Eltern haben ab dem 1. August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz - doch der Ausbau kommt schleppend voran und Erzieher fehlen.
Berlin. Den 1. August 2013 sollte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) in ihrem Kalender rot einkreisen - wenn sie es nicht längst schon getan hat. Denn vom 1. August 2013 an soll in Deutschland jedes Kind unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Kindergarten haben. Das ist nicht nur ein ambitioniertes Großprojekt, der Stichtag liegt zudem nur wenige Wochen vor der nächsten regulären Bundestagswahl. Es ist also nicht nur für das Renommee der Ministerin wichtig, das gesteckte Ziel zu erreichen, sondern auch für CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese will am liebsten noch weitere vier Jahre regieren. Ein Scheitern des Projekts Kita-Ausbau wäre ein politischer Super-GAU zum wohl schlechtesten aller Zeitpunkte.
Doch der Ausbau kommt nur schleppend voran . 750.000 Kita-Plätze müssen geschaffen werden, um den Rechtsanspruch zu erfüllen, wie Bund, Länder und Kommunen beim gemeinsamen "Krippen-Gipfel" im Jahr 2007 vereinbart haben. Das entspräche einer Betreuungsquote von 35 Prozent. Nach aktuellen Statusberichten aus den Ländern gab es Ende 2011 rund 607 000 Plätze. Damit fehlen noch 143 000 Kitaplätze bis zum Stichtag im nächsten Jahr. "Die Familienministerin muss endlich handeln und nicht kleckern, sondern klotzen", fordert die SPD-Vizevorsitzende und Sozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig. "Eine Kita zu bauen und gutes, qualifiziertes Personal zu finden geht nicht von heute auf morgen", sagte sie dem Hamburger Abendblatt.
CSU macht Druck beim Betreuungsgeld
"Die Anstrengungen müssen ab jetzt massiv verstärkt werden - sonst wird die Kitaplatz-Garantie ab 2013 scheitern", befürchtet Schwesig. "Dass die Eltern dann vor Gericht einen Platz einklagen können, hilft ihnen nicht viel weiter, wenn es einfach keine Plätze gibt." Am morgigen Mittwoch will Schröder einen Zehn-Punkte-Plan vorlegen, um den stockenden Ausbau voranzutreiben. Angedacht sind etwa Subventionen für Betriebskindergärten im Westen, Umschulungshilfen und Weiterbildung für Erzieherinnen und Tagesmütter und auch eine befristete Absenkung von Baustandards für zukünftige Kindergärten.
Ein Problem ist aber auch das Geld: Zwölf Milliarden Euro kostet der Ausbau bis 2013 insgesamt. Bund, Länder und Kommunen teilen sich die Kosten mit je vier Milliarden Euro. Doch gerade die Kommunen machen seit Monaten deutlich, dass es trotzdem hinten und vorne nicht reicht. Hinzu kommt, dass in Ballungsräumen wie München, Frankfurt am Main oder Stuttgart nach Angaben des Deutschen Städtetages für das Jahr 2013 ein Bedarf von mindestens 50 Prozent erwartet wird - also 15 Prozentpunkte mehr als 2007 vereinbart. Auch in Hamburg wird der Bedarf höher eingeschätzt. Bereits Ende 2011 wurden 38,1 Prozent der Kleinkinder unter drei Jahren in einer Kita betreut. Nur die Hansestadt und Bayern haben bislang auch wirklich alle aus Berlin zur Verfügung gestellten Mittel angefordert - insgesamt sind 13 Prozent der Bundesgelder für den Kita-Ausbau noch nicht verplant.
Schwesig sagte mit Blick auf Schröders zu erwartenden Aktionsplan, man brauche "keine mageren Ankündigungen der Bundesfamilienministerin", sondern einen neuen Krippengipfel. "Bund, Länder und Kommunen müssen sich fünf Jahre nach dem ersten Gipfel noch mal zusammensetzen und die Strategie des Kita-Ausbaus den aktuellen Gegebenheiten anpassen", forderte sie. Zu gering fällt aus Sicht der SPD auch die Finanzierung der Kitas nach 2013 aus. Denn die neuen Kindergärten müssen ja nicht nur gebaut, sondern danach auch langfristig unterhalten werden. Für die chronisch klammen Kommunen ist das eine Mammutaufgabe, die sie ohne finanzielle Hilfe aus dem Bund kaum bewältigen können. "Frau Schröder löst nicht das Versprechen ein, dass sich der Bund mit mindestens einem Drittel an den Kosten beteiligt", beklagt Schwesig. Für den laufenden Betrieb stellt das Familienministerium ab 2014 jährlich 770 Millionen Euro zur Verfügung - nur 20 Prozent der anfallenden Kosten, wie die SPD-Vizechefin bemängelt. "Doch die Kommunen brauchen Planungssicherheit, wie sie die Kitas und Krippen auch langfristig finanzieren können. Die Familienministerin lässt sie im Regen stehen."
Ein weiteres Problem sind auch fehlende Erzieher, Um die angestrebte Betreuungsquote noch erreichen zu können, hat der Städte- und Gemeindebund vorgeschlagen, künftig in Kitas auch Hilfskräfte anzustellen, wie die Zeitungen der WAZ-Gruppe am Wochenende berichteten. Verbandspräsident Roland Schäfer (SPD) schlägt demnach vor, "vorübergehend auch Hilfskräfte im Sozialen Jahr oder aus dem Bundesfreiwilligendienst zu beschäftigen". Ungelerntes Personal also für frühkindliche Bildung? "Für eine Übergangszeit wird man punktuell mit Provisorien leben können", sagte Thomas Krüger, Präsident des Kinderhilfswerks. Der Einsatz von Hilfskräften dürfe aber nicht "Einstieg in eine Verschlechterung der Standards" sein. "Für ein Jahr ist das machbar, aber es kann nicht sein, dass ein ganzer Kita-Jahrgang mit Provisorien groß wird."