Nach dem Krieg beflügelt die Berliner Luftbrücke auch Fuhlsbüttel. 1955 darf die Lufthansa wieder starten
Kaum ein Hamburger dachte nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 ans Fliegen. Es gab Wichtigeres - das Überleben und den Wiederaufbau. Die Engländer hatten sich auf "ihrem" vollkommen intakten "Hamburg Airport" eingerichtet. Sie hatten großes Interesse an schnellen Verbindungen in die Heimat und richteten daher schon ab September mit der British European Airways (BEA) einen zivilen Linienflugdienst ein. Das naturbelassene Rollfeld wurde auf einer Länge von 1500 Metern mit einer Stahlplattenbahn verstärkt.
Das Verkehrsaufkommen wuchs schneller als erwartet. Der BEA folgte Anfang 1947 die Scandinavian Airlines System (SAS), kurz danach flogen die niederländische KLM und die belgische Sabena Hamburg an, das damit zu einer der ersten deutschen Städte mit Anschluss an den europäischen Luftverkehr wurde. Daraufhin wurde der Bau zweier betonierter Startbahnen beschlossen, die sich kreuzten. Auch die Flugsicherung sollte modernisiert werden. Im Frühjahr 1948 begannen 800 Arbeiter mit den Erdarbeiten.
Zwei Monate später, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1948, untermauerte die damalige Sowjetunion ihren Alleinvertretungsanspruch für Berlin durch die Blockade aller Straßen- und Wasserverbindungen. Nur die Luftkorridore blieben offen. Rund 2,2 Millionen West-Berliner hatten plötzlich keinen Strom mehr, keine Kohle und keinen Treibstoff. Die Nahrungsmittelvorräte reichten noch für etwa zwei Wochen. Sofort begann mit drei "Dakotas" der Britischen Royal Air Force die "Berliner Luftbrücke". Bald waren es Tausende von alliierten Transportflugzeugen, die rund um die Uhr die geteilte Stadt mit allem Lebensnotwendigen versorgten.
Da die Kapazität der Flugplätze der Alliierten schon bald nicht mehr ausreichte, wurde der Hamburg Airport am 5. August 1948 als einziger ziviler Flughafen in die militärische Luftbrücke integriert. Jetzt schufteten 1400 Bauarbeiter in drei Schichten, sodass die neuen Start- und Landebahnen mit der modernen Anflugbefeuerung schon am 31. Dezember 1948 in Betrieb genommen werden konnten - vier Monate früher als geplant. Nach 322 Tagen, am 12. Mai 1949, hoben die Sowjets die Blockade auf. Insgesamt 13 500 Luftbrücken-Flüge hatte die Hamburger Flugsicherung abgefertigt und nebenher 6000 Linien- und 500 Charterflüge.
Etwa zur gleichen Zeit wurde - wenn auch in aller Heimlichkeit, da den Deutschen das Fliegen ja verboten war - längst auch die Wiedergeburt der Lufthansa eingeleitet. Hans M. Bongers (1898-1981), ehemaliger Verkehrsleiter der"alten" Luft Hansa AG, konnte daher dem damaligen Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm die Planungen für eine eigenständige deutsche Luftfahrt erstaunlicherweise schon am 29. Mai 1951 vorlegen - just an dem Tag, als er mit Billigung der Besatzungsmächte offiziell zum "Berater in Luftverkehrsfragen" ernannt wurde.
Als Bongers' wichtigster Mitstreiter in den aufregenden Anfangstagen erwies sich der Ingenieur Gerhard Höltje, ein erfahrener, pragmatisch veranlagter Techniker und ehemaliger Leiter der Versuchsabteilung der Lufthansa. Eigentlich sollte der Kranich schon 1953 wieder fliegen. Doch die Verhandlungen mit den Siegermächten über einen neuen Staatsvertrag kamen nur mühsam voran. Immerhin konnte am 6. Januar 1953, mit der Luftag eine Vorbereitungsgesellschaft für die Deutsche Lufthansa AG gegründet werden.
Bongers und Höltje konnten jetzt ganz offiziell Flugzeuge einkaufen, Verwaltungskräfte, Piloten und Kabinenpersonal einstellen sowie die Organisation am Boden aufbauen. Nach wenigen Monaten musste bereits das Grundkapital der neuen Lufthansa von sechs auf 50 Millionen Mark erhöht werden. Die zentrale Frage lautete: Mit welchen Flugzeugen sollte die Lufthansa ihren geplanten Liniendienst aufnehmen? Die Luftag orderte zunächst vier Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge vom Typ Convair CV 340 sowie vier Langstreckenflugzeuge vom Typ Lockheed Super Constellation. Amerikanische Flieger übernahmen die Schulung der deutschen Piloten. Zur gleichen Zeit wuchsen am Rande des Flugfeldes die Hallen der neuen Lufthansa-Werft, der technischen Basis der neuen Lufthansa, die Hamburg als Drehkreuz und Ausgangspunkt für die interkontinentalen Strecken betrachtete.
Am 1. April 1955 starteten in Hamburg und München fast zeitgleich zwei Convair CV 340 zu ihrem ersten planmäßigen Linienflug. Der amerikanische Mitbewerber PanAm begrüßte die neue Konkurrenz mit einer großformatigen Zeitungsanzeige: "Hallo Lufthansa! In der Reihe der Weltfluggesellschaften heißen wir das 'neue' alte Mitglied willkommen (...) Bremsklötze weg!"
Innerhalb weniger Wochen dehnte die Lufthansa ihr Streckennetz auf Paris, Madrid und London aus, und am 8. Juni 1955 startete von Hamburg aus eine "Super-Conny" nach New York zum ersten Interkontinentalflug. Bis zum Beginn des Jet-Zeitalters mit der Premiere der Boeing 707 im Jahre 1960 wuchs das Streckennetz der Lufthansa in nur vier Jahren von 8000 auf 93 000 Kilometer an.
Die Zahl der Passagiere stieg von 74 000 auf 786 000 und die Zahl der Mitarbeiter von 1100 auf mehr als 6000. Auf den Langstrecken nach Nord- und Südamerika wurde ab 1956 die "Senator"-Luxusklasse als (vorläufige) Antwort auf die schnelleren Düsenmaschinen der Konkurrenzgesellschaften eingeführt. In der "Senator"-Klasse wurden sogar frische Kartoffelpuffer an Bord zubereitet - der absolute Renner bei der Bordverpflegung ...
Morgen lesen Sie Teil 4: Mit dem schnellen Jetzeitalter und beginnt auch der Massentourismus über den Wolken. Der politische Streit um den geplanten Großflughafen Kaltenkirchen eskaliert. Und woran sich die Mode der Stewardessen orientiert.
Das Buch zum Jubiläum: Die umfassende Geschichte des dienstältesten Flughafens der Welt erscheint unter dem Titel "Hamburgs Tor zum Himmel" Anfang Januar. Das reich bebilderte Lesevergnügen mit vielen Geschichten rund um den 100 Jahre alten Hamburg Airport kostet 19,95 Euro und kann bereits jetzt vorbestellt werden: Entweder unter www.abendblatt.de/shop oder unter Telefon 34 72 65 66.