Hamburg. Peter Uyttenbroek verkleidet Dachkanten und Balkone. Selbst nach 260.000 verarbeiteten Metern Material will er nicht aufhören.

Das „Uy“ in Peter Uyttenbroeks Nachnamen ist durchaus berechtigt. Denn der 80-Jährige aus Bergstedt ist immer noch berufstätig. Und es ist kein Schreibtischjob, den er noch täglich ausübt, sondern Knochenarbeit.

Seit mehr als 40 Jahren werkelt der Hamburger Handwerksmeister in meist schwindelerregender Höhe auf Dächern und Balkonen und verkleidet ihre Kanten mit Alu-Profilen. Meistens auf Knien und immer nah am Abgrund. Derzeit in Ottensen.

Handwerk: 80-Jähriger arbeitet auf Hamburgs Dächern, ein Knochenjob

260.000 Meter Profilbleche habe er insgesamt schon verarbeitet, sagt Uyttenbroek, der in Sasel geboren und aufgewachsen ist. Das sei ein Gesamtgewicht von 800 Tonnen.

Und weil er jedes bis zu fünf Meter lange Profil dreimal anfasse – beim Abnehmen von der Palette, beim Tragen an den Dachrand und beim Klemmen auf die Unterkonstruktion – habe er in den vergangenen fünf Jahrzehnten insgesamt sogar 2400 Tonnen getragen.

Ottensen: 80-Jähriger bringt an 205 Balkonbrüstungen Alu-Profile an

Gerade klettert Uyttenbroek von einem Baugerüst auf den Balkon eines Backsteingebäudes. Wie die Nachbarhäuser hier am Friedrich-Ebert-Hof in Ottensen ist es denkmalgeschützt und im Besitz der Saga. Im Rahmen einer Fassadensanierung werden auch die Balkonbrüstungen neu verkleidet – das ist Uyttenbroeks Job.

171 Balkone sind schon erledigt, 34 hat er noch vor sich. „Eigentlich soll alles zum Jahresende fertig sein“, sagt er. Aber es gebe Lieferprobleme bei den Verblendklinkern. Und erst, wenn diese von den Fassadensanierern angebracht worden sind, kann er seine Arbeit beenden.

Arbeiten in 40 Meter Höhe mit dem Oberkörper über der Dachkante

Leerlauf hat Uyttenbroek dadurch nicht, denn er hat noch zwei weitere Baustellen. Eine davon, in Schnelsen, sei ungewöhnlich. „Der Kunde möchte goldfarbene Blenden an Dach und Balkonen.“ Es folgt ein Exkurs über die drei Beschaffenheiten von Profilen: naturblank (werde mit der Zeit matter), eloxiert (durch einen chemischen Vorgang erhalte das Blech Farbtöne zwischen Silber und Dunkelbronze) sowie kunststoffbeschichtet und einbrennlackiert (in jedem RAL-Farbton erhältlich).

Das neue Montblanc-Haus in Hamburg – an diesem Gebäude hat Peter Uyttenbroek mitgearbeitet.
Das neue Montblanc-Haus in Hamburg – an diesem Gebäude hat Peter Uyttenbroek mitgearbeitet. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Beim Dach des neuen Montblanc-Hauses in Lurup hat er etwa schwarze Profile verwendet. Zu anderen spektakulären Gebäuden in seinem Portfolio gehören die Hochhäuser eines Versicherungsunternehmens in der City Nord und in Nürnberg – dort hing er in mehr als 40 Meter Höhe (14 Stockwerke) mit dem Oberkörper über der Dachkante –, das Lighthouse Hotel in Büsum mit seinem gerundeten Treppenaufgang oder das Luxuspenthouse am Harvestehuder Weg, an dem er mit Alsterblick arbeitete.

„Die wenigsten jungen Leute wollen heute noch handwerklich arbeiten“

„Ich kenne Hamburg von oben besser als von unten“, sagt Uyttenbroek. In jedem Stadtteil sei er mehrfach aktiv gewesen, mit insgesamt mehr als 2000 Baustellen. In seiner Hochphase habe er zwölf Baustellen gleichzeitig betreut – als Einmannbetrieb, wohlgemerkt. Nur manchmal hätten ihm Studenten beim Transport geholfen. Und seine Frau Renate schreibe Angebote und Rechnungen.

Einen Nachfolger hat er nicht. Mit seinem beruflichen Rückzug sterbe also das Wissen und das Know-how aus, das er sich in seiner langen Selbstständigkeit erworben habe, sagt Uyttenbroek bedauernd. „Die wenigsten jungen Leute wollen heute noch handwerklich arbeiten.“ Auch die Tugenden, die ein Handwerker haben müsse – darunter Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Kreativität, Zuverlässigkeit, Versiertheit („und gutes Aussehen“, sagt er lachend) –, verlören immer mehr an Bedeutung.

Handwerker Uyttenbroek verdiente sich Taschengeld bei Boxer Hein ten Hoff

Wie wichtig Werte und Tugenden sind, habe man in seiner Generation früh gelernt. Er selber stellte schon als Zehnjähriger im gegenüber liegenden Restaurant des Hamburger Boxers Hein ten Hoff an der Saseler Chaussee (in das später der Chinese Shin Shin einzog) Kegel auf, um sich ein kleines Taschengeld zu verdienen. Oder half auf den Bauernhöfen in der Umgebung bei der Ernte.

Der 80-jährige Peter Uyttenbroek ist in Sasel geboren und aufgewachsen, aber lebt seit mehr als 50 Jahren in Bergstedt.
Der 80-jährige Peter Uyttenbroek ist in Sasel geboren und aufgewachsen, aber lebt seit mehr als 50 Jahren in Bergstedt. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Uyttenbroeks leiblicher Vater ging kurz nach seiner Geburt nach Holland zurück, seine Mutter musste arbeiten. „Ich stand früh auf eigenen Beinen, und das war sicher der Motor für meine Zielstrebigkeit“, sagt der Handwerksmeister. Nachdem er die Volksschule (das heutige Saselhaus) nach neun Jahren verlassen hatte, machte er bei einem Baubetrieb am Grindelberg eine Lehre als Karosseriebauer, stand noch am Schmiedefeuer und arbeitete dort anschließend mehrere Jahre.

Mit seiner Frau Renate sah er die Beatles und die Rolling Stones auf dem Kiez

Als 23-Jähriger baute er das Haus in Bergstedt, in dem er heute noch lebt – mit seiner Frau, die er damals geheiratet hatte. Wenn er von ihren ersten Jahren erzählt, gerät er ins Schwärmen. „Kennenlernt haben wir uns auf dem Kiez, wo damals viel Livemusik gespielt wurde.“ Sie sahen die Beatles, die Rolling Stones, die Rattles und Bill Haley. „Das waren tolle Zeiten, als die Welle des Rock ‘n‘ Rolls nach Hamburg schwappte – und die vielen Kinos auf dem Kiez zu Diskotheken wie dem Top Ten oder dem Star-Club wurden.“

1970 beschloss er, sich weiterzubilden, studierte drei Semester an der Technikerschule und legte 1972 seine Meisterprüfung in Karosseriebau ab. 1982, nach einer weiteren Zusatzprüfung, machte er sich selbstständig. Vor nicht allzu langer Zeit verlieh ihm die Handwerkskammer Hamburg den goldenen Meisterbrief.

Beim TSV Sasel ist Uyttenbroek nach 70 Jahren Ehrenmitglied geworden

Auch eine Ehrenmitgliedschaft nach 70 Jahren im TSV Sasel hat er erhalten. Denn neben seinem Beruf erzielte der Hamburger auch im Sport beachtliche Erfolge: Tennis spielte er in der ersten Regionalliga, Fußball in der höchsten Amateurklasse, und beim Golfen (2. Bundesliga) schaffte er ein Handicap von 9,0.

Uyttenbroek beschreibt sich als „diszipliniert und ehrgeizig“ – und das ist wohl auch der Grund, warum er trotz einiger Arbeitsunfälle (darunter ein Trümmerbruch des rechten Mittelfingers und zwei gebrochene Fersen) immer noch arbeitet. „Ich habe die Fitness eines sportlichen 67-Jährigen“, sagt der Hamburger. Das körperliche Arbeiten an der frischen Luft wirke Wunder.

Wissen, handwerkliche Fähigkeiten und Handwerkertugenden als Berater vermitteln

Aber mit 80 Jahren müsse er so langsam mal ans Aufhören denken. Das habe er seiner Frau und seiner Tochter versprochen. Vielleicht werde er künftig ja nicht mehr täglich auf Dächern und Balkonen arbeiten. So wie heute in Ottensen, bei lausiger Kälte. Aber er könnte sein Wissen, seine handwerklichen Fähigkeiten und die Tugenden eines Handwerkers als Berater vermitteln. Aber dafür, sagt er lachend, brauche er noch die Zustimmung seiner Frau.