Gullydeckel schwammen weg, Autos blieben stecken, die U-Bahn fiel aus. Das Unwetter hat in Hamburg Chaos angerichtet. Die Süd-Seite des Hauptbahnhofs wurde gesperrt.

Hamburg/Offenbach. Der Himmel ist wieder blau, doch das Chaos dauert an. Im gesamten Stadtgebiet stehen Straßen teilweise knietief unter Wasser. Viele Autos sind beschädigt und können nicht weiterfahren. Die Feuerwehr ist mit 1000 Leuten immer noch im Dauereinsatz, auch das Technische Hilfswerk hilt mit. Die Kräfte wurden innerhalb von sechs Stunden insgesamt zu rund 1.200 wetterbedingten Einsätzen gerufen. Neue Einsätze konnten die Retter kaum noch annehmen, weil zahlreiche Keller, Wohnungen und Bürogebäude voll Wasser gelaufen sind. „Die gesamte Stadt ist betroffen“, sagte ein Feuerwehrsprecher. „Wir haben Ausnahmezustand.“

Noch am späten Montagabend fuhr die U-2 an den Haltestellen Jungfernstieg und Gänsemarkt nicht. Ein Ersatzverkehr mit Bussen wurde eingerichtet. Stadtauswärts konnten Fahrgäste erst wieder an den Messehallen einsteigen. Gegen 22.30 Uhr lief der Verkehr wieder wie gewohnt.

Das Unwetter beeinträchtigte auch den S-Bahn-Verkehr. Zwischen den Stationen Ohlsdorf und Poppenbüttel wurde die Strecke zeitweise komplett gesperrt, weil Bäume auf die Gleise gestürzt waren. Die Räumung dauerte zweieinhalb Stunden.

Am Hamburger Flughafen gab es kurzzeitig keine Starts und Landungen, eine S-Bahn-Linie war stundenlang lahmgelegt. Im Hauptbahnhof wurde ein Gleis gesperrt, weil Wasser auf die Oberleitungen geflossen war. Die gesamte Süd-Seite des Bahnhofs ist aufgrund der Wassermassen gesperrt. Fahrgäste, die mit dem Zug ankommen, müssen an der Nordseite des Bahnhofs aus dem Gebäude, doch auch dort steht das Wasser in den Gängen mehrere Zentimeter hoch. Die Feuerwehr ist vor Ort und pumpt das Wasser ab. Wie lange das dauern wird, ist nach Angaben eines Bahn-Mitarbeiters allerdings unklar.

Polizei und Feuerwehr mussten auch die Europa-Passage räumen. Das Wasser brach dort gleich auf mehreren Ebenen ein, großflächig stürzten Zwischendecken ein. Das Gebäude wurde teilweise geräumt.. Ein Passant wurde leicht am Handgelenk verletzt.

Ein anderer Hamburger kam schwer verletzt ins Krankenhaus, nachdem in seiner Nähe ein Blitz eingeschlagen hatte. „Er saß im Büro im siebten Stock hinter einem Fenster und hat elektromagnetische Impulse abbekommen“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr.

In der Straße Brodschrangen lief eine Tiefgarage voll Wasser. Zunächst hieß es, mehrere Personen seien im vierten Untergeschoss eingeschlossen. Sie konnten sich aber selbst befreien. Auch die Garage des Hotels Intercontinental ist überflutet. Mancherorts blieben Autos in den Wassermengen stehen. Gullydeckel lösten sich aus den Verankerungen und schwammen einfach weg. Am Mittelweg schöpften Mitarbeiter mit Eimern und Mülleimern Wasser aus einem Geschäft. Vor dem Brauhaus "Gröninger" in der Willy-Brandt-Straße wurde eine tote Ratte angeschwemmt.

Einem Augenzeugen zufolge stand das Wasser in der U-Bahn-Station Jungfernstieg teilweise knöchelhoch. Die Fahrgäste seien barfuß zur U-Bahn gewatet. An der Haltestelle Gänsemarkt sei das Wasser in breiten Kaskaden die Treppen herunter gelaufen. Die U-Bahnen seien aber zunächst gefahren.

Die Feuerwehrleute wurden auch im Rathaus und in der Innenbehörde gebraucht - dort standen die Technikräume voller Wasser. Auch an der Alster waren Straßen überflutet, Auto- und Fahrradfahrer kamen nicht vorwärts. An einer Hauptverkehrsachse, der Willy-Brandt-Straße, drohte die Fassade eines Gebäudes einzustürzen. Auch die Staatsoper, das Hotel Atlantic und das Alstertal-Einkaufszentrum im Stadtteil Poppenbüttel waren betroffen.

Laut Feuerwehrsprecher war das Gewitter vom nördlichen Stadtteil Fuhlsbüttel Richtung Süden und anschließend nach Osten gezogen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte eine Unwetterwarnung für Hamburg herausgegeben - mit Starkregen um 40 Liter pro Quadratmeter und Stunde, Hagel und schweren Sturmböen. „Nachts wird die Gewittertätigkeit schwächer, lebt aber morgen vormittag wieder auf“, hieß es darin.

Laut Feuerwehr zog die Gewitterzelle vom nördlichen Stadtteil Fuhlsbüttel Richtung Süden und anschließend nach Osten. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes fielen innerhalb einer Stunde bis zu 35 Liter pro Quadratmeter runter. Örtlich könnten es sogar bis zu 50 Liter gewesen sein. Die genauen Niederschlagsmengen sollten erst am Dienstag vorliegen.

Schon am Sonntag wüteten Unwetter in weiten Teilen Deutschlands. In Haselünne im Emsland geriet ein Wohnhaus nach einem Blitzeinschlag in Brand. Der Sachschaden wird auf 200.000 Euro geschätzt. Menschen wurden nicht verletzt. Die Bewohner hatten am Sonntagabend zunächst nur bemerkt, dass eine unmittelbar neben dem Gebäude stehende Fichte in Flammen stand. Geistesgegenwärtig fällte der Hausherr den Baum mit einer Motorsäge, ehe er auf das Haus stürzen konnte. Erst danach wurde entdeckt, dass auch der Dachstuhl des Hauses in Flammen stand. Ehe die Feuerwehr den Brand löschen konnte, hatte sich das Feuer bereits auf das gesamte Gebäude ausgebreitet.

Mädchen stirbt durch Unwetter in NRW

In Nordrhein-Westfalen forderten die heftigen Unwetter am Sonntag ein Todesopfer. Eine 13-Jährige starb am Abend in Königswinter. Das Mädchen wurde von einer einstürzenden Gartenmauer begraben. Obwohl Einsatzkräfte und Angehörige sie schnell bergen konnten, starb die 13-Jährige am Unfallort. Die genauen Hintergründe des Unglücks waren unklar.

Die Gewitter vom Sonntag waren erst der Vorgeschmack: Noch bis Mittwoch brodelt die "Wetterküche“ in Deutschland heftig. Feuchte Luft vom Mittelmeer lässt die Unwettergefahr steigen. Die Schwüle wird unerträglich. Am Montag galten für ganz Deutschland Unwetter-Vorwarnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD).

Am Sonntag fiel in weniger als einer Stunde an manchen Orten mehr Regen als sonst im ganzen Monat. Der DWD registrierte im osthessischen Alsfeld 101 Liter Regen pro Quadratmeter. "Das ist fast das Doppelte der üblichen Monatsmenge“, sagte Meteorologe Helmut Malewski vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach am Montag. Wegen Überflutung musste sogar die nahegelegene Autobahn 5 gesperrt werden.

In Lennestadt nördlich von Siegen fielen 83 Liter Regen pro Quadratmeter, nur 15 Kilometer westlich davon waren es lediglich zwei Liter pro Quadratmeter. Mancherorts kam Hagel dazu. In Essen, Mainfranken oder Oberbayern wurden laut DWD bis zu drei Zentimeter große Hagelkörner gemeldet. "Typisch für diese hochsommerliche Gewitterlage“, sagte Meteorologe Malewski.

Keine geschlossenen Gewitterfronten

Es sind keine geschlossenen Fronten, die Deutschland überqueren, sondern die Gewitter entstehen lokal vor Ort, denn es gibt kaum Wind: Die feucht-heiße Luft steigt hoch, das darin enthaltene Wasser kondensiert in der Höhe, es bilden sich Gewitterzellen mit heftigem Regen und auch Hagel. Wo genau es Gewitter gibt, lasse sich nur ganz kurz vorher sagen, sagte Malewski.

Am Dienstag dauert die schwülwarme Witterung an. Es entwickeln sich erneut Schauer und Gewitter, die von Starkregen, Hagel und Sturmböen begleitet sein können. Örtlich besteht weiter Unwettergefahr. Die Tageshöchstwerte liegen bei rund 20 Grad an der Nordsee und an der Küste und bis zu 27 oder 28 Grad im äußersten Osten.

Erst am Mittwoch soll sich das Wetter allmählich wieder beruhigen. Dann trifft aus Nordwesten kühlere Luft in Deutschland ein und verdrängt die schwüle Luft aus Süden. (dpa/dapd/abendblatt.de)