Hamburg. Erst ersteigert, jetzt liegt „Der Anbräuner“ beim Gerichtsvollzieher. Was ein Hamburger Bauprojekt mit dieser Entwicklung zu tun hat.
Es ist das etwas skurrile Ergebnis eines langwierigen Rechtsstreits rund um das Hamburger Millionen-Projekt Bahrenfelder Carrée: Am 23. Mai wurde einem Gerichtsvollzieher in Leipzig das berühmte Gemälde „Der Anbräuner“, gemalt von Künstler Neo Rauch, als Pfand übergeben. Der Eigentümer des Bildes ist kein Geringerer als Immobilienunternehmer Christoph Gröner – in Hamburg längst kein Unbekannter mehr.
Schon 2022 hatte Gröner im Gespräch mit dem Abendblatt angekündigt, Interesse am Holsten-Areal zu haben, baute mit seiner Gröner Group AG zu dieser Zeit schon das Bahrenfelder Carrée an der Von-Sauer-Straße. Doch 2023, ein Jahr später, stagnierte das Großprojekt plötzlich, wochenlang passierte nichts.
Bahrenfelder Carrée: Arbeiten an Immobilie in Hamburg wurden plötzlich pausiert
Einen offiziellen Baustopp gab es damals nicht, sagt Mike Schlink, Sprecher des Bezirksamts Altona, auf Anfrage. Das Bezirksamt Altona habe aber zur Kenntnis genommen, dass die Arbeiten auch noch zum Jahreswechsel 2023/2024 geruht haben.
Schon im Sommer vergangenen Jahres zog die Haustechnikfirma Derlin vor Gericht, vertreten von der Hamburger Kanzlei Osgard. Nach Abendblatt-Informationen waren geforderte, nicht erbrachte Sicherheitszahlungen seitens der CG Construction, einer Tochtergesellschaft der Gröner Group, für von der Firma Derlin geleistete Arbeiten am Bahrenfelder Carrée der Kernpunkt des Rechtsstreits.
Landgericht Hamburg entschied: Baufirma muss Schadensersatz zahlen
„Bereits am 28. August 2023 war in der Sache ein Versäumnisurteil gegen die CG Construction GmbH ergangen“, sagt Marayke Frantzen, Sprecherin des Oberlandesgerichts, auf Anfrage. Das Unternehmen habe zwar Einspruch eingelegt, das Landgericht entschied Anfang des Jahres aber, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten, so Frantzen.
„In der Sache wurde die CG Construction GmbH verurteilt, einen Betrag in Höhe von rund 600.000 Euro auf ein Notaranderkonto und rund 17.000 Euro Schadensersatz an die Derlin Haustechnik GmbH zu zahlen“, sagt die Sprecherin. Da die CG Construction GmbH Berufung eingelegt hat, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Berühmtes Gemälde von Neo Rauch gepfändet – Eigentümer ist Christoph Gröner
Infolge des Beschlusses vom Landgericht Hamburg leitete die Kanzlei Osgard die vorläufige Vollstreckung gegen einen der Geschäftsführer von CG Construction ein. Als dieser in der Leipziger Zentrale nicht angetroffen werden konnte, nahm der Gerichtsvollzieher schließlich das Gemälde „Der Anbräuner“ als Pfand an sich – Privateigentum wiederum von Christoph Gröner, der nur als Aktionär an der Muttergesellschaft Gröner Group AG beteiligt und damit nicht unmittelbar von dem Urteil betroffen ist.
Auf Abendblatt-Anfrage nach einer Stellungnahme bei Christoph Gröner meldet sich sein Anwalt Ben Irle zurück. Die Vollstreckung sei durch die Hinterlegung eines Pfandes abgewendet worden, „wobei als Pfand das im Privatbesitz von Herrn Christoph Gröner befindliche Gemälde ‚Der Anbräuner‘ von Neo Rauch übergeben wurde“. Gröner habe der CG Construction GmbH das Bild freiwillig zur Verfügung gestellt, bis eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ergeht, sagt Irle.
Das Gemälde selbst zeigt einen Mann, der mit entblößtem Gesäß vor einer Staffelei sitzt und malt. In seiner Hand hält er einen Pinsel, den er hinter sich in einen Behälter mit seinen Ausscheidungen tunkt. Das Bild soll die Antwort von Künstler Neo Rauch auf eine Kritik des Kunsthistorikers Wolfgang Ullrich gewesen sein.
Gröner ersteigerte „Der Anbräuner“ bei Benefizauktion für 750.000 Euro
Laut dem Handelsblatt hatte Christoph Gröner, Unterstützer des Künstlers Rauch, das Bild 2019 für 750.000 Euro auf einer Benefizauktion ersteigert. Bei der kürzlichen Übergabe als Pfand habe der Gerichtsvollzieher einen Verkaufswert von 800.000 Euro eingetragen, mit der Einschränkung, dass der Maximalerlös bei einer Versteigerung wohl nicht erreicht werden könne.
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Offen ist nun noch, ob und wann das Gemälde zwangsversteigert wird. Moritz Lembcke, Anwalt bei der Kanzlei Osgard, befürchtet, dass das noch „viel Zeit in Anspruch nehmen wird“. Das Gemälde sei dem Gerichtsvollzieher „quasi hingeworfen worden“. Lembcke vermutet dahinter taktische Gründe: „Es ist bekannt, dass es sehr aufwendig ist, so ein Kunstwerk zu verwerten. Wahrscheinlich ist, dass noch Ansprüche auf das Bild geltend gemacht werden, weil es Herrn Gröner persönlich und nicht der CG Construction GmbH gehört.“
Prozess um Bahrenfelder Carrée: Gemälde könnte wieder freigegeben werden
Gröners Anwalt Ben Irle sagt dazu: „Es wird davon ausgegangen, dass das Urteil des Landgerichts Hamburg zugunsten des Werkdienstleisters Derlin aufgehoben und in Folge auch das als Pfand hinterlegte Kunstwerk zurückgegeben wird.“