Hamburger Traditionsunternehmen Görtz braucht frisches Kapital. Inhaber gründen Beteiligungsgesellschaft. Auch der Verkauf von mehr als 50 Prozent der Anteile der Schuhkette sind möglich.
Hamburg. Es ist ein fundamentaler Schwenk in der fast 140-jährigen Geschichte der Hamburger Schuhhandelskette Görtz. Immer befand sich das Traditionsunternehmen in Familienbesitz, doch nun sind die Inhaber Ludwig, Friedrich und Thomas Görtz bereit, sich von wesentlichen Teilen der Firma zu trennen und fremde Investoren ins Boot zu holen. Ziel der Gesellschafter ist nach Abendblatt-Informationen eine Minderheitsbeteiligung, doch es könnte in dem Prozess auch zum Verkauf von mehr als 50 Prozent der Anteile kommen. Nur den Komplettverkauf schloss ein Sprecher des Unternehmens definitiv aus.
„Mit Zustimmung der Familie und unter aktiver Beteiligung der Geschäftsführung“ seien die „notwendigen gesellschaftsrechtlichen Grundlagen geschaffen worden, um finanziell flexibel zu bleiben“, heißt es in einem am Freitag versandten Rundschreiben an die Mitarbeiter von Görtz, das dem Abendblatt vorliegt. Dazu zähle auch eine Görtz Beteiligungsgesellschaft, mit der sich das Unternehmen „potenziell für neue Gesellschafter und frisches Kapital von außen“ öffne. Nur auf diese Weise werde man auch künftig zu den Marktführern mit den deutschlandweit stärksten Marken zählen. Ziel dieser Lösung sei es, die Interessen aller Görtz-Mitarbeiter, der Gesellschafter und der Banken gleichermaßen zu wahren. Zu den bisherigen Geldgebern zählen unter anderem die HSH Nordbank und die Haspa.
„Wir schaffen mit der Beteiligungsgesellschaft die Voraussetzung für eine mögliche Erweiterung des Gesellschafterkreises in der Zukunft für die nachfolgende Generation“, sagte Inhaber Ludwig Görtz dem Abendblatt. Zu der Frage, ob das Unternehmen eher nach einem strategischen Investor aus der Branche oder einem Finanzinvestor sucht, wollte sich ein Sprecher des Unternehmens aber nicht näher äußern. Auch zum Umfang einer möglichen Beteiligung machte er keine Angaben, schloss eine Mehrheitsbeteiligung aber auch nicht aus.
Offenbar befindet sich die Suche nach einem Investor derzeit noch ganz am Anfang. Favorisiert wird wohl ein Partner, der sich mit dem schwierigen Schuhgeschäft in Deutschland auskennt, sich zugleich aber auch nicht zu sehr ins aktuelle Geschäft einmischt und keine führende Rolle im Unternehmen anstrebt. Ob die Familie bereit ist, sich auch mit der Rolle als Minderheitsgesellschafter abzufinden, dürfte letztlich von den eingehenden Angeboten in den kommenden Monaten abhängen.
Laut Mitarbeiterrundschreiben sollen die möglichen, gesellschaftsrechtlichen Veränderungen zumindest keinen Wechsel in der Geschäftsführung nach sich ziehen. Alle Beteiligten im Unternehmen würden an einem Strang ziehen, heißt es in dem Papier, das von den drei Görtz-Geschäftsführern Thorsten Hermelink, Christian Moritz und Jörn Peters, sowie dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden Joachim Martens unterzeichnet wurde.
Das Hamburger Unternehmen hat unter der Konkurrenz aus dem Onlinebereich, früheren Überkapazitäten und falschen Sortimenten zu leiden und schreibt seit mehreren Jahren rote Zahlen. Der Umsatz ging im vergangenen Jahr um rund vier Prozent auf 387 Millionen Euro zurück, unter dem Strich fiel ein Verlust von einer Million Euro an. Um wieder auf die Beine zu kommen und die Kosten zu senken, hat Görtz 2012 die Zahl der Arbeitsplätze um rund 100 Stellen auf 3700 verringert und 16 unrentable Geschäfte geschlossen. Im laufenden Jahr soll die Zahl der Filialen noch einmal um 14 sinken. Besonders betroffen davon ist die Vertriebslinie Görtz 17, einst der größte Gewinnbringer, nun aber das Sorgenkind mit einer zu modischen und kaum tragbaren Kollektion.
Trotz der schwierigen Lage weist Görtz Spekulationen zurück, die Investorensuche geschehe aus der finanziellen Not heraus. Vielmehr gehe es darum, die Kette für die Zukunft gut aufzustellen. „Die Restrukturierung verläuft erfolgreich und wird in eine neue Wachstumsphase münden“, sagt Ludwig Görtz. „Dafür benötigen wir finanziellen Spielraum.“ In diesem Jahr werde man voraussichtlich wieder ein positives, operatives Ergebnis ausweisen können. Neben den noch geplanten Abbaumaßnahmen sollen 2013 auch vier neue Filialen eröffnet werden. Bei der Umsatzentwicklung steht die Kette angeblich besser als der Markt da.
Die neue Görtz Beteiligungsgesellschaft hat ihren Sitz in der Berliner Markgrafenstraße und wird von dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Andreas Ziegenhagen geleitet. Der ausgewiesene Sanierungs- und Restrukturierungsexperte hat offenbar die Aufgabe übernommen, für Görtz auf Investorensuche zu gehen. In der Vergangenheit hat Ziegenhagen unter anderem die zeitweilig insolvente Dresdner Solarfirma Solarwatt beraten und an einem Sanierungskonzept für das Unternehmen mitgewirkt. Er beriet auch den Investor Gordon Brothers bei der versuchten Übernahme der insolventen Warenhauskette Woolworth, die allerdings nicht zustande kam. Ziegenhagen ist auch Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dentons, die an derselben Berliner Adresse wie die Görtz Beteiligungsgesellschaft residiert.
Um an weiteres Geld zu kommen, könnte Görtz über die Partnersuche hinaus eine weitere, große Immobilie im Umkreis von Hamburg abstoßen. „Es könnte sein, dass ein Kaufvertrag zustande kommt, über den schon mehreren Monaten verhandelt wurde“, sagt Ludwig Görtz. Bereits im Herbst vergangenen Jahres hatte sich die Firma für 30 Millionen Euro von einem Haus in Hannover getrennt und die Erlöse in die Schuldentilgung gesteckt.