Ermittler stellen Dutzende Kartons mit Akten und anderen Beweismitteln sicher. Es geht um dubiose Immobiliengeschäfte des Hamburger Tierschutzvereins.

Es ist eine ruhige Seitenstraße in Tonndorf. Schmucke Einfamilienhäuser mit gepflegten Vorgärten stehen hier neben kleinen Wohnanlagen. In einer solchen ist die Eigentumswohnung von Wolfgang Poggendorf. Kein Mensch ist jetzt, kurz vor 9 Uhr, auf der Straße, nur ein Gärtner mäht den Rasen. Um 8.58 Uhr fährt ein Polizeiwagen vor, zwei Zivilautos folgen. Mehrere Mitarbeiter von Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft steigen aus und klingeln bei Wolfgang Poggendorf. Seine Frau öffnet den Beamten, die ihr den schriftlichen Durchsuchungsbeschluss zeigen und die Wohnung im Parterre betreten. Zwei Polizeibeamte sichern sogar die Tiefgaragenausfahrt. Selbst Poggendorfs Nachbarn, die aus der Tiefgarage fahren, werden kontrolliert.

Der Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins (HTV), Wolfgang Poggendorf, ist zu diesem Zeitpunkt in seinem Büro im Tierheim an der Süderstraße. Seit fünf Minuten weiß er, dass sich die Staatsanwaltschaft, die seit Wochen gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue ermittelt, zum großen Schlag entschlossen hat. Um 8.53 Uhr treffen 20 Bereitschaftspolizisten und zehn Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) ein. Sie wollen Beweismaterial sichern. Dutzende Kartons voller Akten werden sie später in einen eigens georderten 7,5-Tonner schaffen.

Die Aktion hat eine Dimension, die man sonst nur von Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität kennt. Rund 150 Beamte sind zeitgleich bei der Durchsuchung von insgesamt neun Objekten im Einsatz. Denn längst geht es nicht mehr nur um Poggendorf allein. Auch gegen seine Stellvertreterin Kirsten Weckel und Schatzmeister Manfred Elsen wird ermittelt. Sie alle stehen im Verdacht, Immobilien des HTV weit unter Wert verkauft und so dem Verein geschadet zu haben. Ihre Privatwohnungen werden ebenso durchsucht wie das Büro und die Wohnung der Maklerin Katja F. - sie hatte mehrere umstrittene Wertgutachten bei Grundstücksgeschäften für den HTV erstellt. Dazu gehören die Wohnung in Westerland, die Poggendorf selbst gekauft hatte, sowie der "Gnadenhof" in Ellerhoop und der "Fichtenhof" in Hornbek - auch hier erscheinen am Morgen Polizeibeamte.

Poggendorf selbst sitzt, äußerlich gefasst, in seinem Büro im Tierheim und spricht mit den Beamten. Als er die Vertreter der Presse vor seinem Fenster bemerkt, zieht er mit einem Ruck die Gardine zu. Dann ruft er seinen Anwalt an, der um 9.19 Uhr eintrifft. Hartmut Reclam will sich zu der Durchsuchung nicht äußern. Er sagt nur: "Mich überrascht es nicht."

Mehrere Bereitschaftspolizisten sichern die drei Eingänge des Tierheims. Die Besucher müssen sich ausweisen, bevor sie hereindürfen. Auch das ältere Ehepaar, das einen verletzten Mauersegler abgeben möchte.

Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger erläutert indes die Gründe für die Durchsuchungsaktion und belegt den Verdacht auf Untreue mit Fakten. Für die Wohnung auf Sylt, die Poggendorf für 111 000 Euro vom HTV gekauft hat, hat seine Behörde ein eigenes Wertgutachten erstellen lassen. "Nach unseren Erkenntnissen hat das Apartment einen Wert von 192 000 bis 265 000 Euro." Laut NDR-"Hamburg-Journal" wollte Poggendorf sich sogar die Renovierung für 15 000 Euro vom HTV bezahlen lassen.

Im Falle des Gnadenhofes in Ellerhoop sind dem HTV laut Staatsanwaltschaft sogar mindestens rund 300 000 Euro entgangen. Der Hof war im April 2003 an Dirk Z. verkauft worden. Der HTV hatte den Hof 1986 für 1,7 Millionen Mark gekauft, später noch ein Flurstück für 123 000 Mark. Anschließend wurde der Hof aufwendig hergerichtet. Laut Bagger wurden Investitionen "in Millionenhöhe" getätigt. Doch selbst ungeachtet der Sanierungskosten sei das Haus zum Verkaufszeitpunkt mindestens 300 000 Euro mehr wert gewesen als jene 610 000 Euro, zu denen es verkauft wurde. Ähnliches gilt für den Fichtenhof in Hornbek, der mit seinen zwei Holzhäusern, Stallungen und 10 000 Quadratmetern Fläche für nur 17 000 Euro an einen HTV-Mitarbeiter verkauft wurde. Erstaunlich auch: die niedrigen Ratenzahlungen, die dem Käufer eingeräumt wurden.

Mittlerweile ist es 10.30 Uhr, als Wolfgang Poggendorf in seinem silbernen Mercedes durch den Hinterausgang wegfährt. Der 70-Jährige will nach Hause, wo noch immer Polizisten seine Wohnung durchsuchen. Gegen 13 Uhr verlässt der letzte Wagen der Polizei die dortige Tiefgarage.

Die Ermittler im Tierheim suchen noch nach Beweismaterial. Erst um 15 Uhr tragen sie die Kartons mit Unterlagen hinaus.

Deutlich weniger Zeit brauchen die Ermittler in Eimsbüttel. In einer ruhigen Seitenstraße liegt die Wohnung der zweiten Vorsitzenden Kirsten Weckel. Um 8.55 Uhr stehen drei Polizeibeamte in Zivil vor ihrer Haustür. Die beiden Männer und die Frau werden auf ihr Klingeln eingelassen, gehen in dem rot geklinkerten Mehrfamilienhaus in den zweiten Stock, rechts und betreten die Wohnung der Mediengestalterin.

Bernd Hagemann, Ehemann von Kirsten Weckel, verlässt um 9.25 Uhr die Wohnung. Er geht humpelnd, mithilfe einer Krücke, da er vor zwei Tagen am Fuß operiert worden ist, zur Kontrolle zum Arzt. Bei seiner Rückkehr eine gute Stunde später macht er sich Luft. "Ich habe so einen Hals", sagt der Busfahrer. "Nicht wegen der Durchsuchung, das finde ich richtig. Sondern auf den Tierschutzverein. Die hätten gleich ihre Bücher aufmachen sollen!" Seine Frau leide ziemlich unter der ganzen Angelegenheit. Durch ihre Unwissenheit sei sie mitgefangen, und er hoffe nur, dass nach der Durchsuchung "nun endlich Ruhe" sei.

Kurz vor 11 Uhr holt Kirsten Weckel mit der Beamtin die Post aus dem Briefkasten. Eine halbe Stunde später ist die Durchsuchung beendet. Die Beamten tragen zwei Umzugskartons raus, dazu mehrere Karteikästen. In einem der Kartons ist ein älterer Computer.

Ähnlich unspektakulär verläuft die Durchsuchung im Haus des HTV-Schatzmeisters Manfred Elsen (79) in Börnsen. Um 10.15 Uhr, eineinviertel Stunden nach Eintreffen der Polizei, geleitet der grauhaarige Gastgeber wider Willen seinen Besuch vom Grundstück. Er trägt Latzhose, Karohemd und eine rote Weste, winkt den Damen und Herren von Polizei und Statsanwaltschaft zum Abschied. Die haben offenbar nur wenig - oder gar kein - belastendes Material entdeckt. Anders als an anderen Durchsuchungsorten tragen sie hier jedenfalls keine Kisten zu ihren Autos. Die Tür des gealterten Einfamilienhauses fällt zu, die Autos der Ermittler brausen davon. Sie haben dafür gesorgt, dass der 2. August 2007 ein denkwürdiger Tag für den Hamburger Tierschutzverein bleiben wird.