Hamburg. Rund-um-die-Uhr im Einsatz: Polizei geht gegen Parksünder in Seitenstraßen vor. Frust in den Elbvororten bei Autofahrern wächst.
Wer sich dieser Tage mit dem Auto durch die Elbvororte bewegt, braucht starke Nerven. Es gibt zahlreiche Baustellen beispielsweise in Groß Flottbek durch den langwierigen Bau der Fernwärmeleitung sowie weitere auch noch geplante Straßensperrungen wie in Othmarschen mit dem umstrittenen Umbau der Reventlowstraße zur Veloroute.
Zur Rushhour staut sich der Verkehr auch in den Nebenstraßen, die dem nicht gewachsen sind. Hinzu kommt ein weiteres Phänomen, dass derzeit für Unmut auch bei betroffenen Anwohnern sorgt: In vielen dieser Straßen wird plötzlich anders geparkt. Grund dafür: Die Polizei Hamburg geht verstärkt gegen Falschparker vor und verteilt zahlreiche Knöllchen – sogar um Mitternacht am Wochenende.
Verkehr Hamburg: Knöllchen sorgen für Parkplatz-Frust in den Elbvororten
Um 0.30 Uhr beobachteten Anwohner in der Caprivistraße in Blankenese zwei Polizisten dabei, wie sie in der Nacht zu Sonnabend Strafzettel in der Wohnstraße verteilten. Die betroffenen Autofahrer hatten mit zwei Rädern auf dem Gehweg geparkt. Das ist hier nicht erlaubt. Laut den Anwohnern allerdings jahrzehntelang gelebte Praxis, da die Gehwege breit und die Straße nur sehr schmal sei. Stelle man sich mit dem Auto komplett auf die Straße, könne auf gegenüberliegenden Seite kein Fahrzeug stehen. Dadurch fielen zahlreiche Abstellmöglichkeiten weg.
Warum die mitternächtliche Aktion? Gab es einen Vorfall? Das fragen sich die Anwohner. Nein, einen konkreten Anlass gab es an diesem Abend nicht, wie Polizeipressesprecher Thilo Marxsen auf Anfrage erklärt. Es sei vielmehr ein ruhiger Dienstabend gewesen und die Kollegen hätten freie Kapazitäten gehabt. „Das Parken auf dem Gehweg ist hier nicht erlaubt, es stellt eine Ordnungswidrigkeit dar“, so Marxsen und mit Blick auf die Uhrzeit erklärt er. „Das gilt rund um die Uhr.“
S-Bahn Blankenese: Beschwerden über Pendler sollen Beweggrund sein
Es war auch nicht nur die Caprivistraße betroffen, sondern es wurden auch weitere Seitenstraße im Umfeld kontrolliert. Grund: „Es gibt immer mal wieder Beschwerden von Anwohnern im Bereich des S-Bahnhofs Blankenese aufgrund der Parkplatzsituation.“ Anlass seien hier abgestellte Autos von Pendlern aus dem Umland, die in die Bahn umsteigen. Fraglich bleibt, ob Pendler nun gerade an einem Sonnabend um 0.30 Uhr dort parken.
Anderer Stadtteil, gleiches Phänomen: „Seit Jahrzehnten wurde es immer toleriert, dass die Fahrzeuge hier halb auf dem Gehweg und halb auf der Straße parken“, berichtet Nele Gyllensvärd. Ihre Familie lebt seit 13 Jahren in der Cranachstraße in Groß Flottbek. Doch plötzlich nach den Sommerferien habe die Polizei unangekündigt und unbegründet angefangen, die hier parkenden Anwohner abzuzetteln. „Es gab Tickets ohne Ende“, sagt Gyllensvärd. Auch in der Hölderlinstraße, Grabenstücken, Baron-Voght-Straße, Adickesstraße oder Von-Thünen-Straße wurden Strafzettel verteilt.
Groß Flottbek: Anwohner beobachten heikle Szenen nach Polizei-Kontrollen
Die Folge: Die Fahrzeuge stehen nun auf der Straße, was die Fahrbahn deutlich schmaler macht. „Der Gehweg ist doch breit genug, und jetzt ist es so eng, dass hier kaum ein Rettungswagen oder die Feuerwehr durchkommt“, kritisiert Gyllensvärd. Und ihre Nachbarin Hilke Dargel ergänzt: „Wenn man aus seiner eigenen Einfahrt tritt, muss man jetzt sehr aufpassen, weil es so gefährlich geworden ist.“
Immer wieder beobachteten die Anwohner heikle Szenen, weil Autofahrer auf die Bürgersteige ausweichen oder in Einfahrten als sich auftuende Lücken preschen würden. Das sei so nicht tragbar, finden die Nachbarn, die sich auch an die Bezirkspolitik gewandt haben. Bislang ohne Erfolg.
Polizei Hamburg: Seit Sommer gab es mehrere Hinweise und Beschwerden
Die Polizei Hamburg bestätigt auf Abendblatt-Anfrage, dass bei den genannten Straßen „gezielt Angestellte der Polizei zur Verkehrsüberwachung eingesetzt und Ordnungswidrigkeitenanzeigen gefertigt wurden“. Über die Zahl der Knöllchen kann der Sprecher keine Auskunft geben, aber zum Anlass. „Das zuständige Polizeikommissariat 25 hat seit Sommer letzten Jahres mehrere Hinweise und einige Beschwerden erhalten, bei denen die Petenten zum Beispiel das Parken vor ihren Grundstücksausfahrten monierten“, teilt Sprecher Thilo Marxsen mit.
Ursächlich hierfür könnten die veränderten Parksituationen im Zusammenhang mit einer vorherrschenden Baustellensituation im Umfeld und einem damit eingeschränkten Parkplatzangebot sein. Seitens der Polizei wurden die genannten Straßen aus diesem Grund überprüft. Hierbei wurden Parkverstöße festgestellt, die die allgemeine Verkehrssicherheit beeinträchtigten und nicht dem beschriebenen „Parkkonzept“ entsprächen. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Bereich der Hölderlinstraße, da dies ein frequentierter Schulweg ist. Die Anwohner in den betroffenen Bereichen seien zunächst mit Flyern informiert worden, erst nach einer Karenzzeit wären dann festgestellte Verstößen geahndet worden.
Othmarschen-Flottbek: Bürgerverein spricht von „Kampagne“ zur Unzeit
„Natürlich können private Pkw nicht einfach die Bürgersteige als Parkflächen nutzen. Richtigerweise wird das von der Polizei verfolgt, aber warum genau jetzt?“, fragt sich Lorenz Flemming. Den Vorsitzenden des Bürgervereins Flottbek-Othmarschen haben zahlreiche Beschwerden in diesem Zusammenhang erreicht. Er kann den Frust und die Verärgerung in den Elbvororten gut nachvollziehen. Zusätzlich zur Belastung mit den Baustellen nun solch eine „Kampagne“ – wie er es nennt – zu starten, sei unverständlich und bürgerfern.
„Es gibt Fußwege, die breit genug sind, um auch Pkw, wenigstens mit zwei Rädern, aufzunehmen“, sagt Flemming, der sich auch jahrzehntelang in der Altonaer Bezirkspolitik engagiert hat. Hier müsse die Verwaltung nur die rechtlichen Voraussetzungen schaffen und Schilder aufstellen. Der Vorsitzende des Bürgervereins hatte daher angeregt, Entlastung zu verschaffen, wo es wie in der Baron-Voght-Straße zwischen Hemmingstedter Weg und Papenkamp möglich wäre.
Verkehr Hamburg: Parkplätze an der Reventlowstraße mit Findlingen versperrt
Ursprünglich sollte über diesen Vorstoß gemeinsam im Verkehrsausschuss des Bezirks gesprochen werden. Doch dazu kam es nicht. Der Bürgerverein sagte die Teilnahme ab. Der Grund: Findlinge, die plötzlich auf dem Bürgersteig an der Reventlowstraße nahe der Waitzstraße auftauchten. Diese Poller belegen laut Flemming mehr als 20 bislang legale Parkmöglichkeiten, die vor allem von Bahn-Pendlern genutzt wurden.
„Wir denken nicht, dass es sinnvoll ist, mit der Bezirksversammlung oder ihrem Ausschuss über Verbesserungen bei dem Abstellen von Pkw in unseren Stadtteilen zu sprechen, wenn gleichzeitig Fakten geschaffen werden, die dem eindeutig entgegenstehen“, erklärt Flemming, der ankündigt, dass der Bürgerverein sich aber weiter dem Thema annehmen werde. Denn es bewege die Gemüter vor Ort sehr.
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Das stellt auch Katarina Blume, stellvertretende Landesvorsitzende der FDP in Hamburg und Abgeordnete aus dem Bezirk Altona, fest: „Die Elbvororte sind zu einem verkehrspolitischen Pulverfass geworden.“ Die Belastung und das Frustpotenzial der Anwohner sei aufgrund der vielen langjährigen Baustellen bereits hoch. „Es ist mir daher vollkommen unverständlich, warum nun mit verschärften Sanktionen die Lage noch schlimmer gemacht wird. Ich bin fassungslos“, so Blume.
Verkehr Hamburg: Opposition kritisiert Parkplatzabbau und fordert kreative Lösungen
Auch die CDU in Hamburg wird nicht müde, immer wieder das Thema Verkehr in den Fokus zu nehmen. Richard Seelmaecker, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sagte zuletzt in einer Mitteilung: „Die Parkplatzvernichtungskampagne des grünen Verkehrssenators ist ein absoluter Skandal und einer der Hauptgründe für das Verkehrschaos auf Hamburgs Straßen.“
Seine Anfragen hätten gezeigt, dass in dieser Legislaturperiode 4000 Parkplätze alleine durch Umbaumaßnahmen in Hamburg abgebaut worden seien. Hinzu kämen unzählige weitere nicht nutzbare Parkplätze durch Baustellen und andere temporäre Beschränkungen. Das führe zu mehr Suchverkehr und Umweltbelastungen. Die CDU fordert, kreative Entlastungsmöglichkeiten zum Beispiel durch die Nutzung von Supermarkt-Parkplätzen in den Nachtstunden zu finden.