Diebsteich. Anfrage der Linken sieht neue Risiken für das Großprojekt auf dem Eisenbahngelände. 1900 geplante Wohnungen in Altona könnten später kommen
Noch vor zehn Jahren galt der Umzug des Bahnhofs Altona als Stein des Weisen: Einerseits sollte die Bahn mit dem neuen Fernbahnhof in Diebsteich gestärkt, andererseits die Mitte Altona um ein großes Baufeld erweitert werden. Als die Pläne im Dezember 2014 im Phönixsaal des Rathauses unterschrieben wurden, waren fast alle Politiker voll des Lobes. Damals ging es viel um Wohnungsbau, aber wenig um die Verkehrswende.
Ein Jahrzehnt später sieht die Lage anders aus. Die Linkspartei hält das gesamte Projekt des Bahnhofsumzugs inzwischen für falsch. „Mit dem heutigen Kenntnisstand würde man dieses Großprojekt sicher nicht mehr bauen“, sagt Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linken. Zumindest ein Regionalbahnhof in Altona würde weiterhin Sinn ergeben.
Bahnhof Altona: Neues Gesetz erschwert Entwidmung von Bahngelände
Nun hat sie den Senat befragt nach den Folgen der Verschärfung beim Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG), das eine Entwidmung von Bahngelände nur noch unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Demnach liegt der „Bahnbetriebszweck eines Grundstücks, das Betriebsanlage einer Eisenbahn ist oder auf dem sich eine Betriebsanlage einer Eisenbahn befindet, im überragenden öffentlichen Interesse und dient der Aufrechterhaltung sowie der Weiterentwicklung der Eisenbahninfrastruktur.“ Sudmann bezweifelt, dass eine Umwidmung der existierenden Eisenbahnanlage in Altona damit noch möglich sind.
Zumindest gebe es ein Risiko für das Prestigeprojekt durch die Neufassung: „Die verschärften Vorgaben für die Entwidmung der Bahnflächen werden auf jeden Fall den Zeitplan, unter anderem auch für die Bebauung der Neuen Mitte Altona II, in die Länge ziehen - theoretisch könnte auch die Entwidmung mit Blick auf die immer wieder postulierte Stärkung der Schienen versagt werden.“ Darüber befindet nicht die Bahn selbst, sondern das Eisenbahnbundesamt.
1900 geplante Wohnungen in Altona könnten sich verzögern
Der Senat rechnet mit möglichen Verzögerungen, aber nicht einem Stopp der Entwidmung. „Die erhöhten Anforderungen des AEG führen in diesem Fall zu einem erhöhten Begründungs- und Abstimmungsaufwand im Hinblick auf die Abwägung zwischen den überragenden öffentlichen Interessen des Wohnungsbaus und möglichen bahnbetrieblichen Zwecken“, heißt es in der Antwort.
Vage äußert sich der Senat zum Baubeginn für die geplanten 1900 Wohnungen. Ein Abschluss des Verfahrens nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz erwartet die Stadt für die Jahre 2029/2030. „Mit einem Baubeginn für die geplanten ca. 1900 Wohnungen und die Nord-Süd-Parkanlage der Mitte Altona ist Anfang der 2030 Jahre zu rechnen.“
Politischer Streit um den Verbindungsbahnentlastungstunnel
Ursprünglich sollte der Bahnhof schon 2023 nach Diebsteich verlegt werden, inzwischen ist dieser Umzug für 2027 geplant. Klar ist auch, dass wegen der später hinzugekommenen Planungen für einen neuen Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) das geplante Bahnhofsgebäude zunächst nur als Provisorium an den Start geht.
Diese neue Entlastungsstrecke vom Hauptbahnhof nach Altona birgt große Chancen, aber auch Risiken. Sudmann betont, dass die Machbarkeitsstudie zum Verbindungsbahn-Entlastungstunnel eine Ausführung des Tunnels vom Kaltenkircher Platz Richtung Altona (alt) in offener Bauweise vorsieht. Der nördliche Teil des Grundstücks könne die Verfügbarkeit von Grundstücken für potenziellen Wohnungsbau berühren. Dies könne erst in den konkretisierenden Planungsphasen dezidiert geprüft und aufgezeigt werden, heißt es in der Antwort auf ihre schriftliche Anfrage.
Heike Sudmann bezweifelt den pünktlichen Bahnhofsumzug nach Diebsteich
Heike Sudmann glaubt nicht daran, dass der Umzug nach Diebsteich planmäßig klappt. „Ich halte den Zeitplan für sehr optimistisch. Die Bauarbeiten scheinen nicht so richtig voranzugehen“, sagt sie und verweist zudem auf die angespannte allgemeine Finanzlage der Bahn. „Momentan ist noch nichts endgültig.“ Die Bahn hingegen hat mehrfach betont, dass der Zeitplan eingehalten wird.
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Im Bezirk sorgen die Verzögerungen durch den VET schon lange für Zündstoff. Denn nicht nur das Bahnhofsgebäude Diebsteich kommt viel später, sondern auch das Stadion für Altona 93 verschiebt sich auf 2029 und die geplante Musikhalle auf 2030. Die SPD-Fraktion kritisierte den Verkehrssenator Anjes Tjarks für die Planung, die CDU hingegen sprang dem Grünen-Politiker bei: Für die Planung trage das Bundesverkehrsministerium und nicht etwa der Hamburgische Verkehrssenator die Verantwortung.
Die Union sieht den Tunnel nur als „Ausrede“ der Fachbehörden. „Allein die Bahnhofstowers sind von der VET-Planung betroffen. Der Flächenkorridor für den VET begrenzt sich nämlich auf das Areal westlich der Music Hall und der vorhandenen Gleistrasse“, so Sven Hielscher, Fraktionsvorsitzender CDU Altona. Für Planung und Baurechtschaffung habe die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen den Hut auf.
Die Aufbruchstimmung von 2014 in Hamburg ist dahin.