Opposition spricht von “Wahlbetrug“: Die Hamburger Sozialbehörde und Träger streiten um Höhe der jährlichen Etat-Steigerung.
Hamburg. Die Vorwürfe wiegen schwer: Vertragsbruch und Wahlbetrug. Die Sozialbehörde hat bei einem Treffen mit den Trägern der Kindertagesstätten angeblich vertraglich zugesicherte Steigerungsraten gestrichen. Der Landeselternausschuss (LEA) und die CDU fürchten nun, dass sich die Qualität des Essens in den Einrichtungen verschlechtert und möglicherweise Personal eingespart wird. Die Sozialbehörde entgegnete, dass der Kita-Bereich zwar Priorität habe, auf der anderen Seite aber Verständnis erwarte, dass die Stadt keine weiteren Schulden mehr machen wolle.
In dem Streit zwischen den Kita-Trägern und der Stadt, mit dem sich nun die Schiedsstelle auseinandersetzt, geht es um die Lesart des Landesrahmenvertrags zwischen den Partnern. In dem aktuellen Fünfjahresvertrag von 2008 wurde nicht nur festgeschrieben, wie viel Geld die Stadt den Kitas zahlt.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Höhe der jährlichen Steigerungen der städtischen Zahlungen, um wiederum die Tarifsteigerungen und allgemeine Preiserhöhungen aufzufangen. "Das wurde deshalb festgelegt, damit die Preissteigerungen nicht zulasten der Erziehung gehen und die Erzieher nach Tarif bezahlt werden", sagt Claudia Wackendorff, Sprecherin von LEA.
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Genau an der Höhe dieser Steigerung des Budgets ist der Streit entbrannt. Die Träger bestehen auf einem Plus von 2,1 Prozent in diesem Jahr. Die Stadt wiederum sieht in dem Vertrag durchaus einen Interpretationsspielraum und will nicht mehr als 0,88 Prozent bewilligen.
Bei den Verhandlungen im August habe die Sozialbehörde mehrere Vorschläge gemacht, wie die Träger die Differenz ausgleichen könnten. Einer davon lautete, dass sie die Ausgaben für das Essen pro Kind und Tag von 4,50 Euro auf 3,50 Euro absenken könnten.
"Aber mit 3,50 Euro kann keine Kita mehr selber kochen. Dann wären die Kinder auf Catering angewiesen", sagt Wackendorff. Dies hätte eine Verschlechterung der Qualität zur Folge. "Geliefertes Essen ist eben nicht so gut wie frisch gekochtes", so die LEA-Sprecherin. Zudem sei das Kochen in vielen Kitas Teil des pädagogischen Konzepts. "Kinder sollen lernen, dass Essen nicht nur Nahrungsaufnahme bedeutet."
Für Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, ist der Fall klar. "Die SPD hat den Eltern einen Euro für das Kita-Essen erlassen und zieht ihn nun den Kitas aus der Tasche. Und das zulasten der Qualität." Die Pläne der SPD seien in doppelter Hinsicht Wahlbetrug: Es sei im Wahlkampf nie darauf hingewiesen worden, dass die Abschaffung des Essensgeldes sich auf die Qualität der Mahlzeiten auswirken würde. Zum anderen breche der Senat bestehende Verträge. "Das ist ein Unding und untergräbt die Verlässlichkeit der Stadt als Verhandlungspartner." Mit diesem Vorgehen könnten sich die SPD-Wähler nur betrogen fühlen. De Vries mutmaßt, dass die Sozialdemokraten unter diesen Voraussetzungen niemals die Unterstützung für die aus seiner Sicht "kostspieligen Versprechungen im Kita-Bereich" bekommen hätten.
Oliver Kleßmann, Sprecher der Sozialbehörde, beteuert, dass die Kitas "Prioritätsbereich" der Stadt seien. "Wir haben hier viele Millionen Euro zusätzlich investiert. Hiervon profitieren insbesondere die Kita-Träger." Gleichzeitig erwarte die Stadt aber auch von den Trägern, dass sie "anerkennen, dass die Stadt Hamburg keine Schulden mehr machen will". Denn dies wäre ein Verschieben der Lasten auf nachfolgende Generationen. Der Grund für das Angebot von einer Steigerung in Höhe von 0,88 Prozent hängt mit der gesetzlichen Verpflichtung zusammen, von 2020 an keine Schulden mehr zu machen. Dies kann nach Berechnungen der Finanzbehörde nur gelingen, wenn die jährlichen Ausgaben nicht um mehr als 0,88 Prozent steigen. Laut Kleßmann habe die Sozialbehörde in den Verhandlungen mehrere Angebote gemacht. Allerdings hätten die Träger alle davon abgelehnt.
LEA-Sprecherin Claudia Wackendorff befürchtet, dass die Sparpläne der Stadt auch zulasten des Personals gehen könnten. Es gebe die Überlegung, die Kosten für Erzieher zu kürzen, mit der Begründung, dass mittlerweile viel jüngeres und damit günstigeres Personal beschäftigt sei. "Wenn das so kommt, dann werden am Ende die Gruppen größer. Und dann nimmt nicht nur die Qualität des Essens, sondern die Qualität der Erziehung insgesamt ab."