Meine Absicht war ehrenhaft. Mein Herz rein. Meine Steuern noch ungezahlt. Deshalb zwei Anrufe beim Finanzamt. Eins hatten sie gemein: die...
Meine Absicht war ehrenhaft. Mein Herz rein. Meine Steuern noch ungezahlt. Deshalb zwei Anrufe beim Finanzamt. Eins hatten sie gemein: die Warteschleife. Eine Klaviersonate ertönt. Hübsch. Nach vier Minuten bekomme ich die Zentrale ans Ohr. "Steuernummer?", die vertrauenerweckende Einstiegsfrage. "Ähm, gerade nicht zur Hand, leider." "Gut, dann machen wir's mit Namen und Geburtsdatum?" Ich werde mit dem zuständigen Finanzamt verbunden. Ich stelle die Frage, auf die ich Lob, wenn nicht einen Präsentkorb erhoffe: "Seit Jahresbeginn arbeite ich nun freiberuflich als Journalistin und würde gern meine Steuern zahlen, allerdings vierteljährlich, sozusagen schneller als alle anderen. Wie mache ich das jetzt?" "Formulare schon ausgefüllt?", fragt eine weibliche Stimme. Welche bloß? Ich wollte die hier beim Finanzamt bekommen. "Geht so nicht", die Antwort am Telefon. Stille. "Gut, wie dann?" "Formlosen Antrag stellen."
Aha.
Ich bin mir mittlerweile sicher, dass die Dame am anderen Ende der Leitung gerade frisch vom Zahnarzt kommen muss, Kiefer noch vollkommen betäubt. Oder sie spricht einfach nicht gern. Kann auch sein. Vollständige Sätze kriege ich jedenfalls nicht mehr zu hören. "Okay, ich verstehe, oder besser gesagt, eigentlich ist mir das überhaupt nicht klar, was ich jetzt tun soll, kann ich nicht einfach bei Ihnen vorbeikommen, und wir sprechen persönlich darüber?" Gut verständlich die Antwort: "Nein." Atmen in der Leitung. "Aber warum nicht, Sie haben doch auf Ihrer Homepage Informationszeiten angegeben, in welchem man zum Finanzamt kommen kann." "Wir beraten nicht." Gut. "Mit welchem Anliegen darf ich denn dann vorbeikommen? "Beim Abgeben der Steuererklärung." Pause. "Aha. Dann danke ich Ihnen für die Auskünfte." Tut-tut-tut. Bin nicht schlauer, dafür aber fassungslos.
Aufschlussreicher sollte mein zweiter Anruf am nächsten Tag sein. Zuerst klang alles wohlvertraut. Klaviermusik, die Ansagestimme mit den immerhin vollständigen Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätzen à la "Leider sind noch immer alle Vermittlungsplätze besetzt, bitte haben Sie noch etwas Geduld." Na klar, die habe ich. Und Nerven zu diesem Zeitpunkt auch noch, hinterher liegen sie blank. Die Dame, die mich dann begrüßt, ist keineswegs mundfaul und überaus gut informiert. "Weisen Sie Umsatzsteuer auf Ihren Rechnungen aus?", eine der Anfangsfragen. "Ja, klar", sage ich stolz, "seit Beginn des Jahres." Statt Lob ernste Worte: "Das müssen Sie uns melden, die Umsatzsteuer ist immer zum 10. des Folgemonats zu zahlen, das haben Sie bisher nicht gemacht, ich trage das jetzt bei Ihnen ein." Mir wird heiß. "Oh." "Ja, Sie sind Kleinunternehmer, haben eine laufende Buchführung und müssen das voranmelden." Langsam bekomme ich Angst. "Aber das wusste ich nicht", meine zaghafte Antwort. "Es ist Ihre Pflicht, sich frühzeitig zu informieren, wir machen hier keine Beratung, da hätten Sie einen Steuerberater aufsuchen müssen. Sie müssen die Umsatzsteuervoranmeldung schnellstens beantragen", sagt die Dame in einem Tempo, dass ich kaum mit dem Kuli mitkomme. "Stopp, halt, wo mache ich denn das?" Ich weiß ja, Beratung vor Ort ist nicht. "Sie können sich das Formular bei www.elster.de runterladen, vorher müssen Sie aber noch eine Kennung beantragen, sonst geht das nicht." Kennung, okay. Fühle mich mittlerweile wie der naivste Dummkopf auf Erden. Worte jagen durch mein Hirn: verpflichtet, Umsatzsteuervoranmeldung, Steuerberater, abführen, Paragraf 18. Dann noch ein präzise-belehrender Satz zur Einkommenssteuer, dem angehobenen Freibetrag, der Verrechnung von Betriebsausgaben. Ich lege auf. Zitternd. Die Frau war echt gut. Meine ich ernst. Ziemlich viele fundierte Informationen. Mir ist so heiß, erst mal das Bürofenster aufmachen, Wasser trinken. Mich wie Zumwinkels Schwester fühlen, die Schuldfrage klären. Ergebnis: selbst schuld. Sagte übrigens auch mein Vater, dem ich abends voll Selbstmitleid erzählte, wie ich meinen Bürgerpflichten vorzeitig nachkommen wollte. Danach zwei Stunden bei elster.de. Das "neue Dienstleistungsportal der Finanzverwaltung" raubt auch mir den Nerv, ich denke ans Auswandern. Morgen früh habe ich einen Termin. Bei meinem neuen Steuerberater.
Nord Die Noten
Anbindung 2
Behindertengerecht 4
Kundenführung 5
Wartezeit 3
Parkplätze 4
Kinderfreundlichkeit 4
Ambiente 2