Die Bürgerschaft beschließt einstimmig Neuwahlen. Die Opposition nutzt die Gelegenheit für Abrechnungen mit der gescheiterten Koalition.

Hamburg. War es Zufall - oder gewolltes politisches Statement? CDU-Fraktionschef Frank Schira trug zur gestrigen Bürgerschaftsdebatte eine grüne Krawatte. Darin, immerhin, war er sich einig mit seinem Amtskollegen von der GAL, Jens Kerstan, der ebenfalls Grün um den Hals gebunden hatte. Ein letztes Zeichen der Verbundenheit der einstigen Koalitionspartner, kurz bevor die Parlamentarier einstimmig das vorzeitige Ende der Wahlperiode und Neuwahlen beschlossen.

Ansonsten hätte der Abgesang auf die schwarz-grüne Regierungszeit allerdings kaum unterschiedlicher ausfallen können. Während CDU-Frontmann Schira das Ende des früheren Vorzeigebündnisses mit "Szenen einer Ehe" verglich und vor allem an Zeitpunkt und Stil des Abschieds von Partner GAL Grenzwertiges zu erkennen vermochte, ging Kerstan in seinem Debattenbeitrag zum Generalangriff über.

Drei Monate nach dem Rücktritt von Ole von Beust hätten die Grünen feststellen müssen, dass der Neustart gescheitert sei. "Eine personelle Fehleinschätzung nach der anderen wurde getroffen", wetterte er in Richtung von Beust-Nachfolger Christoph Ahlhaus. Als zwangsläufige Folge habe man erkennen müssen, "dass der Senat nicht mehr gut regiert". Der Beschluss Ende November, die Zusammenarbeit zu beenden, sei ihnen nicht leicht gefallen, so Kerstan. "Aber es ist der richtige für Hamburg." Die GAL habe die Kraft aufgebracht, "nicht an den Sesseln zu kleben, sondern die Entscheidung an die Bürger zurückzugeben".

Trotzdem wollte auch Kerstan die gemeinsame Regierungszeit nicht nur negativ sehen. "Es gab keine Gladiatorenkämpfe. Wir haben zwei Jahre gut regiert und bewiesen, dass Schwarz-Grün funktionieren kann." So habe Hamburg das modernste Schulsystem Deutschlands auch ohne Primarschule und sei gut durch die Wirtschaftskrise gekommen. Es sei gelungen, die HSH Nordbank zu retten.

Die Bilanz der schwarz-grünen Senatszeit fiel bei Bürgermeister Christoph Ahlhaus ähnlich aus. "Ich stimme Ihnen unumwunden zu, Herr Kerstan: Wir haben viele Dinge gemeinsam auf den Weg gebracht." Es sei gelungen, sehr unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen stabil zusammenzubinden. Die Koalition sei von einem "Geist hoher Verlässlichkeit" getragen worden. Ahlhaus verteidigte die Abkehr der CDU von eben noch gemeinsam mit der GAL vertretenen Positionen wie zum Beispiel der Stadtbahn. "Eine Koalition ist immer das Finden von Kompromissen", sagte Ahlhaus. Die Schulpolitik sei ein solcher Kompromiss gewesen. "Ich sage heute, das war ein Fehler."

Nach dem Bruch der Koalition gebe es keinen Zwang zu Kompromissen mehr. "Dass man Kröten nicht mehr schluckt, wenn die Geschäftsgrundlage fürs Krötenschlucken weg ist, ist doch klar", sagte Ahlhaus unter dem Beifall der CDU-Abgeordneten. Ahlhaus wies Vorwürfe aus der GAL zurück, wonach er sich nicht genug für den Fortbestand des Bündnisses eingesetzt hatte. Er sei immer ansprechbar für den Bündnispartner gewesen. "Ich erinnere mich an Telefonate am Wochenende, auch am Sonntagabend", so Ahlhaus. Die Umstände des Koalitionsbruchs seien für ihn "schlicht menschlich enttäuschend" gewesen.

SPD-Oppositionschef Michael Neumann nutzte die Debatte zu einer Generalabrechnung mit dem schwarz-grünen Bündnis und neun Jahren CDU-Herrschaft. "Neuwahlen sind notwendig, weil dieser Senat gescheitert ist." Die "politischen und ideologischen Gegensätze" zwischen CDU und GAL seien "mit für die Steuerzahler teuren Kompromissen zugekleistert worden".

Die Finanzpolitik unter CDU-Führung sei "Murks", Hamburg "fast pleite". Neuwahlen seien die Chance für stabile Verhältnisse. Die SPD biete "Verlässlichkeit, Vertrauen und Verantwortung", lehne es aber ab, Versprechungen zu machen, die am Ende nicht zu halten seien. "Unser Angebot ist stark, ist klar und bleibt", sagte Neumann.

Auch aus Sicht der Linken hat der Senat "abgewirtschaftet". Außer dem Kohlekraftwerk Moorburg und 500 roten Leihrädern bliebe nichts von dieser Koalition übrig. Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn kritisierte, dass die CDU jetzt "Einsparvorschläge wieder einsammelt" und teure Wahlgeschenke verteilt. "Der amtierende Bürgermeister läuft durch die Stadt und spielt den Weihnachtsmann", sagte Heyenn.

Die knapp zweistündige Debatte bot auch überraschende Erkenntnisse. So kam CDU-Fraktionschef Schira, der doch eigentlich Schwarz-Grün fortsetzen wollte, zu der Einsicht, dass die CDU schon im Sommer den Bruch hätte herbeiführen sollen. "Im Nachhinein wäre es besser gewesen, nach dem Scheitern der Primarschule die politische Neulegitimation herbeizuführen", sagte der CDU-Politiker. Dann war seine grüne Krawatte wohl doch Zufall.