Das Symbolträchtige im Rücktritt der Bischöfin Maria Jepsen.
Der Rücktritt der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen ist das unrühmliche Ende einer historisch einmaligen Figur. Maria Jepsen wurde 1992 als weltweit erste Frau in dieses hohe Amt der lutherischen Kirche gewählt. "Ich bin für viele ein Symbol", war ihr damals schon bewusst. Jetzt hat ihr überraschender Abgang wieder was Symbolhaftes. Denn neben ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit ist mit ihr auch die Glaubwürdigkeit all derer beschädigt, die sich im Namen der Kirche gerne aufschwingen, um mit erhobenem Zeigefinger öffentlich Moral zu predigen.
Im Fall Jepsen kommen wahrscheinlich persönliche Schuldgefühle hinzu. Mit immer neuen Einzelheiten von Tag zu Tag wurde schließlich allzu deutlich: Auch die Bischöfin ist nicht mit der Entschiedenheit, die jeder Christenmensch von ihr erwartet hätte, den sehr konkreten Hinweisen auf sexuellen Missbrauch von Jungen und Mädchen durch einen Pastor nachgegangen.
Zwar war solch laxer Umgang über Jahrzehnte die leider übliche Verfahrensart mit derlei Unappetitlichkeiten, egal ob sie in der katholischen oder evangelischen Kirche ruchbar wurden. Als oberstes Ziel galt: die eigene Kirche aus der Schusslinie halten. Doch seit bekannt ist, dass es beim Thema Missbrauch schon lange nicht mehr um wenige Ausnahmefälle geht, sind wir alle, die sich als "die" Öffentlichkeit fühlen, bei diesem Reizwort so weit sensibilisiert, dass tatsächliche Gedächtnislücken oder routinierte Verdrängungsmechanismen nicht mehr einfach hingenommen werden.
Vom Schwung der ersten Amtsjahre der Bischöfin war in ihrer 2002 für weitere zehn Jahre verlängerten Amtszeit zuletzt selten etwas zu spüren. Sie agierte gern hinter den Kulissen, suchte den Kontakt zu Randgruppen und sah sich bei ihrem 65. Geburtstag Anfang Januar schon so unabhängig, dass sie bekannte: "Wenn man selber nichts mehr erreichen muss, kann man freier die Erwartungen für andere formulieren." Auch in Zukunft will sie als "gute Dienerin in Wort und Tat" und "in der Nachfolge Jesu Christi für Gott und die Menschen da sein", sagte sie bei ihrem Rücktritt.
Dennoch hätte sie einen ehrenvolleren Abschied aus ihrem Amt verdient. Ihr Rücktritt hat vielleicht auch etwas für unsere gesamte Gesellschaft erschreckend Symbolträchtiges. Wenn der Wind von vorn kommt und es heißt, den Stürmen zu trotzen und für die eigene Sache zu kämpfen, eröffnet sich den ganz vorn Stehenden plötzlich eine merkwürdige Alternative: der Abgang von der Bühne.
Auch kein gutes Omen für unsere Zukunft.