Man kann auch schlechter reisen. “Damit man sich solche Flüge leisten kann, muss man normalerweise reicher Unternehmer oder Bundeskanzler sein“ ... Exklusiv: Das Online-Reise-Tagebuch

Bogota, Kolumbien. Man kann auch schlechter reisen. "Damit man sich solche Flüge leisten kann, muss man normalerweise reicher Unternehmer oder Bundeskanzler sein", befand Ole von Beust (CDU) auf dem Flug über den Atlantik, zuckte die Achseln, lehnte sich mit dem Krimi in der Hand zurück in den Sessel des VIP-Salons im Airbus 310 "Theodor Heuss" und lächelte schelmisch.

Ausnahmsweise darf in diesen Tagen auch Hamburgs Bürgermeister, dem Schnickschnack in Wahrheit herzlich egal ist, den Luftwaffen-Flieger benutzen, mit dem sonst nur Außenminister und Bundespräsidenten die Welt bereisen. Der Grund: Ole von Beust besucht als (bis Ende des Monats noch amtierender) Bundesratspräsident Kolumbien und Mexiko - um die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen nach Lateinamerika auszubauen.

Also kommt er auch in den Genuss der präsidialen Suite mit zwei Betten nebst Exklusiv-Toilette und Duschkabine im vorderen Teil der 20 Jahre alten Maschine, die bis 1989 noch für die DDR-Interflug unterwegs war. Und er kann während der fast 15-stündigen Reise bis in die kolumbianische Hauptstadt Bogota in seinen Krimi vertieft (Jo Nesbø: "Die Kakerlaken") weitgehend ungestört in dem kleinen VIP-Salon verbringen.

Das Programm der Reise im Auftrage der Bundesrepublik ist allerdings auch sehr dicht, da kann man es sich als "Presidente" des Bundesrates nicht leisten, übermüdet anzukommen.

Nach einem 90-minütigen Zwischenstopp in der Dominikanischen Republik (blauer Himmel, 35 Grad, das karibische Meer in Sichtweite), wo die Maschine aufgetankt wurde, landeten Beust und seine fast 40-köpfige Delegation aus Politikern, Wirtschaftsvertretern und Journalisten schließlich gegen Mitternacht deutscher Zeit im 2600 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Bogota.

Empfangen wurden sie von Nieselregen (17 Grad) und dem gut gelaunten deutschen Botschafter Jürgen Christian Mertens. Mit Motorradstandarte und in gepanzertem Jeep geleitet man "El Presidente del Consejo Federal de Alemania" durch die Sieben-Millionen-Metropole ins Hotel.

Sicher ist sicher - schließlich gilt Kolumbien trotz des Rückgangs der Kriminalität und den jüngsten Erfolgen im Kampf gegen die Farc-Guerilla noch immer als eines der gefährlichsten Länder der Welt.

Am Montagmorgen dann stand der erste offizielle Termin auf der Tagesordnung: Von Beust traf den Präsidenten des kolumbianischen Senats, Hernan Andrade Serrano. In seiner Funktion als Bundesratspräsident unterstrich von Beust bei dem Gespräch den Wunsch der Europäer nach einem Freihandelsabkommen mit Kolumbien, das sich gerade anschickt, einen solchen Vertrag mit den USA zu schließen.

Beust lobte die jüngsten Fortschritte, die es in Kolumbien bei der Bekämpfung der Farc-Guerilla und der Kriminalität gegeben habe. Deutschland und Europa dürften sich nicht fast ausschließlich gen Asien orientieren - sondern müssten auch Lateinamerika im Blick haben, so von Beust. Dass in diesem Punkt ein Umdenken stattfinde, habe auch der jüngste Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Region gezeigt.

Vor allem in den Bereichen Energie, Verkehrsinfrastruktur und Hafen gebe es großes Potenzial für eine Zusammenarbeit - auch mit Hamburg, so von Beust. Damit kolumbianische Produkte in Europa akzeptiert würden, sei es aber wichtig, dass gewisse soziale Standards eingeführt würden, sprich: Die Produkte dürften nicht unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt werden.

Handelskammer-Präses Frank Horch lud Vertreter Kolumbiens zu einem Wirtschaftstag zum Thema regenerative Energien nach Hamburg ein. Senatspräsident Andrade dankte, warb um Investitionen und Vertrauen in sein Land, schenkte von Beust einen Bildband - und der revanchierte sich mit einem Montblanc-Füller.

Möglicherweise, so war im Kongress zu vernehmen, könnte dies allerdings bereits der letzte offizielle Termin Andrades gewesen sein. Gegen ihn und andere wird wegen möglicher Verbindungen zu den Paramilitärs und finanzieller Unregelmäßigkeiten ermittelt.

Am heutigen Dienstag steht das Treffen mit dem kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe auf der Tagesordnung. Uribe hatte zuletzt weltweit für Schlagzeilen gesorgt, als seine Militärs die jahrelang im Dschungel von der Farc-Guerilla gefangen gehaltene Grünen-Politikerin Ingrid Betancourt befreiten. Am Nachmittag reist die Delegation weiter nach Mexiko.


Das Online-Reise-Tagebuch: Abendblatt-Reporter Jens Meyer-Wellmann schreibt täglich zusätzlich zu seinen Berichten im Hamburger Abendblatt ein Online-Tagebuch mit weiteren Bildern sowie kurzen Videofilmen unter www.abendblatt.de/beustreise