Die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung sei auch in Altfällen zulässig. Ein Betroffener hatte Beschwerde eingereicht.
Hamburg. Das Hamburger Oberlandesgericht hat die nachträglich Verlängerung der Sicherungsverwahrung am Dienstag auch in sogenannten Altfällen als zulässig erachtet. Ein wegen Totschlags verurteilter 60-Jähriger hatte Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts vom Dezember 2010 eingereicht, wonach seine 1993 angeordnete Sicherungsverwahrung nachträglich verlängert wurde. Das Gericht begründete das mit der anhaltenden Gefährlichkeit des 60-Jährigen. Andere Oberlandesgerichte hatten in vergleichbaren Fällen entschieden, dass aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von 2009 die Unterbringung nach zehn Jahren beendet werden müsse. Der Senat hat das Verfahren deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Dort soll nun darüber entschieden werden, ob gemäß dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und andere schweren Straftaten eine nachträgliche Verlängerung zulässig ist. Das 1998 in Kraft getretene Regelwerk sieht vor, dass die Höchstdauer der Sicherungsverwahrung aufgehoben werden kann, wenn von den Verurteilten weiterhin eine hohe Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Zu prüfen sei nun, ob das auch für sogenannte Altfälle gilt, bei denen die Sicherungsverwahrung nach der alten Rechtslage angeordnet worden war.
Bis 1998 war die Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre befristet. Die rückwirkende Verlängerung der Verwahrung für noch vor 1998 verurteilte Täter – wie der 60-Jährige aus Hamburg – ist laut EGMR-Urteil nicht zulässig. Der Wille des Gesetzgebers muss nach Auffassung des Oberlandesgerichts aber höher gewichtet werden als die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
Die Sicherungsverwahrung beschäftigt seit Dienstag auch das Bundesverfassungsgericht. Vor dem höchsten deutschen Gericht werden die Beschwerden von vier Männern verhandelt, die sich nach Verbüßung ihrer Haftstrafen – unter anderem wegen schwerer Sexualdelikte – in Sicherungsverwahrung befinden, weil sie als weiterhin gefährlich gelten.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte in der mündlichen Verhandlung am Dienstag, einerseits sei die Freiheit des Einzelnen zu wahren. Zugleich müsse der Gesetzgeber „Sorge tragen, dass den berechtigten Sicherheitsinteressen der Bevölkerung entsprochen wird.“ In Deutschland sei ein Weg gefunden worden, um diese Balance zu wahren. Damit verwies sie auf die zum Jahresbeginn in Kraft getretene Neuregelung der Sicherungsverwahrung und das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter. (dpa)