Vierter Teil der Abendbaltt-Serie “100 Jahre Hamburg Airport“: Mit dem Jumbojet Boeing 747 geht der Massentourismus in die Luft.
Hamburg. Als am 9. November 1961 das umgebaute und erweiterte Abfertigungsgebäude eingeweiht wurde, hieß eine der vielen Schlagzeilen "Fluggast müsste man sein". Zu diesem Zeitpunkt konnte das "neue", 14 Millionen Mark teure Zentralgebäude noch die erhöhten Anforderungen erfüllen, die mit dem wachsenden Flugverkehr einhergingen: Länger als 200 Meter musste kein Passagier laufen, um zu seinem Gate zu gelangen, von dem ihn ein Bus zum Flugzeug brachte. Ankunft und Abflug befanden sich auf zwei getrennten Ebenen; im Untergeschoss konnten die ankommenden Passagiere an den drei revolutionären automatischen Karussells "Kofferroulette" spielen.
Tatsächlich aber wurde nur wenige Tage später bereits der millionste Fluggast (des Jahres) in Hamburg begrüßt. Da hatten sich hinter den Kulissen die Planer längst schon wieder über ihre Reißbretter gebeugt. Der Luftverkehr wuchs viel schneller als in den kühnsten Prognosen vorausgesagt. So wurde der Hamburg Airport für die kommenden beinahe 40 Jahre ein - wenn auch funktionales - bauliches Provisorium. 1967 zählte man mehr als zwei Millionen Passagiere und 1970 bereits 3,1 Millionen. Die Abfertigungshalle platzte in Spitzenzeiten sprichwörtlich aus allen Nähten, wenn bis zu 1500 Passagiere gleichzeitig einchecken wollten. Am Ostermontag 1970 war erstmals ein Jumbojet am Hamburg Airport gelandet. Für den Bodenservice eines Flughafens stellten diese neuen "Großraumflugzeuge" eine enorme Herausforderung dar. Schließlich konnten vier Flüge à 90 bis 120 Passagiere weitaus entspannter abgefertigt werden als 400 Menschen auf einen Schlag. Extra für den "Jumbo" wurde daher zum Winter 1970 eine eigene Abfertigungsposition eingerichtet, zu der ein Fluggaststeg mit zwei beweglichen Fluggastbrücken ("Finger"), ein großer Warteraum und sogar eine eigene Gepäckumschlagsanlage gehörten. Diese Großraumjets wiesen den zukünftigen Weg: Die Konstrukteure waren sich nun der Notwendigkeit einer erhöhten Umweltfreundlichkeit bewusst. Möglichst leise Triebwerke ergänzten die umfangreichen Lärmschutzbemühungen, die Hamburg Airport bereits initiiert hatte. So boten "Flüsterprämien" - nach Umweltaspekten gestaffelte Flughafengebühren - den Airlines neuerdings größeren Anreiz, auf leisere Flugzeuge umzusteigen. Ein weiterer günstiger Effekt war die Treibstoffersparnis.
Die enorm hohen Zuwachsraten im Luftverkehr der 60er-Jahre waren auf das allgemeine Wirtschaftswachstum und die Steigerungen des Volkseinkommens zurückzuführen gewesen. Außerdem wurde das Fliegen zunehmend billiger: Mallorca, Gran Canaria, Teneriffa - Ende der 1960er-Jahre hatte auch der verhältnismäßig neue Chartertourismus zu boomen begonnen. Die Fliegerei begann ihren exklusiven Charakter endgültig zu verlieren, je mehr das Flugzeug zum Massenverkehrsmittel avancierte. Während sich die Passagierzahlen im Linienverkehr von 1965 bis 1970 verdoppelten, verdreifachten sie sich in der Flugtouristik: 1968 wurde ein Zuwachs von 38,9 Prozent erreicht, 1969 waren es sogar 42,1 Prozent - und Hamburg Airport lag dabei sogar noch über dem Bundesdurchschnitt. Die Folge: Rucksacktouristen, Gastarbeiter, quietschvergnügte Kinder mit Sandschaufeln und gestresste Familienväter und die feinen Geschäftsleute mit Aktentaschen traten sich in den Wartezonen des Abfertigungsgebäudes zunehmend gegenseitig auf die Füße.
1976 wurde die dringend benötigte Charterflughalle fertiggestellt, in der 600 Passagiere gleichzeitig einchecken konnten. Doch bis zum Jahr 1987 musste der Hamburg Airport noch mehrere Um- und Erweiterungsbauten über sich ergehen lassen: 1976 wurde die Erweiterung der Luftfrachtanlage abgeschlossen, 1980 eröffnete das Abfertigungsgebäude Inland, 1982 ging eine neue Charterhalle in Betrieb. Das Leben am Hamburg Airport war - im übertragenen Sinne - eine einzige Baustelle. In der Chronik zum 75. Jubiläum wurde dieses stilistische Durcheinander wohlwollend als "architektonisches Gleichgewicht" beschrieben. Da war im Hintergrund bereits die Entscheidung für eine radikale Umwandlung gefallen; für ein Ausbauprogramm, das den Bau eines völlig neuen Terminals und eines "Piers" mit elf Fluggastbrücken sowie eines neuen Parkhauses vorsah; für rund 200 Millionen Mark. Die Ausschreibung im Jahre 1986 - einen internationaler Architektenwettbewerb - gewann das Hamburger Büro von Gerkan, Marg und Partner. Sieben Jahre später sollte ein neues Terminal stehen, 24 Jahre später der vollkommen neue Hamburg Airport.