Hamburg/Berlin. Malte Zierden, der auf TikTok als Tierschützer aufklärt und Studentin Amia von Arenberg schreiben über soziale Ängste. Und erreichen nicht nur Kinder.
Alles begann mit der Begeisterung für eine Hamburger Straßentaube namens Oßkar und der Freude am Malen. Daraus entstanden ist ein Kinderbuch über soziale Ängste, die oft über die Kindheit hinaus gehen, das den Umgang damit aber vielleicht ein kleines bisschen erleichtern kann.
„Malte & Oßkar und das Glück, Pech zu haben“, heißt das Werk des Hamburger Aktivisten und Tierschützers Malte Zierden, der in der Schanze wohnt und über die Social-Media-Plattform TikTok bekannt wurde, und der Berliner Biologie-Studentin Amia von Arenberg. Letztere war von der realen Freundschaft zwischen Zierden und Oßkar so begeistert, dass sie unwissend ob der Dinge, die folgen würden, einen ersten Design-Entwurf kreierte.
Laut NDR soll die erste Auflage des Buchs schon vor der Veröffentlichung ausverkauft gewesen sein. Beim Börsenblatt stieg die Lektüre sogar gleich auf Platz 1 der Bilderbuch-Bestsellerliste ein. Im Abendblatt-Gespräch erzählt das Autoren-Duo, warum das Buch eins für alle ist, und erklärt versteckte Hinweise.
Malte Zierden und Amia von Arenberg schreiben Kinderbuch über soziale Ängste
Inspiriert von Zierdens Einfallsreichtum, dem tierischen Freund ein Wohnzimmer im Fensterrahmen seiner Wohnung zu bauen, kommt von Arenberg im Winter 2022 auf „die Blitz-Idee, dass es ein Kinderbuch dazu geben müsste“. Sie veröffentlicht einen ersten Entwurf und erreicht damit über TikTok die Aufmerksamkeit des Aktivisten Aufmerksamkeit.
Wie Zierden kämpft auch von Arenberg mit sozialen Ängsten. Diese beziehen sich oft auf vermeintlich normale Alltagssituationen wie ein Konzertbesuch, eine Bestellung in der Eisdiele oder ein Vortrag in der Uni. Im Leben von Betroffenen können solche Momente allerdings Zweifel, Stress oder gar Panikattacken auslösen. Es entstehen Verhaltensmuster, die von der Außenwelt teilweise nur schwer verstanden werden.
„Malte und Oßkar und das Glück, Pech zu haben“ – ein Kinderbuch für alle
Wie ähnlich sich Malte Zierden und Amia von Arenberg sind, stellen sie bei einem ersten Besuch mit Keksen und Tee in von Arenbergs Berliner Wohnung fest. Ihre jeweiligen Empfindungen bauen sie in ihr Buch und die Geschichte des Jungen Malte ein: Malte verlässt seine Wohnung nicht. Wegen seiner Ängste nimmt er die Menschen auf der Straße als kleine Schatten war. Der Kontakt mit der Außenwelt findet für den Jungen nur durch sein Fenster und später über seinen Taubenfreund Oßkar statt.
Dieser ist es schließlich auch, der Malte dabei hilft, seinen Ängsten zu begegnen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Von Arenberg erklärt: „Mit Ängsten ist es nicht so, dass es ein Erfolgsrezept gibt, das man nutzt und dann geht es einem gut. Aber man ist eben ein bisschen näher dran.“
„Es ist auch okay, mal in den ‚Sumpf der Sorgen‘ zu fallen“
Geschrieben wurde das Buch für alle. Zum Vorlesen, aber eben auch zum Normalisieren und für das Gefühl, nicht alleine zu sein – egal in welchem Alter. „Gerade Kindern wollen wir den Mut geben, den eigenen Ängsten in die Augen zu schauen und versuchen, ihnen zu begegnen. Gleichzeitig wollen wir vermitteln, dass es aber auch okay ist, mal in den ‚Sumpf der Sorgen‘ zu fallen“, sagt Zierden.
Der Hamburger erklärt: „Wir wollten, dass es wie im wirklichen Leben ist. Du begegnest Tag für Tag, Schritt für Schritt deinen Ängsten und vielleicht wächst du über dich hinaus, aber es fühlt sich nicht wie ein Sieg an.“ Und weiter: „Das Schwierigste bei solchen Ängsten ist die Begegnung damit. Wenn du in dem Moment bist, merkst du, es ist gar nicht so schlimm. Aber dieser Schritt dahin, ist die große Hürde im Leben.“
Hamburger Oetinger-Verlag trifft mit Anfrage für Kinderbuch-Idee ins Schwarze
Das Duo wird wegen des TikTok-Beitrags in kürzester Zeit mit Anfragen überschüttet, diverse Verlage bieten ihnen über Social Media Partnerschaften an. Doch die beiden entscheiden sich dagegen, sie wollen das Buch zunächst selbst herausgeben. Erst als Zierden beim Entleeren seines überfüllten Postfachs ein persönliches Anschreiben der Hamburger Verlagsgruppe Oetinger bemerkt, schwenken die beiden um und lassen sich auf die Zusammenarbeit ein.
Bei ihrer Arbeit als Illustratorin zeigt sich von Arenberg detailverliebt. „Alles, was man dort sieht, von jedem Strich, jedem Punkt, ist von Amia“, sagt Zierden begeistert. Die persönliche Note finden aufmerksame Leserinnen und Leser auch in den bildlichen Feinheiten. Was auf den ersten Blick wie einfach nur „dazugemalt“ wirkt, wurde bis ins Kleinste sorgfältig platziert. Denn hinter jedem Detail steckt eine persönliche Geschichte. Und die können durchaus für feuchte Augen bei der Leserschaft sorgen.
Soziale Ängste: Amia von Arenberg verewigt besondere Person in Kinderbuch
Einer der wohl bedeutendsten Hinweise versteckt sich hinter dem im Buch genannten Laden „Inge und Borg“. Von den Betreibern ist auf den Seiten nichts zu sehen – die Leserschaft soll sich ihr eigenes Bild machen. So wie es auch die Illustratorin früher immer getan hat und bis heute noch tut.
Denn hinter dem Namen „Inge“, verbirgt sich Amia von Arenbergs Oma, die sie nie kennengelernt hat. „Sie hat mich trotzdem immer begleitet“, sagt sie stolz im Abendblatt-Gespräch. Vor allem in Situationen, in denen von Arenberg mit sich kämpft, weil sie auf neue Menschen trifft oder mit neuen Situationen konfrontiert wird. „Ich wusste nicht wahnsinnig viel über sie, aber in meinem Kopf war sie immer da.“
Dass ihre Großmutter ebenfalls Biologie studiert hat, stellt die Berlinerin erst später fest. Und wie es der Zufall will, wird sie gleich in ihrer ersten Vorlesung mit einem Axolotl begrüßt. Es ist das Tier, über das Oma Inge ihre Abschlussarbeit schreiben wollte. Für immer verewigt ist diese Verbindung jetzt im Buch, mit einem Namen am Türschild und einem Axolotl-Plakat an der Wand. „Ich kann sie im realen Leben zwar nicht treffen, aber hier habe ich ihr einen kleinen Ort gemalt und wenn ich will, kann ich sie hier besuchen.“
TikTok-Bekanntheit Malte Zierden erklärt Bedeutung von Taubenfreund Oßkar im Buch
Und dann gibt es ja noch die Figur „Oßkar“, die nicht nur den treuen Freund in dunklen Stunden darstellen soll, sondern eine Metaebene zu Tieren, denen über ihren schlechten Ruf hinaus oft nur wenig Beachtung geschenkt wird. „Die Angst ist so unsichtbar, wie Tauben fast unsichtbar sind in unserer Gesellschaft. Sie sind da, aber wir sehen sie nicht und nehmen sie nicht wahr.“
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Könnten sich die beiden vorstellen, im Rahmen einer Buchlesung ihren Ängsten zu stellen? Dazu sagt Zierden: „Ich für meinen Teil fühle mich für diesen Moment noch nicht bereit.“ Ganz ausschließen möchte er es aber nicht, der Rahmen muss allerdings stimmen. Von Arenberg hingegen „fände es sehr schön“, ihrer größten Angst, dem Präsentieren vor anderen, mit etwas so Positivem entgegenzuwirken.
Und wie sieht es mit einem Kindergarten-Publikum aus? „Jetzt gerade in diesem Moment hört es sich nicht so gruselig für mich an und vielleicht auch ein bisschen machbarer“, so von Arenberg. Es klingt wie das Ende ihrer gemeinsamen Geschichte: „Alles ist ein bisschen gleich und alles ist ein bisschen anders.“
„Malte & Oßkar und das Glück, Pech zu haben“ von Malte Zierden und Amia von Arenberg kostet 18 Euro.