Seriosität ist gefragt nach dem Scheitern von Schwarz-Grün.
Der Phantomschmerz muss groß sein. Wer die Reden von CDU und GAL in der Debatte zur Auflösung der Hamburgischen Bürgerschaft gehört hat, der konnte den Eindruck gewinnen, der Koalitionsbruch sei nur ein beklagenswerter Unfall gewesen. Schwarze und Grüne beschworen mehrfach die Erfolge von zwei Jahren gemeinsamer Regierungszeit. Nur ganz zum Schluss habe es eben nicht mehr so richtig funktioniert, wollen die Legendenbildner weismachen.
Die Wahrheit sieht anders aus: Diesem Bündnis ist die Puste schon länger ausgegangen. Der Schwung und der Mut, deren es für eine lagerübergreifende Koalition wie Schwarz-Grün bedarf, waren verbraucht. Das hängt mit den handelnden Personen zusammen, aber auch mit den inhaltlichen Widersprüchen, die immer offener zutage traten, je schlechter die Zusammenarbeit funktionierte. Ein Beispiel: Die CDU hat als Partei die sechsjährige Primarschule bis heute nicht verkraftet, obwohl sie gescheitert ist.
Insofern war der Bruch des Bündnisses, vollzogen von der GAL in einer Art Vollbremsung mit hohem Überschlagsrisiko, nur konsequent. Die logische Folge ist der einstimmige Beschluss der Bürgerschaft, vorzeitig Neuwahlen herbeizuführen. Jetzt muss der Souverän über die Zusammensetzung des neuen Senats entscheiden.
Anders ausgedrückt: Die Legislaturperiode musste vorzeitig beendet werden, weil Hamburg im Jahr 2010 unter dem Strich schlecht regiert worden ist. Dieser Befund hat zu einem etwas kuriosen Wettstreit um Verlässlichkeit und Seriosität im Hamburger Rathaus geführt. SPD-Bürgermeister-Kandidat Olaf Scholz verzichtet in keiner Rede auf das inhaltsarme "Wir können besser regieren"-Mantra. Bürgermeister Christoph Ahlhaus möchte allen Hamburgern bis zur Wahl am 20. Februar zeigen, dass er das Regierungsschiff auch allein sicher auf Kurs halten kann. Und sogar die einst aufmüpfig-staatsferne GAL preist sich heute als stabiler, berechenbarer Partner in welchem Bündnis auch immer an.
Sicher: Verlässlichkeit ist in der Politik ein hoher Wert, solides Regierungshandwerk die Voraussetzung für erfolgreiche Politik. Aber für die ordentliche Verwaltung der Geschäfte gibt es kein politisches Mandat. Schon gar nicht in einer Stadt wie Hamburg, in der die Wähler anspruchsvoll sind und schnell enttäuscht. Wer meint, im Schlafwagen an die Macht zu kommen - also ohne inhaltliche Festlegung -, der wird ein böses Erwachen erleben.