Wind mit Tempo 140, Schnee und Sturmflut: Orkantief „Xaver“ trifft am Donnerstag auf den Norden Deutschlands. Auch Weihnachtsmärkte bleiben geschlossen. So können Sie sich vorbereiten.

Hamburg. Sturm, Schnee und Sturmflut – ab Donnerstag wird es ungemütlich in Hamburg. Durch Sturmtief „Xaver“ drohen orkanartige Böen oder Orkanböen, die teils extreme Geschwindigkeiten von mehr als 140 km/h erreichen können. Mit Schrecken erinnern sich die Hamburger an den Orkan „Christian“ zurück, der im Oktober mit ähnlichen Windstärken für große Schäden gesorgt hatte. Dazu kommen aber noch zwei weitere Faktoren, die für Gefahren sorgen könnten. Da „Xaver“ aus Nordwest weht, drückt der Orkan Nordseewasser in die deutsche Bucht. Es droht eine Folge von schweren Sturmfluten. „Es können drei hintereinander sein“, hieß es beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH).

Wegen „Xaver“ fällt am Donnerstag an dutzenden Schulen in Nordniedersachsen der Unterricht aus. In den Landkreisen Friesland, Emsland, Wesermarsch, Wittmund, Aurich, Cuxhaven, Grafschaft Bentheim, Nienburg/Weser und Leer bleiben alle allgemein- und berufsbildenden Schulen geschlossen, wie die niedersächsische Verkehrsmanagementzentrale am Mittwoch mitteilte. Auch in den Städten Emden, Wilhelmshaven, Cuxhaven, Nienburg und Delmenhorst dürfen die Schüler zu Hause bleiben. Nach Mitteilung des Bildungsministeriums Mecklenburg-Vorpommern sind die Schulen im Land grundsätzlich geöffnet. „Der Unterricht findet statt“, hieß es. Allerdings seien Schüler, die ihre Schulen wegen der widrigen Witterungsverhältnisse nicht erreichen können, entschuldigt. Es liege letztlich bei den Eltern zu entscheiden, ob sie ihre Kinder in die Schule schickten oder nicht.

Das Präsidium der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel stellt Beschäftigten und Studierenden frei, ob sie morgen ihren Dienst antreten bzw. an Lehrveranstaltungen teilnehmen. Für Studierende ist damit die Anwesenheitspflicht bei Lehrveranstaltungen aufgehoben. Die Abwesenheit bei Prüfungen gilt als entschuldigt. Beschäftige können Zeitausgleich oder Urlaub nehmen.

Auch für die Besucher der Weihnachtsmärkte im Norden hat „Xaver“ bereits jetzt großen Einfluss: Das Bezirksamt Hamburg Mitte forderte die Betreiber auf, ihre gesamte Ausstattung zu sichern und den Betrieb vorübergehend ab Nachmittag einzustellen, sagte eine Sprecherin des Bezirksamtes Mitte. Der „Historische Weihnachtsmarkt“ am Hamburger Rathaus werde um 15 Uhr schließen, teilte eine Sprecherin des Betreibers Roncalli Markt GmbH mit. Die Betreiber des Weihnachtsmarktes am Fanny-Mendelssohn-Platz teilten auf Facebook mit, dass „der Markt, morgen aus Sicherheitsgründen geschlossen bleibt. Die Sicherheit der Besucher und Betreiber hat Vorrang. Wir sind aber am Freitag wieder da.“

Und auch der Hamburger Dom wird am Donnerstag zunächst geschlossen bleiben. Dies haben die Bezirksämter beziehungsweise die Wirtschaftsbehörde am Mittwoch angeordnet. „Der Dom wird am Donnerstag zunächst geschlossen bleiben“, kündigte eine Sprecherin der Wirtschaftsbehörde an. Die Betreiber der Fahrgeschäfte sind bereits aufgefordert worden, sämtliche Außeninstallationen abzubauen und ihre Geschäfte zu sichern.

Die Weihnachtsmärkte in Bremen sollten am Donnerstag komplett geschlossen bleiben. Der Weihnachtsmarkt in Kiel bleibt ebenfalls wegen der dort erwarteten Orkanböen von 170 Kilometern pro Stunde ganz geschlossen. Das Eisfestival auf dem Kieler Rathausplatz öffnet an diesem Tag auch nicht, kündigte die Stadt am Mittwoch an. Betroffen sind auch die Friedhöfe: Für nachmittags geplante Beisetzungen werden verschoben. In Mecklenburg-Vorpommern warnte der Deutsche Wetterdienst die Betreiber von Weihnachtsmärkten, Buden und Stände zu sichern, der Rostocker Weihnahctmarkt bleibt zu.

Höchste Sturmfluten für die Nacht erwartet

Die höchste der Sturmfluten wird nach bisheriger Einschätzung in der Nacht zum Freitag – nach Mitternacht – in Ostfriesland und an der Nordseeinsel Borkum erwartet. Später soll der Scheitel dann die Elbmündung bei Cuxhaven und parallel dazu Nordfriesland erreichen. In Hamburg und Bremen soll die Sturmflut Freitagfrüh ankommen. Die Prognose könne sich aber noch um bis zu sechs Stunden verschieben. Bereits am Donnerstagnachmittag könnte das Hochwasser in Nordfriesland Sturmflutniveau erreichen. An der Nordseeküste Schleswig-Holsteins wird mit starken Behinderungen im Schiffsverkehr gerechnet. Damit den Hamburgern möglichst wenig passiert, rät die Feuerwehr zur Vorsicht.

„Es kommen drei Bausteine auf die Hamburger zu“, sagt Hendrik Frese, Sprecher der Hamburger Feuerwehr. Da sei zum einen der Sturm, der sich zu einem Orkan entwickeln könnte. Dann die Windrichtung des Sturmtiefs, die für eine Springflut sorgen könnte. Zuletzt dann der möglicherweise einsetzende Schnee. „Auf die drei Faktoren kann man sich unterschiedlich vorbereiten“, so Frese weiter.

Lage kann sich jederzeit ändern

„Die oberste Priorität in den nächsten zwei Tagen“, rät Frese, „sollte bei der Einholung von Informationen liegen.“ Noch sei keine gefährliche Lage zu erkennen. Dies könne sich aber schnell ändern. Daher sollten die Hamburger regelmäßig im Internet (Wir halten Sie ab Donnerstag mit einem Liveticker auf dem Laufenden auf abendblatt.de) schauen und Radio hören, meint der Sprecher gegenüber dem Abendblatt. Wichtig sei dabei aber vor allem, nicht in Panik zu verfallen. Denn derzeit seien die Prognosen noch zu unsicher. Eine Sturmflut genau wie 1962 sei nicht zu erwarten, die Ausgangslage sei eine andere. Die Deiche sind höher und moderner. Dennoch kann sich die Lage jederzeit ändern.

Derzeit ist davon auszugehen, dass Orkan „Christian“ stärker war, als „Xaver“ sein wird. „Das bedeutet aber nicht, dass es weniger Schäden gibt“, so Frese. Besonders der Schnee könnte dafür sorgen, dass Bäume umkippen. Unwahrscheinlicher, aber dennoch punktuell möglich, seien Stromausfälle. Daher rät Frese, sich Decken und Taschenlampen zurechtzulegen.

Autofahrer sollen ihr Fahrzeug stehen lassen

Allen Autofahrer rät Frese zudem, mehr Zeit am Freitag auf dem Weg zur Arbeit einzuplanen und vor allem langsam zu fahren. „Wer das Auto stehen lassen kann, sollte dies tun.“ So sollten Einkäufe am Freitag auf eine spätere Tageszeit gelegt werden, wenn die Straßen bereits geräumt sind. Zudem wies Frese darauf hin, dass der Tank voll sein sollte und für alle Notfälle auch eine Decke im Auto dabei sein sollte. „Das sind Tipps, die allgemein im Winter befolgt werden sollten, nicht bloß zum Orkan.“

Für Pendler, die das Auto stehen lassen möchten und mit der Bahn zur Arbeit fahren, sollten sich kurzfristig auf bahn.de und der-metronom.de über die Verkehrslage informieren. Besonders im nördlichen Niedersachsen sowie in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sei mit Einschränkungen oder auch Einstellungen des Zugverkehrs zu rechnen, teilte die Deutsche Bahn mit. Die Deutsche Bahn hat ihre Bereitschaftsdienste zum Räumen von Bahnsteigen und Gleisen sowie zur Reparatur von Oberleitungen mobilisiert.

Behörden warnen vor Orkan

Die Hamburger Schulbehörde warnt, dass möglicherweise am Donnerstag bereits Kinder aus den Schulen nach Hause geschickt werden können. Über die Lage am Freitag wolle man nach Lage der Dinge entscheiden, aber rasch informieren. Die Behörde wies darauf hin, dass In Gefährdungssituationen Eltern das Recht hätten, ihre Kinder präventiv nicht zur Schule zu schicken“.

Auch der Betrieb am Hamburger Flughafen könnte vom Sturm beeinträchtigt werden. Darauf hat der Flughafen am Mittwoch hingewiesen. Er forderte Passagiere auf, sich regelmäßig über die aktuelle Wettersituation in den kommenden beiden Tagen zu informieren. Angaben über ihren Flug erhalten die Reisenden bei ihren Fluggesellschaften.

Die Forstbehörde Hamburgs warnt vorsorglich, die Hamburger Wälder vom Donnerstag bis einschließlich Sonntag aus Sicherheitsgründen nicht zu betreten. Angebrochene Bäume und Äste könnten in diesem Zeitraum die Sicherheit der Waldbesucher gefährden.

Die Hamburger Innenbehörde bereitet sich „relativ gelassen“ auf die erwarteten Böen und Sturmfluten vor. „Wir haben genügend Vorlauf, und nach den bisherigen Prognosen werden keine Wasserstände erwartet, die uns Sorgen machen“, hieß es am Mittwoch. Eine verlässliche Sturmflut-Vorhersage sei allerdings erst 24 Stunden vorher möglich. Der Fokus der Experten liegt bisher auf Freitag. „Auch am Donnerstagabend könnte man aber auf dem Fischmarkt ein bisschen nasse Füße kriegen.“

Senator muss Termin verschieben

Die Wirtschaftsbehörde sieht das offenbar etwas dramatischer. So sollte Frank Horch am Freitag für seine Behörde einen Baum in Alt Erfrade schlagen – eine Ökotanne direkt vom Förster. Doch der Termin wurde abgesagt – wegen „Xaver“.

Die Innenbehörde geht bisher von einem Wasserstand von mindestens fünf Metern – möglicherweise auch 5,10 oder 5,20 Meter – über Normal Null (NN) in Hamburg-St. Pauli aus. „Probleme haben wir erst bei Wasserständen über sieben Metern.“ Die Deiche seien auf 7,30 Meter ausgelegt. Zum Vergleich: Bei der verheerenden Sturmflut in Hamburg 1962 waren die Pegel auf 5,70 Meter über Normal Null gestiegen. „Das würde uns heute auch keine Sorgen mehr machen.“ Nach der Naturkatastrophe seien die Deiche erneuert, erhöht und ausgebaut worden.

Feuerwehr-Sprecher Frese rät aber, Fahrzeuge nicht am Fischmarkt zu parken. Sollte es zu Überschwemmungen kommen, müssten die Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden. Aber auch hier ist vor allem das Informieren besonders wichtig, denn auch die Lage des Hochwassers kann sich jederzeit ändern.

Durch den Sturm wird auch der Schiffsverkehr an der Nordseeküste stark behindern. Nicht nur der angekündigte Wind, sondern auch die damit einhergehende Sturmflut könnten die Schifffahrt auch zum Stillstand bringen, sagte ein Sprecher des Wasser- und Schifffahrtsamts Brunsbüttel am Mittwoch. Auch an den Fähren zu den nordfriesischen Inseln und Halligen im Wattenmeer wird mit Behinderungen und Ausfällen gerechnet – unter anderem kündigte das „Sylt Shuttle“ an, sein Angebot einzuschränken.

Der Fährbetrieb zur Insel Juist wird wegen der Sturmflut- und Orkanwarnung am Donnerstag und Freitag eingestellt. Das teilte die AG Norden-Frisia am Mittwoch mit. Auch die Insel Norderney wird nur noch am Donnerstagmorgen angelaufen, sagte Heiko Knieper von der Geschäftsleitung der Reederei am Mittwoch. „Wenn wir die Orkanböen wie angekündigt kriegen, können wir bei hohen Wasserständen die Leute nicht mehr von Bord holen“, sagte Knieper.

Bauarbeiten auf Hoher See eingestellt

Auf den Baustellen der Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee ist die Arbeit angesichts des heraufziehenden Sturmtiefs „Xaver“ weitgehend eingestellt. „Alle Schiffe aus dem Baufeld haben einen Schutzhafen angelaufen oder sind sowieso turnusgemäß im Hafen“, sagte eine Sprecherin von Globaltech I, einem Windpark 180 Kilometer vor Bremerhaven, am Mittwoch. Die Umspannstation sei für den Sturm vorbereitet und in einen sicheren Zustand gebracht worden; als reine Vorsichtsmaßnahme würden auch die Mitarbeiter ausgeflogen. Die Wettervorhersagen gehen in den nächsten Tagen in der Nordsee von Wellenhöhen bis zu 17 Metern aus.

Auf der Baustelle des Windparks DanTysk 70 Kilometer westlich von Sylt bleibt das Installationsschiff „Pacific Osprey“ mit 65 Mann Besatzung vor Ort. Das Schiff gehört mit 161 Metern Länge zu den größten seiner Art. Es ist mit Installationsarbeiten am Umspannwerk beschäftigt. Das zweite Installationsschiff, die Seafox 5, sei ohnehin gerade im Hafen. Die Schiffe seien grundsätzlich für schlechtes Wetter ausgelegt; so könne die „Pacific Osprey“ noch bis zu einer Wellenhöhe von zweieinhalb Metern und Windgeschwindigkeiten bis zu 20 Metern pro Sekunde die Turbinen auf die Fundamente setzen. Bei noch stärkerem Wind und höherem Wellengang werde die Arbeit ohnehin eingestellt.

Unterdessen laufen die Vorbereitungen bei der Hochbahn in Hamburg an. Am Donnerstag werden alle U-Bahn-Strecken sowie Buslinien verstärkt, wie die Hochbahn am Mittwoch mitteilte. Außerdem soll mehr Servicepersonal eingesetzt werden. Vier „Baumtrupps“ zur Unterstützung der Einsatzkräfte seien abrufbereit, sollten wie beim Orkan „Christian“ im Oktober umgestürzte Bäume den Verkehr behindern. Die Hochbahn will über die aktuelle Situation auf der Schiene im Internet (Facebook) sowie über den Twitterdienst (#xaver) informieren.

Auch die Hamburger Feuerwehr rüstet sich für den Orkan „Xaver“. Die Einsatzzentrale werde verstärkt, und Beamte sollen rund um die Uhr erreichbar sein, kündigte Sprecher Manfred Stahl am Mittwoch an. Insgesamt könnten in der Hansestadt rund 400 Berufsfeuerwehrleute und etwa 2500 freiwillige Feuerwehrleute zum Einsatz gerufen werden. „Wir nehmen die Prognosen der Meteorologen ernst – aber ohne Hektik und ohne Panikmache“, betonte Stahl. Beim Sturm „Christian“ Ende Oktober waren in Spitzenzeiten gut 1000 Einsatzkräfte unterwegs.

Die Hamburger Stadtreinigung ist für den angekündigten ersten Schnee dieses Winters gerüstet. Es werden von Freitag an zwischen vier und zehn Zentimeter Schnee erwartet, teilte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Mittwoch mit. „Wir sind auf den Schnee vorbereitet, jetzt muss Xaver nur noch kommen“, sagte ein Sprecher der Stadtreinigung Hamburg. Die komplette Mannschaft von fast 600 Einsatzkräften stehe bereit; dazu kommen weitere Mitarbeiter in Rufbereitschaft.

Mit Material von dpa