Geschlossene Kitas, leere Büros in Ämtern, bestreikte Stadtwerke - für mehr Geld haben Tausende im Norden die Arbeit niedergelegt.

Kiel/Hamburg. Warnstreikwelle zwischen den Meeren: Mehrere tausend Beschäftigte von Bund und Kommunen haben am Dienstag in Schleswig-Holstein mit Warnstreiks höhere Gehälter verlangt. In Kiel versammelten sich 1200 Teilnehmer am Gewerkschaftshaus, in Flensburg ebenfalls mehr als 1000 am Südermarkt, in Lübeck legten rund 700 die Arbeitnehmer nieder, auch in Städten wie Elmshorn oder Rendsburg war die Resonanz größer als von den Gewerkschaften erwartet. Insgesamt nahmen in Schleswig-Holstein etwa 4000 Menschen am Warnstreik teil.

Mit Transparenten und Trillerpfeifen-Konzerten untermauerten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ihre Forderung nach 6,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 200 Euro. Stadtwerke, Krankenhäuser und Altenheime, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und Stadtverwaltungen wurden bestreikt, Kitas und Müllabfuhr auch. In Kiel blieben laut Gewerkschaft GEW 22 Kitas überwiegend ganz geschlossen. Nur 4 städtische Kitas waren gar nicht betroffen. In Flensburg wurde unter anderem das Kraftfahrtbundesamt bestreikt, in Rendsburg die Straßenreinigung. „Hier wird heute kein Papierkorb geleert“, sagte Streikleiterin Ute Dirks. „Wir wollen durch diesen Warnstreik verdeutlichen, was überhaupt öffentlicher Dienst ist, was alles dazu gehört“, sagte Verdi-Pressesprecher Frank Schischefsky. „Das ist ein ganz starkes Signal der Beschäftigten und sollte von den Arbeitgebern sehr ernst genommen werden“, meinte er zur Resonanz.

„Wir im öffentlichen Dienst sind ja nicht gerade Spitzenverdiener“, sagte Thorsten Block aus dem Kieler Bürger- und Ordnungsamt. Leere Kassen könnten kein Argument gegen höhere Einkommen sein: „Wir können ja nichts dafür, dass schlecht gewirtschaftet wurde.“ Die Beschäftigten müssten endlich spürbar mehr Geld bekommen, forderten die Teilnehmer am Warnstreik. „Es gab einige Nullrunden. Das muss ein Ende haben“, sagt Schweißer Thomas Blöcker aus dem Marinearsenal, das mit der Bundeswehrreform von Kürzungen betroffen sein wird. „Wir haben uns veräppeln lassen, dass wir auf Lohn verzichten sollen, um die Arbeitsplätze zu sichern. Nun bekommen wir doch einen Tritt in den Allerwertesten.“

Nicht nur der bloße Wunsch nach mehr Geld spielte eine Rolle: Viele empfinden es als höchst ungerecht, dass sie um bescheidene Zuwächse kämpfen müssen, während Banken Milliarden bekommen und Ex-Bundespräsident Christian Wulff nach kurzer Amtszeit den Ehrensold von rund 200 000 Euro. So ärgert es Blöcker, dass der Ehrensold eher als Kleinigkeit abgetan werde. „Der kleine Mann muss 45 Jahre arbeiten, um vollen Anspruch auf die Rente zu haben. Wenn Geld für den Präsidenten da ist, sollte es auch für uns da sein.“

Die Einkommen hätten jahrelang stagniert, sagte Arlene Depenau, die seit 30 Jahren in der Stadtbücherei arbeitet. „Wulffs Ehrensold finde ich ungerecht.“ Die ganze Altersversorgung der Politiker müsse auf den Prüfstand. „Wir müssen immer zurückstecken“, schimpfte Gärtnerin Sabine Stolina aus dem Grünflächenamt. Wulffs Bezüge spielen für ihre Beteiligung am Warnstreik aber keine Rolle: „Wenn es den Ehrensold nicht gegeben hätte, würde ich auch hier stehen“.

+++ Ver.di ruft kommunale Beschäftigte zu Streik auf +++

In Lübeck, wo Verdi 700 Teilnehmer zählte, blieben zum Beispiel im Verwaltungszentrum Mühlentor Anträge unbearbeitet. Wer in der Bürgerberatung einen Ansprechpartner suchte, musste lange warten. Jörg Wilczeck aus der Streikleitung freute sich über die große Beteiligung: „Kaffee und Brötchen im Streiklokal haben nicht gereicht.“ Betroffen waren in Lübeck auch die Stadtwerke, die Stadtreinigung, Senioreneinrichtungen und die Sana-Kliniken.

In Elmshorn trafen sich viele Beschäftigte in der Kantine der Kreisverwaltung des Kreises Pinneberg. „Dem Warnstreik-Aufruf sind mehr Menschen gefolgt, als wir gedacht haben“, sagte Ralf Schwittay von der Streikleitung. Er schätzte die Zahl auf 300. Betroffen waren in dem Kreis auch Stadtverwaltungen, Gemeinde- und Stadtwerke sowie Kliniken.

In dem Tarifkonflikt geht es um die Gehälter von zwei Millionen Beschäftigten in Deutschland. Darunter sind in Schleswig-Holstein 45 000 Mitarbeiter der Kommunen und 34 000 des Bundes. Aus Sicht der Arbeitgeber, die noch kein Angebot gemacht haben, ist die Forderung nach 6,5 Prozent mehr Geld viel zu hoch. Sie verweisen auf die Rekordverschuldung der Kommunen. Die Tarifverhandlungen gehen in der nächsten Woche weiter.

Viele Kitas in Hamburg schließen sich dem Streik an

In Hamburg unterstützen viele Kindertagesstätten die bundesweite Protestwelle. In der Kita Grasweg in Winterhude schlossen sich alle 13 Erzieher dem Warnstreik an und blieben zu Hause, ebenso die 100 Kinder. Lediglich drei Mitarbeiter vom Hauswirtschaftspersonal erschienen. In der Kita Maria-Louisen-Straße findet heute eine Notversorgung statt, dort sind bislang allerdings erst drei Kinder erschienen. (dpa/abendblatt.de)