Steuerzahlerbund und Rechnungshof legen Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung vor. Senator will Ausgaben um zehn Prozent kürzen.
Hamburg will das größte Sparpaket seiner Geschichte schnüren. Und jeder fragt sich: Was kommt hinein? Das weiß offenbar selbst der Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) noch nicht, der am Donnerstag verkündet hatte, dass die laufenden Ausgaben um zehn Prozent gekürzt werden müssen - um dann für Detailauskünfte auf später zu vertrösten. Aber andere wissen, wie Sparen geht. Der Steuerzahlerbund und der Rechnungshof haben sich mit dem Thema befasst, und die Junge Union will in der kommenden Woche einen eigenen Sparplan vorlegen. Eine erste Ideen-Bilanz der JU ergibt: Personalkosten müssen gesenkt werden, Straßenausbaubeiträge erhoben, Steuern konsequenter eingetrieben, mehr Knöllchen geschrieben und die Kulturbehörde als eigenständige Behörde aufgelöst werden - um nur einige Vorschläge zu nennen.
Beim Steuerzahlerbund haben die jetzt verkündeten "gigantischen Haushaltsprobleme" (Bürgermeister Ole von Beust) keine Überraschung ausgelöst. "Dass es seit Jahren ein Finanzierungsdefizit gibt, das mit Schulden und Vermögensveräußerungen ausgeglichen wird, hat bislang nur der frühere Finanzsenator Michael Freytag ignoriert", heißt es in einer Pressemitteilung des Bundes.
So entstehen die Sparbeschlüsse
Dessen Sprecher Marcel Schweitzer verweist in diesem Zusammenhang auf Sparvorschläge, die seine Organisation schon im April vergangenen Jahres vorgelegt hat. "Wenn der Senat im Betriebshaushalt sparen will, dann muss er Personal sparen", sagt er. Dieser Gedanke ist schon allein deshalb zwingend, weil Hamburg gut ein Viertel seiner laufenden Ausgaben ins Personal steckt. Rund 70 000 Menschen arbeiten derzeit für die Stadt. Wer es genauer wissen will, muss auf den Personalbericht 2009 zurückgreifen, der die Zahlen für 2008 enthält. Aktuellere Daten gibt es nicht. Demnach unterhielt die Stadt Hamburg Ende 2008 insgesamt 70 484 Beschäftigungsverhältnisse, für die Geld gezahlt wurde. Die Tendenz ist steigend. Gegenüber 2007 gab es eine Zunahme von 1189 Beschäftigungsverhältnissen (plus 1,7 Prozent). Rund 5,3 Milliarden Euro gibt Hamburg Jahr für Jahr für sein Personal aus.
Bei Rudolf Klüver, dem Vorsitzenden des Dachverbands dbb, in dem 23 Gewerkschaften und Verbände des öffentlichen Dienstes zusammengeschlossen sind, wachsen derzeit die Sorgen. "Man wird nicht herumkommen, auch beim Personal zu kürzen", befürchtet er. Klüver will das natürlich verhindern. "Wir warnen vor einem weiteren Aderlass gerade im bürgernahen Verwaltungsbereich", sagt er. "Der Senat hat immer wieder gerade diese Arbeit gelobt. Die Bezirke haben extra Kundenzentren errichtet. Will man die Beschäftigten und die Bürger jetzt veräppeln?"
Was der Steuerzahlerbund vorschlägt, bestätigt allerdings exakt Klüvers Befürchtungen. Empfohlen wird unter anderem, die Mindestrente der Beamten zu reduzieren, das Pensionsalter anzuheben, Frühpensionierungen möglichst zu unterbinden und die Lehrerbesoldung zu reduzieren.
Auch die Arbeitszeit soll erhöht werden. Beamte sollen statt 40 nun 42 Wochenstunden arbeiten, Tarifangestellte 41 statt 39. Rein rechnerisch ergebe sich eine Einsparung von 2663 Vollzeitstellen oder rund 105 Millionen Euro, sagt der Steuerzahlerbund.
Als Sofortmaßnahme schlägt der Steuerzahlerbund vor, frei werdende Stellen nicht zu besetzen. Mit anderen Worten: Die Stadt muss ein Einstellungsstopp verhängen. Bei einer jährlichen Fluktuationsrate beim Personal von rund zehn Prozent wären damit relativ schnell Ergebnisse zu erzielen.
Um Personaleinsparungen geht es auch bei den Vorschlägen der Jungen Union. Sie will die Bezirksverwaltungen vereinheitlichen, um Abteilungen bezirksübergreifend zusammenlegen zu können. Unnötig, so die JU, sei eine eigenständige Kulturbehörde. Gespart werden könne auch bei den Zuwendungen an Dritte. Im Jahr 2008 waren das 861,4 Millionen Euro. Knapp die Hälfte davon ging an das Universitätsklinikum Eppendorf, an die Hamburg Port Authority, die Staatsoper, die Bücherhallen und das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy). Die Einführung der Stadtbahn müsse auf den Prüfstand gestellt werden.
Der Landesrechnungshof ist gewissermaßen die Mutter aller Sparideen. Die 141 Mitarbeiter starke Behörde hat die Aufgabe, für Effizienz in der Verwaltung zu sorgen. In ihrem aktuellen Ergebnisbericht macht sie Vorschläge, die zu mehr Einnahmen und geringeren Ausgaben führen würden. Der Landesrechnungshof bemängelt unter anderem, dass in der Steuerverwaltung "das Potenzial zur Einnahmengewinnung bei Weitem nicht ausgeschöpft wird". Unter anderem gebe es "erhebliche Mängel bei der Besteuerung von konzerninternen Gewinnausschüttungen". Außerdem sollten Erschließungsbeiträge für neue Straßen konsequenter erhoben werden. Sie müssen von den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke gezahlt werden. Laut Rechnungshof stehen Beiträge in dreistelliger Millionenhöhe aus.
Auch mit der intensiven Kontrolle der geparkten Autos lässt sich laut Rechnungshof viel Geld verdienen: rund 42,8 Millionen Euro im Jahr. Derzeit werden aber nur rund neun Millionen Euro eingenommen.
Die Sparmöglichkeiten sind also da. Man muss nur wollen. Wie schwer das ist, zeigte sich am Donnerstag in der Altonaer Bezirksversammlung. Da lehnten die Politiker den Vorschlag ab, zur Kostenersparnis das Kundenzentrum Blankenese zu schließen. Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose daraufhin: "Wenn der Senat am 16. Juni die nächste Sparrunde einläutet, dann werden wir glücklich sein, wenn wir nur ein einziges Kundenzentrum schließen müssen."