Hamburg/Berlin. Wem gehört die Stadt? Investoren, die auf ihren Profit schauen oder den Menschen, die das Viertel mit Leben füllen?

Schon von weitem begrüßt ein knallgrünes Schild mit schwarzen Buchstaben die Besucher: „Viva la Bernie - da lang!“. Durch eine Einfahrt - links und rechts stehen ein paar schrottreife Wagen - gelangt man auf den Künstlerhof an der Bernstorffstraße 117 im Hamburger Stadtteil Altona-Altstadt. Hier, direkt an der Grenze zum Stadtteil St. Pauli, leben und arbeiten seit 35 Jahren rund 110 Handwerker und Künstler, darunter auch Rocko Schamoni und die Hip-Hop-Band Fettes Brot.

Seit ein Investor aus Berlin das Gelände gekauft hat, ist es jedoch mit der Idylle vorbei: Die Gemeinschaft der Mieter fürchtet, langfristig durch Mieterhöhungen vertrieben zu werden. Dagegen formiert sich kreativer Protest - zuletzt begeisterte ein Solidaritätskonzert mit Jan Delay, Samy Deluxe und Fettes Brot.

„Mit diesem Hof hängen ein Haufen Lebensentwürfe zusammen. Das ist ja nicht nur ein Gebäude, sondern Leben, die darin stecken“, sagt Björn Warns alias Björn Beton von der Hip-Hop-Band Fettes Brot. Seit 2004 hat die Band („Jein“, „An Tagen wie diesen“) ihr Studio, ihr Lager und ihr Büro in dem mehr als 100 Jahre alten Hinterhof.

Hofgemeinschaft will für ihr Idyll kämpfen

„Wir fühlen uns hier wohl und wollen gerne hier bleiben“, ergänzt Boris Lauterbach alias König Boris. Zu der Hofgemeinschaft gehören Dachdecker, Tischler und Automechaniker ebenso wie Grafikdesigner, Filmproduzenten und Musiker. „Es lässt sich schwer in Wert bemessen, was hier geleistet und für die Gemeinschaft getan wird“, sagt Martin Vandreier alias Doktor Renz.

Auch im Elbpark nahe Övelgönne sind die „Bernie“-Flyer zu finden.
Auch im Elbpark nahe Övelgönne sind die „Bernie“-Flyer zu finden. © HA | Ha

Die Hofgemeinschaft will für ihr Idyll kämpfen und hat bereits Erfolge vorzuweisen: So erklärte das Bezirksamt Altona den Hof zum „städtebaulichen Erhaltungsgebiet“, d.h. der Hof kann nicht abgerissen und neu bebaut werden. „Wir können eigentlich nirgendwohin ausweichen. Wir wohnen hier, wir arbeiten hier. Für das Handwerk gibt es überhaupt keine Möglichkeiten mehr, im Innenstadtbereich irgendetwas zu finden“, sagt Hof-Sprecher Ralf Gauger. Aber die Hofgemeinschaft will mehr: Sie will den Hof zurückkaufen.

Sieben Millionen Euro haben die Mieter bereits

Dafür haben die Mieter bereits sieben Millionen Euro über Darlehen und Kredite zusammenbekommen. Doch die Investoren Christoph Reschke und Alexander Möll wollen nicht verkaufen. Sie bieten der Hofgemeinschaft einen Mietvertrag über eine Laufzeit von 25 Jahren zu Mieten deutlich unterhalb des ortsüblichen Niveaus und ein Vorkaufsrecht. „Ein kurzfristiger Verkauf der Immobilie an die Mieter ist derzeit weiterhin nicht gewollt“, teilte Berater Matthias Onken im Auftrag der Eigentümer mit.

Im Moment laufen vertrauliche Gespräche im Hintergrund - während die Zahl der Unterstützer wächst. Auf der Facebookseite von „Viva la Bernie“ fordern Künstler wie Rocko Schamoni, Fatih Akin und Schorsch Kamerun einen Erhalt des Hofes. „Ich finde es als visueller Chronist dieser Stadt eine Schande, dass historisch wichtige Gebäude, die etwas über die Stadt erzählen, nach und nach verschwinden“, sagt Akin, der seinen aktuellen Film „Zum Goldenen Handschuh“ in Hamburg gedreht hat.

„Das Thema ist: Wem gehört die Stadt?“

Das sehen die Musiker von Fettes Brot ähnlich. „Das Thema ist: Wem gehört die Stadt? Das spitzt sich ja immer mehr zu an allen Ecken. Es gibt kaum noch Wohnraum, der bezahlbar ist. Die Frage ist doch: Was passiert mit einer Stadt, wenn das so weiter geht?“, fragt Boris Lauterbach. Björn Warns freut sich, dass mittlerweile auch viele Politiker das Thema erkannt haben und hofft auf „gangbare Wege, das nicht allein dem Kapital zu überlassen, ohne dass man dadurch gleich in die Planwirtschaft abrutscht“.

Dafür könnte „Viva la Bernie“ Symbolcharakter haben: „Ich glaube, dass wir jetzt schon für andere Projekte Inspiration sind und Leuten Mut machen. Viva la Bernie gibt es immer noch und die sind drauf und dran, das Unmögliche zu schaffen und den Hof tatsächlich zu kaufen. D.h. man ist vielleicht gar nicht so ohnmächtig, wie man sich manchmal vorkommt“, meint Vandreier.