Vom Fliegen allein kann der Flughafen Fuhlsbüttel heute nicht existieren. Planer und Handel entwerfen und bauen deshalb eine “Stadt in der Stadt“.
Vom ersten Konzeptentwurf bis zur Vollendung des gesamten Projekts "Neuer Hamburg Airport" vergingen beinahe 25 Jahre. Während der Hamburger Architekt Meinhard von Gerkan ihn plante, hatte er manchmal an die "charmante, überfüllte Atmosphäre" des Flughafens denken müssen; an "das plüschige Flughafenrestaurant mit den ockerfarbenen Tischdecken und dem tollen Blick raus aufs Vorfeld" in den 60er- und 70er-Jahren.
Aber die Zeiten für Romantiker sind vorbei: Ein Flughafen ist nun einmal das räumliche und funktionale Herz einer größeren "Airport City" und der "Aerotropolis". Die Airport City ist das Flughafenareal, auf dem die kommerzielle Entwicklung stattfindet; die Aerotropolis, das ist die wirtschaftliche Entwicklung entlang der Transportwege hin zur Airport City in ihrem größeren Umfeld - vor allem die Ansiedlung von Unternehmen an einem attraktiven Standort bei der zusätzlichen Berücksichtigung von Freizeit- und Erlebnisangeboten.
Die Architektur des "Flughafens", jetzt der eigentlichen "Stadt in der Stadt" darf dabei nicht einer kurzlebigen Mode unterworfen sein, sondern muss durch Beständigkeit überzeugen; sie muss "machbar" sein und sich dem vorhandenen städtebaulichen Prinzip anpassen. "Im Falle Hamburg Airport", sagt von Gerkan, "gab es die Vorgaben, Abflug und Ankunft auf zwei unterschiedlichen Ebenen zu belassen und gleichzeitig die Sicherheitskontrollen von diesen beiden Bereichen zu separieren und in die Plaza zu integrieren."
Je mehr die Entwürfe Gestalt angenommen hätten, schmunzelt der Architekt, desto häufiger hätte sein Team laut darüber nachgedacht, ob es da nun eigentlich einen Flughafen bauen würde oder ein Einkaufszentrum.
Aber dieser Gedanke ist nicht abwegig, sondern im Gegenteil vom Kunden erwünscht: Eindrucksvolle Zahlen von Flughäfen und Drehkreuzen aus aller Welt, die sich bereits als Airport Citys betrachten oder auf dem besten Wege sind, eine zu werden, belegen, dass inzwischen 30 bis 60 Prozent aller Umsätze, die eine Flughafengesellschaft erwirtschaftet, dem sogenannten "Non-Aviation-Geschäft" zu verdanken sind. Und je attraktiver ein Flughafen, desto höher können auch die Erträge sein, die durch die Vermietung der Shops hereinkommen.
Dass die wirklich interessanten Geschäfte immer erst nach der Sicherheitsschleuse kommen, stimmt so auch nicht mehr. Jedenfalls nicht am Hamburg Airport, wo auch außerhalb der "Duty Free"-Welt - in der Airport Plaza - beinahe schon ein ernsthafter Mitbewerber für die vielen großen Hamburger Einkaufszentren entsteht; kein Wunder bei so vielen Parkplätzen.
Auch die große Lebensmittelkette Edeka hat sich in der Airport Plaza eingemietet: In der Grillsaison des Jahres 2010 waren am Sonntagabend die Bratwürste zumeist ausverkauft.
Der Amerikaner John D. Kasarda, Professor für Strategie und Unternehmensgründung und weltweit anerkannter Experte für Flughafeninfrastrukturfragen, untersuchte die Situation einiger Airport Citys und fand heraus, dass die breite Öffentlichkeit die Entwicklung eines Flughafens zu einer Airport City weder versteht noch deren eminente Wichtigkeit einschätzen kann. Kasarda hat die Schuldigen für dieses Dilemma bereits ausgemacht: "Das Thema Airport City wird häufig für lokal- oder nationalpolitische Ziele missbraucht, bei dem die Teilnehmer Missverständnisse und Fehlplanungen ausnutzen ... Es ist zum Beispiel immer wieder dokumentiert worden, dass Airports und der Flugverkehr weniger als drei Prozent zum Ausstoß von Treibhausgasen beitragen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Menschen davon ausgehen, dass es mehr als 40 Prozent sind. Wahrnehmung und Realität stimmen nicht überein, doch die politischen Gruppen und die Umweltbewegung gegen Flughäfen sind einflussreich. Sie haben aber manchmal kein umfassendes Verständnis oder nehmen die Fakten nicht wahr, die zu ihrer politischen Auffassung nicht passen."
Die Herausforderung liege darin, die Airport City ökonomisch effizient, räumlich und städtebaulich attraktiv und nachhaltig, also unter Berücksichtigung von Umwelt- und gesellschaftlichen Belangen, zu entwickeln - und sie langfristig in der Öffentlichkeit positiv zu positionieren.
Auch am Hamburg Airport hat man das längst verstanden: Das Wachstum zu einer europäischen Airport City ist keine Option, sondern eine dringende Notwendigkeit, wenn man im 21. Jahrhundert wettbewerbsfähig bleiben will.
Das Buch zum Jubiläum: Die umfassende Geschichte des dienstältesten Flughafens der Welt erscheint unter dem Titel "Hamburgs Tor zum Himmel" Anfang Januar. Das reich bebilderte Lesevergnügen mit vielen Geschichten rund um den 100 Jahre alten Hamburg Airport kostet 19,95 Euro und kann bereits jetzt vorbestellt werden: entweder unter www.abendblatt.de/shop oder unter Telefon 34 72 65 66.