Gerichts-Präsident Voßkuhle kritisiert Praxis der Sicherungsverwahrung. Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger verteidigt Konzept.
Karlsruhe. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung kritisiert. Bei der mündlichen Verhandlung zu diesem Thema erinnerte er am Dienstag an ein früheres Urteil, dem zufolge sich die Sicherungsverwahrung ausreichend vom regulären Strafvollzug unterscheiden muss. Insbesondere müsse es hinreichende Resozialisierungsangebote geben. Ob Bund und Länder "diese Mahnung ernst genug genommen haben, muss man jedenfalls auf den ersten Blick bezweifeln", sagte Voßkuhle.
Dennoch scheint das höchste deutsche Gericht die Sicherungsverwahrung gefährlicher Straftäter nicht grundsätzlich infrage zu stellen. Die Richter verhandeln über die Verfassungsbeschwerden von vier Männern, die sich nach Verbüßung ihrer Haft in Sicherungsverwahrung befinden, weil sie als weiterhin gefährlich gelten. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die persönlich in Karlsruhe erschienen war, verteidigte hingegen das Konzept der Sicherungsverwahrung. Einerseits sei die Freiheit des Einzelnen zu wahren; zugleich müsse der Gesetzgeber "Sorge tragen, dass den berechtigten Sicherheitsinteressen der Bevölkerung entsprochen wird".
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte die Sicherungsverwahrung für menschenrechtswidrig erklärt. Seither ist es auch unter den deutschen Strafgerichten umstritten, ob in solchen Fällen die Verwahrten sofort freigelassen werden müssen. So erachtete gestern auch das Hamburger Oberlandesgericht in einem Urteil die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung für zulässig, da der Verurteilte immer noch gefährlich sei.