Sicherheitsberater dementiert Aussagen über Lauschangriffe. Welche Rolle spielt die Sicherheitsfirma Prevent AG im Wirtschaftskrimi?
Hamburg. Die Spitzelaffäre um die HSH Nordbank wächst sich zu einem veritablen Wirtschaftskrimi aus. Der frühere Sicherheitsberater der Bank, Arndt U., hat gestern eine notariell beglaubigte Erklärung veröffentlichen lassen, wonach alle ihm zugeschriebenen Aussagen , er habe die Entlassung von Vorstandsmitglied Frank Roth im Auftrag der HSH eingefädelt, verfälscht seien.
Arndt U. hatte sich am 29. Juli mit den HSH-Aufsichtratsmitgliedern Olaf Behm (gleichzeitig HSH-Betriebsratschef) und Rieka Meetz-Schawaller und zwei ehemaligen HSH-Sicherheitsbeauftragten in einer Anwaltskanzlei getroffen. Laut dem Protokoll, das Behm von dem Gespräch anfertigen ließ, hatte der 42-Jährige zugegeben, in Roths Wohnung eingedrungen zu sein, Roths Büro verwanzt und ein manipuliertes Schriftstück verschickt zu haben - dieses Schreiben diente später als Grundlage für Roths Entlassung.
Jetzt behauptet Arndt U., er habe diese Aussagen so nie gemacht, vielmehr habe er nur auf Frage von Betriebsratschef Behm erklärt, wie solche Lauschangriffe technisch zu bewerkstelligen seien. "Meine Erläuterungen hatten eigentlich das Ziel, die Absurdität solcher Überlegungen zu verdeutlichen", heißt es in Arndt U.s Erklärung, die dem Abendblatt vorliegt. Behm war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Das Notar-Dokument wurde gestern im Namen von Arndt U.s früherem Arbeitgeber, der Hamburger Prevent AG, veröffentlicht - "aus Gründen des Reputationsschutzes", wie es hieß. Die Unternehmensführung, der auch Hamburgs früherer Innensenator Udo Nagel (parteilos) angehört, erklärte dazu: "Die Prevent AG hat sich niemals illegaler Methoden bedient, sondern hält sich an Recht und Gesetz." Allerdings wirft der Vorgang Fragen nach dem Verhältnis der Prevent AG zu der zu 85 Prozent staatlichen HSH Nordbank auf, die die Finanzkrise nur dank Milliarden-Spritzen aus Hamburg und Kiel überlebt hat.
Nach Abendblatt-Informationen haben die Sicherheitsberater der Bank unter anderem 54 000 Euro in Rechnung gestellt, um für Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher beim Einwohnermeldeamt und anderen Behörden Schutzakten zu beantragen. Dass Prominente auf diese Weise ihre persönlichen Daten schützen, ist nicht ungewöhnlich - allerdings kostet der einfache Verwaltungsvorgang normalerweise nicht 54 000 Euro. Für die dreitägige Bewachung Nonnenmachers bei einem Ausflug nach Wiesbaden sollen gar 120 000 Euro berechnet worden sein.
Und am 19. November 2009 forderte Prevent von der HSH ausweislich einer Rechnung gar 7,083 Millionen Euro. Als Leistungen angegeben wurden unter anderem "Silence" - dabei handelt es sich um Maßnahmen zu Nonnenmachers Sicherheit - und "Guardian". Was sich dahinter verbirgt, wird nicht näher erläutert. Allerdings spielt der Name "Guardian" auch bei der Entlassung von Vorstandsmitglied Frank Roth eine entscheidende Rolle.
So kam es dazu: Wie aus der Vernehmung von HSH-Chefjustiziar Wolfgang Gößmann bei der Kieler Staatsanwaltschaft hervorgeht, wollte Nonnenmacher Roth unter allen Umständen loswerden. Er hielt seinen Kollegen für ungeeignet und zudem für das mögliche Leck im Vorstand, aus dem immer wieder vertrauliche Informationen aus der Bank tropften. Um das zu beweisen und weil sie sich nicht sicher waren, welcher Vorstand möglicherweise "undicht" war, ersannen Nonnenmacher und Gößmann Anfang 2009 einen kühnen Plan: Sie schickten den vier übrigen Vorstandsmitgliedern je ein markiertes vertrauliches Dokument und warteten, ob es irgendwo in der Öffentlichkeit auftauchte. Als sich beim ersten Versuch nichts tat, tütete das Duo Gößmann zufolge Anfang März 2009 eine zweite präparierte Unterlage ein - diesmal wurde auch die damalige Kommunikationschefin Michaela Fischer-Zernin eingeweiht.
Der Plan ging auf. Das Dokument, auf dem sich sogar handschriftliche Notizen Roths befunden haben sollen, wurde von einer Anschrift, die der englischen Zeitung "Guardian" zuzuordnen ist, an Nonnenmacher zurückgeschickt. Weitere handschriftliche Anmerkungen des Absenders deuten auf einen "R" hin und auf einen "Frank". Für Gößmann und den Potsdamer Juristen Joachim Erbe, ein früherer Staatsanwalt, war die Sache damit klar. Sie legten die vermeintlichen Fakten dem Aufsichtsrat vor, der Roth am 16. April herauswarf. Tags darauf wurde sogar Strafanzeige gegen den geschassten Vorstand gestellt.
Ob in Wirklichkeit nicht Roth, sondern Arndt U. die brisante Post nach England befördert hat, wie er ausweislich des Behm-Protokolls ausgesagt hatte, ist offen. Die von der Prevent AG verbreitete Erklärung, wonach das Unternehmen und sein früherer Mitarbeiter damit nichts zu tun hätten, wirft aber die Frage, auf, warum Prevent der HSH eine Millionenrechnung mit dem Betreff "Guardian" schickte. "Rechnungspositionen unterliegen der Vertraulichkeit und dem Mandantenschutz und werden nicht kommentiert", sagte Prevent-Vorstand Lutz Krüger dazu.
Umso klarer fielen die Ermittlungen der Staatsanwälte in Kiel - hier hat die frühere Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein ihren zweiten Hauptsitz - aus. Mit Datum vom 24. Juni 2010 stellten sie das Verfahren gegen Roth ein, weil keinerlei Beweise vorlägen. Ihre Stellungnahme, die dem Abendblatt vorliegt, ist ein einziger Verriss der von der HSH vorgelegten angeblichen Beweise. Erstens habe Roth, der gern HSH-Vorstand bleiben wollte, eher Interesse haben müssen, die Bank aus den Medien herauszuhalten. Zweitens sei auf keinem seiner Computer ein Hinweis auf die Verschickung vertraulicher Dokumente an Dritte gefunden worden. Drittens werde er selbst kaum so ungeschickt gewesen sein, ein Dokument mit seinen eigenen Notizen zu verschicken. Viertens sei zu fragen, warum der englische Absender das Schriftstück an Nonnenmacher schickte. Fünftens enthielt das Dokument selbst nach Gößmanns Aussage keinerlei brisante Informationen - warum hätte Roth es an eine Zeitung schicken sollen? Und letztlich erschien den Ermittlern auch schleierhaft, warum trotz eines Dauerlecks nur dieses eine, einzige Schriftstück an die Bank zurückkam.
Angesichts dieser Summe an Merkwürdigkeiten hält die Staatsanwaltschaft es sogar für möglich, dass Roth nach der Methode des Spurenlegens Opfer einer Falschbezichtigung geworden ist. Die Erklärung von Arndt U. ändere nichts "an der staatsanwaltschaftlich klar bestätigten Unschuld von Herrn Roth", sagte sein Sprecher Stephan Holzinger gestern. Der um seinen Ruf kämpfende Ex-Vorstand sprach von einem "ungeheuerlichen Vorgang" und verlangte eine Entschuldigung der HSH-Führung. Der damalige Aufsichtsratschef Wolfgang Peiner, der Roth entlassen hatte, sagte dem Abendblatt, das Kontrollorgan habe seinerzeit "keine Kenntnis" von den Hintergründen gehabt. Peiner: "Ich fordere den neuen Aufsichtsrat auf, das lückenlos aufzuklären."
Tatsächlich ließ der heutige Oberkontrolleur Hilmar Kopper aufgrund des Protokolls, das ihm seine Aufsichtsratsvize Behm zugeschickt hatte, Strafanzeige gegen Arndt U. stellen. Zudem beauftragte er HSH-Vorstand Martin van Gemmeren, sich der Sache anzunehmen, worauf dieser der Belegschaft am Mittwoch per Mail mitteilte, Chefjustiziar Gößmann sei vorübergehend seiner Aufgaben entbunden.
Auf eine Rehabilitierung Roths legt Kopper hingegen keinen Wert. Dessen Bitte um ein Gespräch über eine Entschädigung wies er zurück. Aufgrund der "ganz eindeutigen Indizienlage", schrieb Kopper am 20. Juli an Roth, sei "weder moralisch noch rechtlich irgendein Raum" für ein Arrangement. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft halte die HSH für mangelhaft und habe Beschwerde eingelegt. Einem Vergleich würde man sich aber "nicht verschließen".
Das könnte eine teure Lösung werden. Erst vor wenigen Wochen hatte sich die Bank mit einem Manager ihrer US-Filiale verglichen, den sie wegen eines angeblichen Sexskandals gefeuert hatte. Auch diese Ermittlungen waren sang- und klanglos eingestellt worden. Vertraglich zugestanden hätten dem Mann im Falle seines Rauswurfs nach Abendblatt-Informationen 2,4 Millionen Dollar. Bekommen hat er gut das Dreifache.