Hamburg. Bewohner der Anlage Friedrich-Ebert-Hof leben seit Jahren mit Lärm und Dreck – und fürchten hohe Mieten. Wie die Saga reagiert.

  • Bewohner des Friedrich-Ebert-Hofs führen Leben auf Dauerbaustelle
  • Bauarbeiten sollten bis Ende 2022 dauern – doch es wird weitergebaut
  • Unbenutzbare Flächen und eine Mietpreiserhöhung in Aussicht; wie die Saga jetzt reagiert

Der Friedrich-Ebert-Hof in Hamburg-Ottensen ist ein denkmalgeschütztes Quartier aus den 1920er-Jahren – mit 289 Wohnungen und 13 Gewerbeeinheiten. Die Mieter können die Innenhöfe mit Spielplätzen gemeinschaftlich nutzen. Doch seit mehr als dreieinhalb Jahren ist das Wunschdenken. Im August 2020 hat die Saga, das größte kommunale Wohnungsunternehmen Deutschlands, Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten sowie Mieterhöhungen angekündigt – seit Herbst 2020 sind die Bauarbeiten im Gange.

Die Bewohner des Rotklinkerbaus zwischen Friedensallee, Griegstraße und Otawiweg leben seit Jahren auf einer Baustelle, kämpfen mit Lärm und Staub. In der Wohnanlage werden die Fassaden erneuert, Keller und Dächer energetisch gedämmt, Fenster ausgetauscht sowie Balkone erneuert. Aufgrund der starken Belastungen durch die Arbeiten haben mehrere Bewohner eine Mieterinitiative gegründet.

Hamburg-Ottensen: Bauarbeiten sollten bis Ende 2022 dauern – doch es wird weitergebaut

Die Wohnanlage in Ottensen ist laut Saga-Ankündigungsschreiben in drei Bauabschnitte à zwölf Monate gegliedert. So sollte demnach nach Beginn des ersten Abschnitts im Oktober 2020 zeitversetzt im Frühjahr 2021 der zweite und ein Jahr später der dritte Abschnitt erfolgen. „Die gesamten Arbeiten werden voraussichtlich bis Ende 2022 andauern“, hieß es.

Doch die Bauarbeiten laufen noch immer. „Leider ist das sogar fast die Regel, dass solche Baumaßnahmen sich verzögern. Aber hier ist es wirklich ein besonders starker Fall“, sagt Lukas Bowen, Rechtsanwalt im Mieterverein zu Hamburg.

Mieter im Friedrich-Ebert-Hof in Ottensen klagen über Leben auf Dauerbaustelle

Auch die Einteilung in verschiedene Bauabschnitte ergebe wenig Sinn: „Vor allem Mieterinnen und Mieter, die im Zentrum der Wohnanlage wohnen, sind seit Tag eins betroffen und dem Lärm ausgesetzt“, sagt Anwalt Bowen, der rund 60 Bewohner aus dem Friedrich-Ebert-Hof vertritt. Sarah S. aus der Mieterinitiative lebt seit Baubeginn mit Lärm, Containern und Baustellenstrahlern vor ihren Fenstern – und das, obwohl sich ihre Wohnung in Bauabschnitt zwei befindet.

Laut Mieterinitiative laufen Bauarbeiten parallel. Mieter seien demnach immer wieder Lärm und Schmutz ausgesetzt.
Laut Mieterinitiative laufen Bauarbeiten parallel. Mieter seien demnach immer wieder Lärm und Schmutz ausgesetzt. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Laut Mieterinitiative laufen die Bauarbeiten parallel. „Es ist wie ein Déjà-vu – der Zustand ist wie vor zwei Jahren“, sagt Mitglied Judith L., die seit 17 Jahren in der Wohnanlage lebt. Neben ihrer Wohnung wird das Treppenhaus nachträglich renoviert. Heißt: erneut Bauarbeiten vor den Fenstern, Lärm und Staub. „Ich frage mich, warum das nicht gleich mitgemacht wurde?“

Die Saga begründet dies mit der „aufwendigen Fassadengestaltung“ und „komplexen Bauabläufen“. Das führe zu geplanten und unvermeidbaren Stillstandszeiten in einigen Bereichen, so Saga-Sprecher Michael Ahrens.

Saga: Bewohner der Siedlung können laut ihrem Anwalt die Miete mindern

Die Mieter können laut Bowen in dieser Konsequenz nur die Miete mindern. „Das Vorgehen der Saga ist ein gutes Beispiel dafür, dass man das aktiv einfordern und die Miete kürzen muss“, sagt Bowen. Und: „Die Mieter sollten alles dokumentieren, weil die Saga auf eine sehr intransparente Art und Weise mit den Minderungsansprüchen umgeht.“

Die Saga kündigte im Sommer 2020 Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an. Seitdem leben die Bewohner auf einer Dauerbaustelle.
Die Saga kündigte im Sommer 2020 Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an. Seitdem leben die Bewohner auf einer Dauerbaustelle. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

So schickte die Saga laut Anwalt Bowen Minderungsbeträge an die Mieter pro Bauabschnitt. „Und das, obwohl auch die Mieter in dem anderen Bauabschnitt schon von Baulärm betroffen waren“, so Bowen. Die Saga habe Briefe mit einem Euro-Betrag verschickt – ohne eine Berechnungsgrundlage oder einen Zeitraum zu nennen. „Die Mieter werden also einseitig mit einem ‚Betrag X‘ konfrontiert, ohne dass inhaltlich auf die vorgenommenen Minderungen oder gar die in Einzelfällen besonders heftigen Beeinträchtigungen eingegangen würde“, sagt Bowen.

Auch soll die Saga laut Mietern und Bowen Minderung teilweise als Mietrückstand angemahnt haben. „Das ist tatsächlich so passiert, ist leider gängige Praxis bei vielen Verwaltungen“, so Bowen, der die Saga mehrmals aufgefordert hat, diese Mahnpraxis zu unterlassen. Die Saga weist die Vorwürfe zurück. Anträge auf Mietminderung prüfe das Unternehmen im Einzelfall und fortlaufend, so Sprecher Ahrens.

Die meisten der vertretenen Bewohner mindern laut Bowen bereits aktiv die Miete. „Da die Saga nur Stück für Stück Minderungen akzeptiert, sind aber auch in diesen Fällen die Minderungen noch nicht abschließend geklärt“, so Bowen.

Friedrich-Ebert-Hof in Ottensen: Modernisierungskosten kann die Saga auf Mieter umlegen

Die Instandsetzung und Modernisierung des Rotklinkerbaus kostet mehr als 25 Millionen Euro. Davon entfallen knapp acht Millionen Euro auf Modernisierungen – diese Kosten können auf die Mieter umgelegt werden. Insgesamt plant das Wohnungsbauunternehmen deshalb eine gestaffelte Mieterhöhung von 2,99 Euro pro Quadratmeter.

Die Saga steht für sozial gerechten Wohnraum, die Mieter zahlen bislang verhältnismäßig wenig – rund acht Euro pro Quadratmeter. Durch die angekündigten Erhöhungen soll sich das nach den Renovierungsarbeiten schrittweise bis in die 2030er-Jahre ändern. Wer für eine 50 Quadratmeter große Wohnung derzeit noch 400 Euro zahlt, wird am Ende rund 150 Euro pro Monat mehr bezahlen müssen.

„Die Saga geht sozialverträglich vor, trotzdem lassen die sozial geförderten Modernisierungsmaßnahmen Mieten in die Höhe schnellen“, sagt Bowen. Wer nicht in der Lage sei, eine teurere Miete zu zahlen, müsse das auch nicht, so der Rechtsanwalt. „Auf diesen Härteeinwand hätte die Saga auch in ihrem Ankündigungsschreiben hinweisen müssen“, sagt er. Diesen können Mieter nun auch noch unabhängig von der gesetzlichen Frist geltend machen.

Saga Hamburg: Mieterhöhungen bereiten vielen Mietern im Friedrich-Ebert-Hof Sorge

Trotzdem bereitet die Erhöhung vielen Mietern große Sorgen. „Sie ist zwar gestaffelt, aber die Saga legt das Maximale fest“, heißt es von der Mieterinitiative. Laut Saga-Sprecher schöpft das Unternehmen beim Friedrich-Ebert-Hof die gesetzlichen Möglichkeiten nicht voll aus, sondern streckt die Erhöhungsbeträge über einen Zeitraum von zehn Jahren. „Ziel ist es, dass die Wohnungen trotz der hohen Investitionen bezahlbar bleiben“, sagt Ahrens.

Dennoch haben viele Mieter nicht das Gefühl, dass die Wohnungen anschließend aufgewertet seien. So seien die Balkone nach Aussage der Mieter durch die nachträglich angebrachte Dämmung deutlich kleiner geworden, teilweise seien sie falsch gegossen, sodass sich Wasser in der Mitte sammele, in einigen Fällen wurden niedrigere Balkontüren mit einer Höhe von 1,8 Metern verbaut. Heizungen seien nicht unter den Fenstern angebracht worden.

Ottensen: Mieter kritisieren mangelnde Kommunikation vonseiten der Saga

Die Mieter und Mieterinnen kritisieren zudem die Informationsbereitstellung der Saga. „Wir wissen nicht, wann was passiert und wann was fertig ist“, klagt Sarah S., die seit 14 Jahren im Friedrich-Ebert-Hof lebt. Für das 25 Millionen Euro schwere Projekt habe die Saga keinen direkten Ansprechpartner. „Meistens erhalten wir die Informationen direkt von den Bauarbeitern und nicht von der Saga.“

Die Saga selbst verweist auf ihre Geschäftsstelle Altona, den Hauswart vor Ort und die monatliche Mietersprechstunde.

Fassaden des Friedrich-Ebert-Hofs in Ottensen sind laut Mieterinitiative jahrelang in Gerüste gehüllt, die Innenhöfe schon lange nicht mehr nutzbar.
Fassaden des Friedrich-Ebert-Hofs in Ottensen sind laut Mieterinitiative jahrelang in Gerüste gehüllt, die Innenhöfe schon lange nicht mehr nutzbar. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Arbeiten in den Wohnungen oder Balkon- und Kellerräumungen seien teilweise nur wenige Tage vorher angekündigt worden. Viele Häuser sind laut Mieterinitiative jahrelang in Gerüste gehüllt – und das, obwohl sie teilweise gar nicht mehr in Benutzung seien. Der Innenhof sei seit Jahren nicht nutzbar, überall liegen Baumaterialien und Müll herum. Für die Gestaltung der neuen Grünanlagen sollten die Mieter eigentlich mit einbezogen werden, doch Fehlanzeige.

Saga-Dauerbaustelle: Mieterinitiative klagt über Bauschäden nach der Modernisierung

Durch die Bauarbeiten im Friedrich-Ebert-Hof kommt es laut Mieterinnen auch immer wieder zu Schäden in den Wohnungen: Risse in Wänden, Löcher in Decken, undichte Heizungen, Wasserschäden, Schimmel und fehlendes Warmwasser. „Wer in einem Monat eine besondere Beeinträchtigung hatte, weil die Heizung nicht ging, man nicht warm duschen konnte oder der Putz von den Decken abfällt, hat noch mal einen höheren Mietminderungsanspruch“, sagt Bowen.

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Wasserschäden in den Kellern begründet die Saga mit „noch ausstehenden Abdichtungsarbeiten“, die voraussichtlich Ende dieses Jahres abgeschlossen seien. Laut Ahrens soll auch das Schimmelpilzrisiko nach abgeschlossener Modernisierung und sachgerechtem Nutzerverhalten ausgeschlossen sein.

Saga sei „sehr wohl bewusst“, dass die Baustelle „hochkomplex und anspruchsvoll ist“

Die Mieter und Mieterinnen fürchten auch um ihre Gesundheit. „Zu Beginn wurde der Schutt einfach von den Dächern geschmissen“, berichtet eine Bewohnerin. Erst durch Druck der Initiative wurde nachträglich ein Schutz an die Gerüste vor den Hauseingängen angebracht. Mehrmals seien vor allem ältere Menschen über herumliegende Kabel gestürzt. Einmal konnte ein Krankenwagen nicht in den Hof fahren, weil der Zugang durch Absperrungen verschmälert wurde.

Alle Beteiligten auf der Baustelle seien an gesetzliche Sicherheitsvorgaben gebunden, so Ahrens. Diese seien durch einen externen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator geprüft.

„Wir möchten abschließend unterstreichen, dass der Saga sehr wohl bewusst ist, dass die Baustelle Friedrich-Ebert-Hof hochkomplex und anspruchsvoll ist. Wir haben deswegen Verständnis dafür, dass die betroffenen Mieterinnen und Mieter mit den daraus resultierenden Umständen teilweise unzufrieden sind“, sagt Ahrens.

Hamburg-Ottensen: Mieter können wohl erst 2025 ohne Bauarbeiten in der Anlage wohnen

Die Mieterinitiative fordert von der Saga mehr Transparenz, Mitgestaltung an den neuen Hof-Außenanlagen und die Zurücknahme der angekündigten Mieterhöhung. „Die fehlende Berücksichtigung der hier lebenden Mieterschaft muss ein Ende haben“, verlangt die Initiative.

Wann die Mieter wieder wie gewohnt im denkmalgeschützten Quartier wohnen können, ist noch ungewiss. Die Saga rechnet damit, dass die Hauptarbeiten bis Ende 2024 andauern – zwei Jahre später also als ursprünglich geplant. „Die Arbeiten an den Außenanlagen werden sich ins Jahr 2025 erstrecken“, sagt Ahrens.