Was sich in den Weiten des Fortpflanzungs- und Beziehungskosmos von Seepferdchen ereignet, ist einzigartig: Hier wird Papa schwanger.
Stellingen. Elternzeit? Für Seepferdchen kein Thema. Da werden die Jungen einfach nicht betüddelt. Ab ins Meer und ahoi! Gute Reise! Was jedoch vor ihrer Geburt stattfindet, ist in den Weiten des elterlichen Fortpflanzungs- und Beziehungskosmos einzigartig: Hier wird Papa schwanger.
So wie Barbara.
Barbara ist ein Zebraschnauzen-Seepferdchen - ein männliches. Aber weil da eben auch diese Sache mit der männlichen Schwangerschaft ist, heißt er in Hagenbecks Tropen-Aquarium eben Barbara. Mit vier weiteren erwachsenen beziehungsweise halbwüchsigen Artgenossen teilt sich das zu den Seenadeln zählende Tier ein Aquarium in der sogenannten Schatzkammer der Tropenwelt. Außerdem sind vier Ende Mai dieses Jahres in Hamburg geborene Nachwuchstiere in einem eigenen, kleinen Becken hinter der Scheibe der Futterküche zu sehen.
Zebraschnauzen-Seepferdchen (Hippocampus barbouri) sind, wie alle Seepferdchen, Stichlingsverwandte - und damit Fische. Das würde man vielleicht besser erkennen, wenn man sie, an Schnauzen- und Schwanzspitze gepackt, lang ziehen würde. "So hätte Barbara etwa eine Länge von 16 Zentimetern", sagt Sven Vogler.
Der Tierpfleger ist für die besonderen Tiere seit einem knappen Jahr zuständig, seitdem sind die Zebraschnauzen-Seepferdchen beim Tierpark Hagenbeck zu sehen. Der ockerfarbene Körper der Zebraschnauzen-Seepferdchen, den feine, dunkle Punkte zieren, ist schlank und weist eine ausgedehnte Bedornung aus Weichstrahlen auf. Diese Weichstrahlen setzen sich auch im Kopf- und Schnauzenbereich fort und verleihen den Tieren einen "stacheligen" Eindruck.
Während dieses lediglich eine Täuschung ist, schützen die Knochenplatten, die den gesamten Körper verstärken, die Seepferdchen jedoch vor vielen Fressfeinden.
Warum sich Pferd und Zebra im Namen der Tiere vereinen, ist deutlich zu sehen: Der Kopf aller Seepferdchen erinnert an den eines Zossen, und bei der speziellen Art ist die lange Schnauze weiß und dunkelbraun geringelt. Ganz so, wie manche Zebraarten aussehen.
Barbara wiegt sich sanft im Becken, mit der Schwanzspitze wie mit einem Greifarm an eine (ebenfalls geringelte) Scheibenanemone geklammert. "Auf der Bauchseite kann man gut die Bruttasche sehen", sagt Vogler. In diesem Beutel brüten die Männchen die Jungtiere aus, nachdem ein Weibchen seine Eier hineingelegt hat.
Bei Zebraschnauzen-Seepferdchen fängt dieses Spektakel beim Eintritt in die Geschlechtsreife mit rund sieben Monaten an. "Männchen präsentieren sich dann vor den Weibchen", sagt Vogler. Eine der wenigen bewegungsreichen Phasen im Leben eines Seepferdchens, denn sonst sind die Tiere eher lethargisch. Waren die Paarungstänze erfolgreich und ein Weibchen konnte seine 50 bis 100 rund 1,5 Millimeter großen Eier loswerden, werden diese in der Bruttasche vom Männchen befruchtet.
Wehe, die Kleinen sollen aus dem Beutel, dann wird es anstrengend
Die gute Kinderstube ist übrigens absolut wasserdicht - die kleinen Seepferdchen-Larven kommen erst nach 15 Tagen mit Wasser in Kontakt, wenn ihre Entwicklung in der Tasche abgeschlossen ist. "Dann schmeißt Papa sie nämlich heraus", sagt Vogler. Doch wie leert man einen Beutel, wenn man keine Hände hat? Vogler: "Das sieht nach anstrengender Gymnastik aus." Mit wehenartigen Bewegungen pressen Barbara und die anderen Mütter-Väter die rund 1,3 Zentimeter großen Kleinen aus der Bruttasche.
Bei Hagenbeck leben die Zebraschnauzen-Seepferdchen, die aus küstennahen Regionen des zentralen Westpazifiks stammen, mit einem Knallkrebs (oder auch Pistolengarnele) zusammen. "Der wohnt hinter den Steinen und räumt nachts die Nahrungsreste auf", sagt Vogler - weshalb er ihn auch liebevoll "unseren Hausmeister" nennt.
Zebraschnauzen-Seepferdchen ernähren sich von Zooplankton, Krebstierchen und anderen wirbellosen Tieren. Bei Hagenbeck bekommen sie Schwebegarnelen. "Die Seepferdchen warten in aller Ruhe darauf, dass das Futter vorbeigeschwommen kommt", sagt Vogler.
Dann allerdings geht alles blitzschnell: Als sogenannte Saugschnapper schlürfen Seepferdchen ihre Beute mit einem im Maul erzeugten Unterdruck ein. Soll heißen: Barbara macht beim Fressen ein Geräusch, als würde mit einem Finger geschnippt. Und das ganz ohne Hände.
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