Hamburg. Bezirk hält an Umbau der Reventlowstraße fest. Geschäftsleute der Einkaufstraße sind frustriert – auch wegen des aggressiven Tons.

Am Tag nach der denkwürdigen Sitzung im Rathaus Altona klirren im Schreibwarengeschäft an der Waitzstraße die Sektgläser. Doch das hat nun wahrlich nichts mit der Bezirksversammlung vom Donnerstag, 29. Februar, zu tun.

Denn die kam bei den Händlern gar nicht gut an, und das, obwohl eine politische Mehrheit nach hitziger Debatte für eine von den Händlern geforderte Aussetzung der Baumaßnahme in der naheliegenden Reventlowstraße in Othmarschen gestimmt hatte.

Waitzstraße: Hamburger Händler fordern Klarheit – „Erschreckend, was da abläuft“

Die Gewerbetreibenden sprechen sich für eine Verschiebung aus, weil sie Umsatzeinbußen aufgrund der zahlreichen Baustellen und einer schlechten Erreichbarkeit befürchten. Die Entscheidung war also im Sinne der Händler. Trotzdem kein Grund zu feiern. Denn das Bezirksamt hat am Donnerstag ebenfalls erneut mitgeteilt, dass man an der Maßnahme festhalte und sie umsetzen will.

„Erschreckend, was da abläuft“, sagt Arne Ehlers, Inhaber eines Buchladens und vom Papierhaus J. Harder, das am Freitag zehnjähriges Bestehen in der Waitzstraße feierte – weshalb dort mit den Kunden angestoßen wurde.

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Die Art und Weise, wie miteinander umgegangen wird, mache Ehlers Sorgen. Der Unternehmer, der auch Mitglied in der Interessengemeinschaft Waitzstraße ist, war am Donnerstagabend selbst im Rathaus Altona dabei. Er beschreibt die Stimmung sowohl unter den Zuhörern als auch bei den Bezirkspolitikern als unangenehm und aggressiv. Unversöhnlich würden sich die Lager gegenüber stehen.

„Wo ist die Kompromissbereitschaft?“, fragt auch seine Frau Nikoletta Ehlers. Zudem kritisieren sie, dass trotz Entscheidung weiterhin Unklarheit herrsche, wie es denn nun weitergeht.

Waitzstraße in Groß Flottbek: Fleischer spricht von viel Unterstützung durch Kunden

Auch beim Fleischer in der Waitzstraße ist die umstrittene Baustelle das Thema dieser Tage. „Die Kunden kommen und fragen, wie sie helfen können, wo sie unterschreiben sollen“, berichtet Chef Dirk Hübenbecker. Für viele Anwohner steht der Kampf um die 700 Meter in der Reventlowstraße, die fahrradfreundlich umgestaltet werden sollen, auch stellvertretend für den Frust in den Elbvororten über die zahlreichen Baustellen, samt Stau und Verkehrschaos.

„Bloß nicht noch eine Baustelle, sagen viele“, so Hübenbecker.

Dirk Hübenbecker betreibt in der Waitzstraße eine Fleischerei. Er ist auch Mitglieder der Interessengemeinschaft Waitzstraße und verfolgt die politische Debatte genau.
Dirk Hübenbecker betreibt in der Waitzstraße eine Fleischerei. Er ist auch Mitglieder der Interessengemeinschaft Waitzstraße und verfolgt die politische Debatte genau. © Funke | Katy Krause

Aber für die Gewerbetreibenden in der Waitzstraße ging es um mehr: „Es geht ums Überleben.“ Da könne man sich doch nicht über den Willen so vieler und eine politische Mehrheit hinwegsetzen. „Oder ist das die neue Demokratie? Mehrfach abstimmen lassen, und wenn das Ergebnis nicht passt, dann einfach darüber hinwegsetzen“, fragt sich der Innungsobermeister.

Händler in der Waitzstraße sprechen sich für Kompromiss aus

Die hitzige Diskussion gibt auch Apotheker Heiko Seemann sehr zu denken. Seit rund 30 Jahren betreibt er in der Waitzstraße sein Geschäft. Er beobachtet, dass die Zündschnur der Leute kürzer geworden ist. Statt kurz innezuhalten, über Dinge eine Nacht zu schlafen, würden Diskussionen sofort hochkochen. „Dadurch eskaliert es“, sagt Seemann, der sich ebenfalls mehr Kompromissbereitschaft wünscht.

Heiko Seemann betreibt seit 30 Jahren eine Apotheke in der Waitzstraße und wünscht sich mehr Gelassenheit und Kompromissbereitschaft in der ganzen Diskussion.
Heiko Seemann betreibt seit 30 Jahren eine Apotheke in der Waitzstraße und wünscht sich mehr Gelassenheit und Kompromissbereitschaft in der ganzen Diskussion. © Funke | Katy Krause

Baustellen-Frust: Händler wollen Umbau der Reventlowstraße um ein Jahr verschieben

Wie diese aussehen könnte? „Es würde uns schon helfen, wenn die Baustelle in der Reventlowstraße bis zum Abschluss der Bauarbeiten an der Fernwärmetrasse in der Parkstraße verschoben wird“, sagt Andreas Frank von der IG Waitzstraße. Das soll nach derzeitigem Stand der Planung Mitte kommenden Jahres sein. Also eine Verschiebung um ein Jahr.

Ob man noch einmal an den Verhandlungstisch zurückkehren kann, um über eine Lösung zu reden, scheint nach den schweren Vorwürfen und den verhärteten Fronten, die sich innerhalb der politischen Lager sowie Teilen der Bezirkspolitik und dem Bezirksamt am Donnerstag auftaten, aber fraglich.