Verwaltung sucht dringend Deponieflächen im Umland, weil es keinen Platz mehr für Baggergut gibt. Erste Tiefgangsbeschränkungen für Schiffe.
Hamburg. Das Boot mit dem schwarzen Rumpf ist nur knapp zwölf Meter lang, flach gebaut und wirkt bis auf eine auffallend hohe Antenne eher unspektakulär, wenn es durch die Hamburger Hafengewässer geschippert wird. Doch Daten, die Ingenieure auf der "Deepenschriewer", dem modernen Peilschiff der Hamburg Port Authority (HPA), derzeit ermitteln, sind alarmierend. Unterhalb der Köhlbrandbrücke lagert sich auf dem Grund der Elbe immer mehr Sand und Schlick ab. Dort müssten gut 600.000 Kubikmeter gebaggert werden - für eine Umlagerungsgenehmigung in die Nordsee lässt sich die zuständige Landesregierung in Kiel aber sehr viel Zeit. Weil man gerade mit der Hansestadt um einen Windenergie-Messestandort streitet.
Schon musste die HPA dort neue Tiefgangsbeschränkungen für große Frachter aussprechen - der Wasserstand ist etwa 40 Zentimeter zu niedrig. Auch an anderen Stellen im Hafen wird es offenbar immer problematischer, Sand und Schlick loszuwerden. Die Schlickdeponie in Francop ist an ihre Grenzen angekommen, nächstes Jahr ist Schluss. "Wir strecken bereits", sagt HPA-Sprecher Alexander Schwertner.
Doch eine Ersatzdeponie ist politisch umstritten. Erst sollte sie nach Billstedt, dann gab es politischen Druck. Ein Gutachten brachte schließlich Moorburg als idealen Standort hervor. Aber auch dort wehren sich Bürger, das Projekt hat sich bereits verzögert. Nun sucht die HPA als Zwischenlösung dringend nach Deponieflächen im Umland, damit der Hafen nicht im Schlick erstickt. Bei Stade schien kürzlich zunächst eine Möglichkeit gefunden - doch auf Druck der örtlichen Politik gab es wieder eine Absage. Der Hafen als Jobmotor der Region ist wohl anerkannt - doch den mit Schadstoffen aus dem Oberlauf (nicht aus dem Hafen) belasteten Schlick will niemand haben.
Aktuell hat die HPA nun ein Erkundungsverfahren nach einer geeigneten Deponie als Zwischenlösung gestartet und fragt mögliche Betreiber in den Nachbarländern ab. Wohin der Schlick soll, ist aber noch nicht absehbar.
Für den Hafen könnte das eine ernste Gefahr bedeuten: Schiffe müssten jetzt schon wegen der Tiefgangsbeschränkung mehr "Just in Time" fahren und haben deutlich engere Zeitfenster als zuvor, sagt Norman Zurke, Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg. Gefragt sei nun eine schnelle Zwischenlösung und eine langfristige Perspektive. "Dieses Thema muss der Senat aktiv angehen", sagt Zurke. Dabei ist das Schlickproblem des Hafens nicht neu, seit Jahrhunderten schon wird der offene Tidehafen "auf Tiefe gehalten", wie es in der Branche heißt. In den vergangenen Jahren holten die Bagger nur innerhalb des Hamburger Stadtgebiets jedes Jahr zwischen vier und fünf Millionen Kubikmeter Sand und Schlick aus den Hafenbecken und Fahrrinnen. Zum Vergleich: Die Außenalster fasst etwa ein Volumen von 3,5 Millionen Kubikmetern.
Diese Sedimente vom Elbgrund werden aus dem Oberlauf herantransportiert und setzen sich im Hafen ab, weil dort die Strömung meist geringer ist. Das Problem: An diesen Schwebeteilchen haben sich Schwermetalle und andere Schadstoffe gebunden, die noch immer aus den alten Industriestandorten im Osten Deutschlands stammen und dort besonders an regenreichen Tagen gelöst werden. "Wir sind hier so etwas wie das Gedächtnis der Elbe", sagt HPA-Sprecher Schwertner.
In früheren Jahrzehnten kümmerte das kaum jemanden, heute gibt es strenge Umweltauflagen: Eine Million Kubikmeter besonders belastetes Material kommt daher jährlich in eine spezielle Reinigungsanlage bei Francop, wird entwässert und dann dort deponiert. Den größeren Teil der Sedimente verklappen Baggerschiffe in der Elbe. Allerdings gibt es auch dazu Auflagen: Eine Umlagerung bei der Elbinsel Neßsand ist nur in den Monaten November bis April möglich, damit die Elbe in den warmen Monaten dort nicht noch ein Sauerstoffproblem bekommt.
Von 2005 bis 2011 gab es dann von Schleswig-Holstein auch die Genehmigung für eine Verklappung bei Helgoland - die bisher nicht verlängert ist. Eine kleine Entspannung ist nun allerdings in Sicht: Vom 7. November an darf die HPA den Schlick aus dem Köhlbrand zunächst wieder bei Neßsand in die Elbe kippen. Eine Lösung auf Dauer ist das aber nicht, räumt HPA-Sprecher Schwertner ein. Denn der starke Flutstrom wirbelt die Sedimente rasch wieder zurück. Eine neue Verschlickung - sie ist nur eine Frage der Zeit.