Chefetagen in Hamburgs großen Unternehmen von Männern dominiert. Unternehmen setzen auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Hamburg. Eine Quote brauchte sie nicht. Ulrike Riedel ist auch ohne Geschlechterregelung oben angekommen. Die 38 Jahre alte Diplomkauffrau hat es bei der Hamburger Hochbahn in die höchste Führungsriege geschafft. Seit fast zwei Jahren lenkt sie im Team mit drei Männern als Personalvorstand und Arbeitsdirektorin die Geschicke des städtischen Unternehmens. Die Managerin plädiert offensiv für die Einführung von Frauenquoten in der Wirtschaft. "Ohne eine solche Quote dauert der Veränderungsprozess viel zu lange", ist Riedel überzeugt. "Und Veränderung ist notwendig. Die Erfahrung zeigt, dass gemischte Teams auch wirtschaftlich erfolgreicher sind." Auch für die Hochbahn wünscht sich Riedel mittelfristig gut 40 Prozent Frauen in Führungspositionen, heute seien es 25 Prozent.
Noch sieht die Realität für karrierewillige Frauen in Deutschland trist aus. In den 200 größten Konzernen sind nur 3,2 Prozent der Vorstandsposten mit ihnen besetzt, bei den 30 DAX-Konzernen sind nur vier von 186 Vorständen Frauen. Dennoch lehnen die meisten Firmen eine Quote als Eingriff in die Unternehmensfreiheit ab. "Stattdessen müssen wir das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie lösen", sagt Handelskammer-Chef Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Ganztagsschulen und mehr Krippenplätze würden es Frauen erleichtern, Karriere zu machen.
Auch in Hamburg sind Frauen in Vorständen selten, ergab eine Umfrage des Abendblatts. Unter den großen 20 Hamburger Arbeitgebern haben es bisher nur fünf Frauen (siehe Fotos) in die oberste Führungscrew geschafft. Die Vorstandschefsessel sind jedoch uneingeschränkt mit Männern besetzt.
Airbus Deutschland als größter Arbeitgeber in der Stadt wird von einem reinen Männerteam geführt. Bisher ist der Frauenanteil mit 14 Prozent der Belegschaft noch relativ gering. Doch der Luftfahrtkonzern verspricht Besserung. "2010 waren bereits 30 Prozent aller Neueinstellungen Frauen", sagt Airbus-Sprecher Tore Prang. "Insbesondere in der Produktion wünschen wir uns mehr gemischte Teams."
Die Hamburger Asklepios-Klinken verweisen darauf, dass 72 Prozent aller Beschäftigten Frauen sind, etwa 46 Prozent der Mediziner sind Ärztinnen. In dem Geschäftsführerquartett ist jedoch nur eine Position mit einer Frau besetzt: Anja Rhode ist Arbeitsdirektorin. Zudem gibt es viele Chefärztinnen. "Eine Quote streben wir nicht an", sagt Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz.
Der Kaffeeröster Tchibo hat mit Wioletta Rosolowska bereits eine Frau im Vorstand. Zudem sind gut 30 Prozent der Mitarbeiter mit Personalführungsverantwortung weiblich. Und die rund 850 Filialen von Tchibo in Deutschland werden mit wenigen Ausnahmen von Filialleiterinnen geführt, so Sprecher Arndt Liedtke. Von gesetzlichen Regelungen hält Tchibo wenig. "Wichtiger ist aus unserer Sicht das tatsächliche Handeln eines Unternehmens."
Bei Budnikowsky in der Hauptverwaltung sind bereits mehr als 30 Prozent aller Führungskräfte weiblich. Jede zweite Filiale wird von einer Frau geführt. "Eine Quote kann dazu führen, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen", sagt Budni-Chef Cord Wöhlke. Aber er ist realistisch. "Die Unternehmen müssten zehn Jahre Zeit dafür haben." Bereits seit Jahren bietet Budni für seine Mitarbeiterinnen Fortbildungsseminare und ermuntert sie, Führungstätigkeiten zu übernehmen.
Beiersdorf hat keine Frau im Vorstand und hält eine Frauenquote nicht für nötig. "Grundsätzlich bedeutet die Einführung einer Quote aus unserer Sicht, dass bei gleicher Qualifikation ein Bewerber mit anderem Geschlecht, Nationalität und Ähnlichem diskriminiert und benachteiligt würde", so Unternehmenssprecher Rolf Lange. Der Frauenanteil liege im Topmanagement unterhalb des Vorstands bei 24 und im Aufsichtsrat bei 25 Prozent. Das Unternehmen setzt auf die Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Angebote reichen vom betriebseigenen Kindergarten über flexible Arbeitszeiten bis hin zu Teilzeitmodellen.
Der Versandkonzern Otto hat zwar in den vergangenen Jahren den Frauenanteil in seinen Führungsetagen stetig erhöht, doch ganz oben im Vorstand der Otto Group ist bisher keine Frau präsent. In der ersten Berichtsebene unterhalb des Vorstands sind 13,2 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt, sagt Otto-Group-Sprecherin Sabine Josch. Von den Bereichsleitern sind 25,8 Prozent Frauen, unter den Abteilungsleitern 25,1 Prozent. Otto versucht über Teilzeit, Home-Office-Modelle, die Vermittlung von Kitaplätzen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. "Wir haben keine verpflichtende Frauenquote, werden aber im Topmanagement und in den Führungspositionen den Anteil der Frauen erhöhen."
Bei der Hamburger Sparkasse sind Frauen im Vorstand ebenfalls Fehlanzeige. Fünf Männer leiten Deutschlands größte Sparkasse. In den übrigen Führungspositionen - von Filialleiterinnen bis zu Direktorinnen - sind 20 Prozent mit Frauen besetzt. Auch die Haspa versucht, den Frauenanteil in ihren Toppositionen zu erhöhen, eine Frauenquote gibt es jedoch nicht, heißt es.
Bei Jungheinrich besteht der Vorstand aus vier Männern. Eine spezielle Frauenförderung für weibliche Führungskräfte gibt es nicht. "Wir haben aber auf jede Person maßgeschneiderte Programme, an denen auch Frauen teilnehmen", sagt Sprecher Markus Piazza.
Philips Deutschland hält eine Quotierung für sinnvoll. "Allerdings eher auf einer freiwilligen als auf einer gesetzlichen Basis", sagt Sprecher Klaus Petri. Das Unternehmen hat eine interne Zielvorgabe: Bis 2012 soll eine Quote von 15 Prozent in Führungspositionen erreicht werden. Im dreiköpfigen Vorstand gibt es seit dem 1. Januar keine Frau mehr. Finanzchefin Anja Krusel wechselte von Philips zu Microsoft.
Bei der HHLA gibt es keine Frau im Vorstand, aber in der unteren Führungsebene einen Frauenanteil von 14 Prozent. Der Konzern hat sich laut einem Vorstandsbeschluss zum Ziel gesetzt, mit einem Nachwuchsförderungsprogramm den Frauenanteil in den höheren Ebenen auf 20 Prozent zu steigern.
Bei der Techniker Krankenkasse arbeiten generell mit etwa 60 Prozent mehr Frauen als Männer. Anders sieht es jedoch im Vorstand aus. Die drei Positionen sind alle von Männern besetzt. Statt auf eine Quote setzt das Unternehmen in erster Linie auf eine "gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf", sagt Sprecherin Michaela Hombrecher.
Auch bei Körber sitzen nur Männer im Chefsessel. Eine Frauenförderung hält das Unternehmen nicht für erforderlich. "Wir fördern alle Mitarbeiter gemäß ihren Fähigkeiten und Talenten", sagt Sprecherin Bettina Lichtenberg. Bei der Besetzung von Stellen entscheide allein die Qualifikation. Frauen seien im Unternehmen inzwischen als Geschäftsführerinnen sowie als Bereichs- und Abteilungsleiterinnen tätig.
Bei Aurubis gibt es ebenfalls keine Frau im fünfköpfigen Vorstand. Eine Frauenförderung gibt es nicht. "Wir haben aber gerade eine Ingenieurin eingestellt, die als Führungskraft aufgebaut werden soll", so eine Sprecherin.
Edeka verweist darauf, dass es zum Zeitpunkt der Besetzung der Vorstandspositionen keine Kandidatin mit vergleichbarer Qualifikation gab. Männer und Frauen würden aber gleichermaßen gefördert. (stü, bk, cru, rz)