Die IHK Stade und der Verband Deutscher Reeder befürchten, dass demnächst viele Schiffe zwangsversteigert werden
Stade. Die Weltwirtschaftkrise ist für die Schifffahrtsbranche noch längst nicht ausgestanden. Mehrere Reeder im Elbe-Weser-Raum, aber auch Hamburger Reedereien, stehen derzeit wegen aktueller Schiffsfinanzierungen vor ernsten Problemen. Für den weiteren Bau beziehungsweise die Finanzierung laufender Schiffbauten werden derzeit vorrangig von mittleren und kleineren Reedereien, die stark auf den Transport von Containern ausgerichtet sind, Bankkredite benötigt. Diese sind aber laut der Industrie- und Handelkammer (IHK) Stade seit dem Beginn der globalen Finanzkrise nicht in ausreichendem Maße vorhanden.
Der Kern dieses Problems hat einen Namen: HSH-Nordbank. "Die in finanzielle Schräglage geratene Landesbank war in der Vergangenheit der wichtigste und größte Schiffsfinanzierer in der Region", sagt Holger Bartsch, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Stade. Die HSH-Nordbank hat im Rahmen ihrer Neuausrichtung den Kreditrahmen für Schiffe von zuletzt 30 Milliarden um etwa acht auf 22 Milliarden Euro reduziert und zahlreiche Kredite von Reedern in eine sogenannte Abbaubank ausgelagert.
In zwei Jahren könnten mehrere Reeder zahlungsunfähig sein
Wer den nun ausgelagerten Reedern die fehlenden acht Milliarden Euro für benötigte Schiffbaukredite liefern soll, ist unklar. Mehrere Reeder könnten, wenn die Kreditklemme nicht beseitigt wird, in den kommenden zwei Jahren zahlungsunfähig werden, so die Befürchtung der IHK.
Noch im September 2009 hatte die HSH-Nordbank laut Manager-Magazin den Reedern zugesichert, bereits im Bau befindliche und bestellte Schiffe weiterhin zu finanzieren. Die Bank galt damals als der weltgrößte Schiffsfinanzierer. Im Juni dieses Jahres kündigte die Bank eine Reduzierung des Kreditvolumens an - und setzte damit die Reeder, die Kunden der Landesbank waren oder sind, unter Druck.
Für den Verband Deutscher Reeder ist die Angelegenheit besonders ärgerlich, denn die Schifffahrt war, so der Verband, gerade dabei, sich von der globalen Krise zu erholen, als die Probleme mit der HSH-Nordbank aufkamen. Bei vier von fünf deutschen Reedern sei laut einer Umfrage der Unternehmensberatung PricewaterhouseCooper (PwC) die Schiffsflotte wieder vollständig ausgelastet. Doch bis zu 750 Schiffe könnten laut dem VDR von dem Kreditproblem bundesweit betroffen sein. Der VDR und die IHK befürchten Zwangsversteigerungen von einigen gut ausgelasteten Schiffen, auch wenn die HSH-Nordbank erklärt habe, dass es zu keiner Zwangsversteigerungswelle kommen werde.
Sollte es dennoch zu massiven Zwangsversteigerungen kommen, würde dies, so die IHK, die Existenz mehrerer Reedereien bedrohen, da nicht nur die Schiffe, sondern auch das von den Reedereien zur Finanzierung der Schiffsbauten eingebrachte Eigenkapital unwiederbringlich weg wäre.
"Was wir dringend brauchen, ist eine schnelle und unkomplizierte Lösung für die angeschlagenen Reedereien", sagt Heinrich Fiege, Diplom-Kaufmann bei der IHK Stade. Experten schätzen, dass allein im Raum der Unterelbe bis zu 30 Reedereien mit fast 1000 Mitarbeitern von der Kreditklemme betroffen sein könnten. Wie viele es aber genau sind, wisse außer der Landesbank niemand und die halte sich, so Bartsch, diesbezüglich weiterhin bedeckt.
Doch es gehe um mehr als nur die Reedereien - es gehe um die Bewahrung der deutschen Exportwirtschaft. Deutschland sei, sagt Bartsch, in besonderem Maße von einer funktionierenden und wirtschaftlich gesunden Schifffahrt abhängig, um seine Waren in alle Welt zu transportieren. "Gerade deshalb brauchen wir eine stabile und verlässliche Finanzierung für die betroffenen Reedereien", sagt Bartsch. Doch die könne praktisch keine andere Bank bieten, seit die Landesbank der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein ihr Engagement zurück fährt. "Die Frage ist ja vor allem, ob das Geschäft der Schiffsfinanzierung für andere Banken profitabel ist. Hier gibt es Zweifel, denn die großen Privatbanken halten sich bisher zurück", sagt Fiege. Den Privatbanken, so die Vermutung, könnte das finanzielle Risiko zu hoch sein, als dass sie in die Bresche springen würden.
Bartsch geht davon aus, dass langfristig womöglich nur ein staatliches Einspringen die betroffenen Reedereien absichern könnte, auch wenn dieses gegenwärtig politisch nicht gewollt sei. "Die ersten Gespräche für Rettungsmodelle laufen, aber eine staatliche Hilfe wird, wenn überhaupt, wahrscheinlich nur gewährt, wenn auch private Investoren einspringen", so Bartsch.
Denkbar wäre eine Art Förderprogramm: Ein privater Investor bringt eine Summe X ein, um einen Reeder zu retten, der Staat könnte dann beispielsweise dieselbe Summe dazusteuern. "Das größte Problem würde natürlich darin bestehen, den Steuerzahlern zu erklären, warum ihr Steuergeld der Privatwirtschaft zugute kommen sollte", so der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer. Es müsse aber auch geprüft werden, ob so ein staatliches Eingreifen von den Reedern gewünscht und ob es überhaupt machbar sei. Bisher werde auf politischer Ebene daher eine Lösung mit Privatinvestoren favorisiert.
Der Verlust der Feederschiffe könnte die gesamte Wirtschaft treffen
Unbestreitbar sei, dass die Reedereien nicht fallen gelassen werden könnten, dafür seien sie für die Region und die Bundeswirtschaft zu wichtig, so Bartsch. "Wenn die betroffenen Reeder ihre Feederschiffe verlieren, dann wird das vermutlich die gesamte Wirtschaft wieder in Mitleidenschaft ziehen", sagt Bartsch.
Fiege und Bartsch warnen aber auch davor, das Problem politisch zu instrumentalisieren und alle Reeder über einen Kamm zu scheren. Fiege: "Wichtig ist für die öffentliche Diskussion, dass nicht die Reeder im Allgemeinen von der Krise betroffen sind. Unternehmen, die breit aufgestellt sind und auch Tanker und Erzfrachter betreiben, sind von der aktuellen Krise weniger bis kaum betroffen."