Hamburg. Nach jahrelangem Streit um Gewerbeensemble in Altona ist eine Lösung in Sicht. Wie es weitergeht – und was Fettes Brot planen.

Hellgelbe Fassaden, alter Industriecharme, der knallgrüne Schriftzug „Viva la Bernie“ an den Wänden. Der laut Künstlern wie der Hip-Hop-Band Fettes Brot„schönste Hinterhof“ Hamburgs gerät wieder einmal in den Fokus. Nach Jahren des Konflikts allerdings dieses Mal mit einer einvernehmlichen Lösung: Die aktuellen Eigentümer bieten die Immobilie in Altona der Johann-Daniel-Lawaetz-Stiftung zum Kauf an.

Anschließend soll der Hof den Nutzern gegen Zahlung einer Erbpacht dauerhaft überlassen werden. Es wurde ein Kaufpreis von 8,5 Millionen Euro vereinbart, hieß es am Montag auf einem Pressetermin, zu dem auch Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) und Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) gekommen waren.

Hamburg-Altona: „Viva la Bernie“ – jetzt werden Spenden gesammelt

Letzterer führt zwar heute ein Ressort, das nicht unmittelbar mit dem Thema befasst ist. Doch als Fraktionsvorsitzender der grünen Bürgerschaftsfraktion war Tjarks lange mit dem schwelenden Konflikt um das Ensemble an der Bernstorffstraße 117 beschäftigt.

Die Stiftung will die Summe durch Spenden und Sozialkredite zusammenbekommen, es ist ein Fundraising unter anderem im Quartier geplant, weitere Hilfe soll durch Privatleute und Mäzene kommen. Durch die Bestandsmieten soll der Kaufpreis dann über einen langen Zeitraum refinanziert werden.

Viva la Bernie: Seit 35 Jahren arbeiten hier rund 110 Handwerker und Künstler

Bisher liegen die Mieten nach Angaben der Nutzer bei durchschnittlich etwa 9 Euro pro Quadratmeter. Nach der Transaktion rechnen sie mit einer Erhöhung der Kosten um etwa 20 Prozent, rechnete Ralf Gauger, Sprecher der Hofgemeinschaft, in der seit 35 Jahren rund 110 Handwerker und Künstler zusammenleben, vor.

Aber nicht nur das: Wo die Kreativen, darunter auch Rocko Schamoni und Heinz Strunk, arbeiten und auftreten, soll auch in Zukunft nicht der Markt entscheiden, sondern die Gemeinschaft. Denn hier, an solchen Orten der Stadt, könne Kreativität gelebt werden, mit der sich Hamburg oft rühme, nicht nur in Hochglanzagenturen, sagen die Betroffenen, die dabei auch an weitere Objekte wie die zerfallende Schilleroper oder die vor dem Abriss stehende Sternbrücke denken.

Finanzsenator Dressel: Viva la Bernie ist eine Bereicherung für die Stadt

Auch Dressel sprach von einer Bereicherung für Hamburg. Ein Erwerb durch die Stadt sei zwar geprüft, aber dann verworfen worden, vor allem aus finanziellen Gründen, sagte der Finanzsenator.

Schon seit Jahren kämpfen Künstler und Kreative um ihren knapp 5000 Quadratmeter großen Hinterhof in der Bernstorffstraße. Sie fordern, den Ort, der früher, als Pferde die Straßenbahnen zogen, als Depot für die Altonaer Ringbahn gebaut wurde, „spekulationsbefreit“ und bezahlbar nutzen zu können, für Handwerk, Kultur und Wohnen.

2017 hatten allerdings Investoren aus Berlin das Ensemble in Altona erworben. Durch den nun gefundenen Kompromiss soll die Hofgemeinschaft längerfristig erhalten bleiben.

Hofgemeinschaft hatte versucht, das Ensemble in Altona zu kaufen

Als die Investoren aus Berlin das Ensemble an der Grenze zu St. Pauli übernommen hatten, waren sie nach eigenen Angaben nicht darüber informiert, dass die Hofgemeinschaft zuvor versucht hatte, selbst Eigentümer zu werden und die Gebäude zu kaufen. In der Folge gab es Konflikte. Denn die Nutzer hatten über Jahre viel investiert, insbesondere die Handwerker unter den Mietern hatten in Eigenleistung Sanierungsarbeiten durchgeführt, um die Gebäude zu erhalten.

Frust und Enttäuschung waren die Folge, als vor sechs Jahren der neue Eigentümer präsentiert wurde, der nach und nach frei werdende Flächen wieder an den Markt bringen wollte. Denn auf diese Weise wäre die Gemeinschaft auf dem Areal über kurz oder lang zerbrochen.

Viva La Bernie: Prominente kämpften für den Hof und die Gemeinschaft

Zwischenzeitlich hatten die Nutzer sieben Millionen Euro zusammengebracht, um die Immobilien zu kaufen, doch aus dem Erwerb des nach Angaben der Mieter zuvor für sechs Millionen Euro verkauften Ensembles wurde nichts. Es gab Empörung und Ernüchterung, bei den Betroffenen in dem Hof, aber auch in der Hamburger Gesellschaft.

Prominente kämpften für die Gemeinschaft, auch Schauspielerin Maria Ketikidou vom „Großstadtrevier“ meldete sich zu Wort, fragte, was ist gerecht?

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Seitdem gab es immer wieder neue Lösungsansätze. Doch vieles wurde schnell wieder verworfen.

Hof in Altona: Kompromiss mit Einschalten der Stiftung greifbar

Mit dem Einschalten der Stiftung, die 1986 von der Stadt Hamburg gegründet wurde, um in herausfordernden sozialen Konstellationen zwischen der politisch-administrativen Ebene und den betroffenen Personen und Projekten vor Ort zu vermitteln, scheint jetzt ein Kompromiss greifbar. „Ich freue mich, dass Eigentümer und Mieter im jahrelangen Austausch darauf hingewirkt haben, diesen wichtigen Ort, der über die Grenzen Hamburgs hinauswirkt, zu erhalten“, sagte Tjarks.

Die Investoren aus Berlin, Christoph Reschke und Alexander Möll, wünschten dem Projekt, nachdem „leider über den für die Mietergemeinschaft überraschenden Verkauf gegenseitiges Misstrauen entstanden war“, nun viel Erfolg: „Wir gehen davon aus, dass die bezahlbaren Mieten erhalten bleiben – wie auch der günstige Wohnraum. Der Stiftung und dem Hof wünschen wir für das Fundraising eine breite Unterstützung der Hamburgerinnen und Hamburger.“

Fundraising: Geld soll durch Aktionen zusammenkommen

Nun hoffen die Handwerksbetriebe, die Musik- und Tanzstudios, die Grafiker und Heilpraktiker auf dem Gelände darauf, dass genug Geld zusammenkommt. Auch die Band Fettes Brot will Aktionen starten, um die Finanzierung des lange von ihr genutzten Hofs zu ermöglichen. Damit soll das Areal nicht nur für die jetzige, sondern auch für „kommende Generationen erhalten werden“, hofft Martin Vandreier von Fettes Brot.

Zur Finanzierung gab die Stiftung am Montag noch weitere Details bekannt: So wird diese ein unabhängiges Gutachten zur Feststellung des Verkehrswerts der Liegenschaft beauftragen. Maximal in Höhe dieses Werts wird die Stiftung einen Kredit aufnehmen, der dann durch die Bestandsmieten refinanziert werden soll. Die Differenz zum Kaufpreis muss als Eigenanteil durch Privatkredite zu günstigen Zinsen, durch Spender und Mäzene aufgebracht werden.

Altona: Erste Benefizaktion für den Kreativhof Viva la Bernie geplant

Für den Kauf des Künstler-, Handwerk- und Wohntreffs wird zudem schon bald im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg getrommelt: In wenigen Tagen steigt eine Benefiz-Auktion zur Rettung des Hofs in dem Museum gegenüber des Hauptbahnhofs. Im Spiegelsaal wird dort am 7. Dezember Kunst versteigert, Interessierte können live und online mitbieten.

Zwischen 18 und 21 Uhr werden Werke etwa von Daniel Richter, Rosemarie Trockel oder Andreas Gursky angeboten, „die Einnahmen gehen direkt in die Rettung unseres Hofs Viva la Bernie“, heißt es von den Veranstaltern. Die Plätze im Museum seien begrenzt, wer mitbieten wolle, reserviere am besten einen der Plätze unter auktion@vivalabernie.de per Mail.