Der Chef des Seeheimer Kreises soll den Putsch gesteuert haben - doch der streitet ab. Hier geht's zur Bildergalerie.
Der Streit in der Hamburger SPD über die Bundestagskandidatur für den Wahlkreis Eimsbüttel hat die Bundesebene erreicht. Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles machte gegenüber dem Abendblatt den Sprecher des parteirechten Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, dafür verantwortlich, dass der parteilinke Hamburger Bundestagsabgeordnete Niels Annen für die Bundestagswahl 2009 nicht mehr aufgestellt wurde.
"Ein Hauptverantwortlicher für die Entscheidung ist offenkundig Johannes Kahrs", so Nahles. "Er schaut erkennbar nur auf seinen persönlichen Vorteil. Er schadet damit auch dem Teil der SPD, für den er angeblich spricht. Wichtig und richtig ist ein Jahr vor einer Bundestagwahl, dass die SPD Unterschiede zur politischen Konkurrenz klarmacht und nicht die eigenen guten Leute mit fragwürdigen Methoden bekämpft." Es sei "mehr als bedauerlich, wenn ein so kompetenter Außenpolitiker wie Niels Annen nicht mehr im Bundestag vertreten sein wird", so Nahles. Björn Böhning, Sprecher der "Demokratischen Linken", forderte vom Seeheimer Kreis personelle Konsequenzen. "Wenn ihnen die Verantwortung für die Partei wichtiger ist als eigene Machtspielchen, kommen sie daran nicht vorbei", sagte Böhning dem "Tagesspiegel". Solange Kahrs dort eine herausgehobene Rolle spiele, könne es "keinerlei Kooperation mehr geben".
Kahrs, der Bundestagsabgeordneter für Mitte ist, wird auch von Teilen der Hamburger SPD unterstellt, er habe in Eimsbüttel mithilfe der für ihn arbeitenden Jusos eine Mehrheit gegen Annen organisiert. Annen war am Sonnabend überraschend mit 44 zu 45 Stimmen gegen den Juso-Chef Danial Ilkhanipour unterlegen. Ilkhanipour hatte seine Kandidatur erst bekannt gegeben, nachdem er sich klammheimlich eine Mehrheit bei den Delegiertenwahlen organisiert hatte.
Kahrs wies die Vorwürfe, er habe diesen Coup gegen seinen Intimfeind Annen organisiert, gegenüber dem Abendblatt zurück. "Ich kümmere mich schwerpunktmäßig um meinen Wahlkreis", so Kahrs. "Damit bin ich mehr als ausgelastet." Auch die Vorwürfe, er beschäftige viele Jusos, um sie ökonomisch von sich abhängig zu machen und mit ihnen die Partei zu unterwandern, wies Kahrs zurück. "Ich mache 250 Hausbesuche im Jahr, 50 Tagesfahrten und ein Dutzend Frühschoppen und Skatturniere." Dabei brauche man eben Unterstützung.
Hamburgs SPD-Chef Ingo Egloff forderte die Genossen auf, "rational" mit dem Konflikt umzugehen. Formaljuristisch sei die Wahl nicht anfechtbar. "Es war bisher aber Common Sense, dass sich die Kandidaten in den Distrikten vorstellen", so Egloff. Um Vorkommnisse wie in Eimsbüttel künftig zu verhindern, regte Egloff gegenüber dem Abendblatt eine Satzungsänderung an, nach der in Zukunft nicht mehr Delegierte, sondern Mitgliederversammlungen die Kandidaten wählen sollen.
Ex-Bürgermeister Ortwin Runde bezeichnete das Vorgehen Ilkhanipours als "hinterlistig und feige". Es widerspreche "jeglichem Verständnis von innerparteilicher Demokratie". Und weiter: "Dass Kahrs mit seinen Anhängern versucht, Distrikte in anderen Kreisen zu unterwandern, ist bekannt."
Danial Ilkhanipour setzt auf Zusammenarbeit mit dem Annen-Lager. "Ich werde auf die Leute zugehen", sagte der Bundestags-Kandidat. "Ich würde mich freuen, wenn der SPD-Kreisvorstand im Amt bleibt." Dabei schließt Ilkhanipour ausdrücklich den Kreisvorsitzenden Jan Pörksen ein. Der hatte Ilkhanipour vorgeworfen, eine "gezielte Unterwanderungskampagne" gestartet zu haben.
In der Hamburger SPD werden mehrere Szenarien als Konsequenz aus der Krise diskutiert, in die die Eimsbütteler Sozialdemokraten geraten sind. Als derzeit unwahrscheinlich gilt, dass der gesamte Kreisvorstand, der mit breiter Mehrheit Annen unterstützt hatte, seinen Rücktritt erklärt. Offen ist, ob Kreischef Pörksen persönliche Konsequenzen zieht. Parteifreunde halten ihm vor, dass er zu spät auf die Machenschaften der Jusos um Ilkhanipour reagiert habe. Als mögliche Nachfolgerin für den Fall eines Rücktritts von Pörksen galt Dorothee Stapelfeldt, die 2004 Annen im Rennen um die Bundestags-Kandidatur unterlegen war. Doch Stapelfeldt schließt ein solches Engagement aus. "Das kommt für mich nicht infrage", sagte die SPD-Politikerin dem Abendblatt.
Das dritte Szenario: Der Kreisvorstand bleibt im Amt und arbeitet mit Ilkhanipour zusammen. Diesen Weg scheint auch die Ex-Bürgerschaftspräsidentin Elisabeth Kiausch, die ein Eimsbütteler SPD-Urgestein ist, für richtig zu halten. "Beide Seiten müssen jetzt miteinander reden", sagte Kiausch. Morgen Abend kommt der SPD-Kreisvorstand zu einer Sondersitzung zusammen.