Parteichef Olaf Scholz eint die Sozialdemokraten in der Schulpolitik und fordert sachlichere Oppositionsarbeit: “2012 gewinnen wir!“
Hamburg. Es ist noch nicht lange her, da stand Tom Jones auf dieser Bühne. Der Soulsänger wird auch "Tiger" genannt, Fans kreischten zu seinen Hüftschwüngen. Am Sonnabend war es der frische SPD-Parteichef Olaf Scholz, der im CCH krisengeschüttelte Sozialdemokraten in ersehnte Euphorie versetzte. Zwar landeten weder Blumensträuße noch rote Slips vor den Füßen des Ex-Bundesarbeitsministers, dennoch knisterte die Luft: Die SPD hat endlich ihren Tiger gefunden. Seine Botschaft auf dem Parteitag: Wenn das Oppositionsfeuer der SPD sachlicher und damit regierungsfähig werde ("Der Ton macht die Musik") und die Partei geschlossen auftrete, sei der Sieg bei den Wahlen 2012 greifbar. "Wir wollen den Bürgermeister dieser Stadt stellen", rief Scholz.
Auch wenn es niemand offen aussprach: Der Gedanke, der neue Parteichef selbst könne als Spitzenkandidat antreten, zauberte vielen Genossen ein Lächeln ins Gesicht. Zumal die SPD laut Umfrage in der Wählergunst gleichauf mit der CDU steht.
Neue Einigkeit demonstrierte die zuletzt zerrissene Partei nun in der Schulpolitik. Bei nur zwei Gegenstimmen bestätigten 284 Delegierte den zehnjährigen Schulfrieden, auf den sich die SPD mit den Fraktionen der CDU, Grünen und Linken geeinigt hatten - um geschlossen einem möglichen Volksentscheid zur Primarschule entgegenzublicken (wir berichteten). Die Resolution beinhaltet eine stufenweise Einführung der Primarschule, Erhalt des Elternwahlrechts, Abschaffung des Büchergeldes und rechtlichen Anspruch auf kleinere Klassen in sozialen Brennpunkten. "Das ist einmalig", sagte Scholz, der eine geglückte Schulreform als "sozialdemokratischen Erfolg" feierte und nicht zögerte, dieses Verdienst insgesamt auf die Flagge der SPD zu schreiben: "Kern bleibt die Stadtteilschule, mit fairen Chancen für alle auf Abitur". Scholz appellierte, dieses Konzept in "sachlichem Ton" zu verteidigen.
Nicht ohne Phantomschmerz trat Ties Rabe ans Rednerpult: Der Schulpolitiker hatte sich in den vergangenen zwei Jahren intensiv an der schwarz-grünen Reform abgearbeitet. Im angebrochenen Schulfrieden blieben Rabe am Sonnabend nur Allgemeinplätze: "Lehrer müssen für Schüler sorgen, ein bisschen so, als wenn sie ihre eigenen Kinder wären." Viel war nicht übrig von Rabes verbalem Waffenarsenal.
Wichtiger aber: Womit bestreitet die SPD den Wahlkampf, wenn die Primarschule nur von der außerparlamentarischen Opposition, FDP und die Initiative"Wir wollen lernen", attackiert wird? Fraktionschef Michael Neumann schwor auf das neue Hauptthema ein: Finanzen. Die Kostensteigerungen bei öffentlichen Bauprojekten, von der U 4 bis zur Elbphilharmonie, ließen sich in der jüngeren Vergangenheit auf 800 Millionen Euro addieren. "Das sind 1,6 Milliarden D-Mark in echtem Geld". Die SPD müsse klarstellen, dass der Senat nicht mit Geld umgehen könne. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bezeichnete Neumann als "Hamburgs Schuldenkönig". Damit kristallisiert sich die Strategie der SPD heraus; die CDU in ihrem eigenen Kompetenzgebiet anzugreifen, der Haushaltspolitik.
"Sachliche Debatte" und "konstruktive Vorschläge", diese Schlagwörter fielen immer wieder. Markus Schreiber, Leiter des Bezirksamts Mitte, brachte es unfreiwillig komisch auf den Punkt: "Es reicht nicht, wenn die anderen dumm sind. Wir müssen auch schlau sein."