die Beteiligungsgesellschaft die Nase vorn zu haben. Eine Entscheidung soll noch vor Ostern fallen. Offiziell wollten sich weder Görtz noch Afinum zum Stand der Verhandlungen äußern.
Im Gegensatz zur Reno-Muttergesellschaft HR Group strebt Afinum offensichtlich keine Übernahme von Görtz an. Im Gespräch ist die Abgabe eines Anteils von mehr als 25 Prozent, die Mehrheit soll aber in den Händen der bisherigen Eigentümerfamilie um die Brüder Ludwig, Friedrich und Thomas Görtz bleiben.
Verhandelt wird darüber hinaus auch über die Bereitstellung von Wagniskapital für die Entwicklung und Modernisierung von Filialstandorten und die engere Verbindung des traditionellen Ladengeschäfts mit dem immer wichtigeren Internethandel.
Afinum wurde im Jahr 2000 von den promovierten Wirtschaftswissenschaftlern Thomas Bühler und Gernot Eisinger gegründet. Laut eigener Darstellung investiert die Gesellschaft insbesondere in „gesunde, erfolgreiche Unternehmen des Mittelstands“. Beteiligungsanlässe seien unter anderem die zeitnahe Regelung der unternehmerischen Nachfolge, die Finanzierung von Wachstumsschritten und die Erhöhung der Eigenkapitalquote beziehungsweise die Reduzierung von Bankverbindlichkeiten.
Erst im vergangenen Jahr stiegen die Münchner etwa bei dem fast 200 Jahre alten Möbelhersteller Thonet ein, der es mit Designklassikern wie seinem Kaffeehausstuhl zwar zu Weltruhm brachte, heute aber unter dem harten Preiskampf in der Branche zu leiden hat. Die Beteiligung soll dort dabei helfen, die internationale Expansion und die Entwicklung neuer Produkte voranzutreiben. Es gehe dem Investor nicht darum, Einfluss auf das Tagesgeschäft zu nehmen oder die Familie herauszudrängen, sagte jüngst Thonet-Geschäftsführer Thorsten Muck der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Zum Afinum-Portfolio zählen zudem der Kreissägenhersteller Altendorf und Computerteileproduzent Caseking.
Wegen der Bereitschaft, auch bei Görtz die alte Eigentümerfamilie an Bord zu behalten und die Eigenständigkeit der Kette zu sichern, werden Afinum in Verhandlungskreisen deutlich bessere Chancen für einen Einstieg eingeräumt als dem konkurrierenden Osnabrücker Schuhhändler Reno und dessen Muttergesellschaft HR. Diese würde gern 75 Prozent an Görtz übernehmen und die Hamburger Kette danach als eigenständige Tochtergesellschaft in die eigene Gruppe integrieren.
Der Betriebsrat von Görtz war diesen Plänen zuletzt mit großer Skepsis begegnet. Es bestehe die Gefahr, dass bei einer Übernahme die Hamburger Zentrale und auch das Lager in Norderstedt zur Disposition gestellt werden könnten, erklärte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Joachim Martens vor einigen Wochen. Auch gebe es in der Belegschaft die Besorgnis, dass Doppelstandorte von Görtz und Reno geschlossen würden. Mit dem Finanzinvestor Afinum sollen die Gespräche hingegen deutlich konstruktiver und unproblematischer verlaufen. Sorgen über einen verschärften Arbeitsplatzabbau bestehen in diesem Fall aufseiten des Betriebsrats offenbar nicht.
Die jetzigen Eigentümer von Görtz hatten sich unter dem Druck hoher Verluste und eines starken Finanzbedarfs im vergangenen Jahr grundsätzlich dazu bereit erklärt, die 1875 gegründete Firma für Investoren zu öffnen. Dazu wurde eigens eine Beteiligungsgesellschaft in Berlin gegründet, die von dem Treuhänder und Rechtsanwalt Andreas Ziegenhagen geführt wird.
Die Kette war durch den verschärften Konkurrenzdruck im Internet, verfehlte Auslandsengagements und einen aufgeblähten Verwaltungsapparat in Schieflage geraten. Zur Sanierung strichen die Geschäftsführer Thorsten Hermelink, Christian Moritz und Jörn Peters unter anderem zahlreiche Jobs in der Hamburger Zentrale und machten unrentable Filialen der Vertriebslinie Görtz 17 dicht.
Anfang dieses Jahres trennten sie sich zudem von der Schweizer Tochtergesellschaft Pasito-Fricker mit 58 Filialen, bei der das frühere Management unter anderem das Wechselkursrisiko unterschätzt hatte. Abgestoßen wurde zudem die IT-Tochtergesellschaft Ethalon, mit der sich der Schuhhändler über Jahre hinweg erfolglos als Softwareentwickler versuchte. Ein hoher Millionenbetrag soll durch dieses Engagement jenseits des Kerngeschäfts verbrannt worden sein.
Von den einst 240 Filialen des Unternehmens sind durch den Schrumpfkurs heute nur noch 170 übrig. Operativ schreibt Görtz mittlerweile zwar wieder schwarze Zahlen. Allerdings reichen die vorhandenen finanziellen Mittel kaum aus, um die notwendige Modernisierung der Kette und die stärkere Ausrichtung auf das Onlinegeschäft aus eigener Kraft voranzutreiben. Eine Bereitschaft der Brüder Ludwig, Friedrich und Thomas Görtz, Geld aus ihrem Privatvermögen ins Unternehmen zu pumpen, besteht nach Informationen dieser Zeitung nicht. Wie schwierig die Situation bei Görtz nach wie vor ist, zeigt die Tatsache, dass die noch verbliebenen rund 3200 Beschäftigten des Unternehmens für die Sanierung der Kette auf rund zwölf Millionen Euro an Gehalt und Prämien verzichtet haben und auch weiterhin Einbußen in Kauf nehmen müssen.