Hamburg. Mysteriöser Brummton nervt Menschen in Altona seit Wochen – auch für das Bezirksamt ein Rätsel. So helfen sich Anwohner nun selbst.
Hauke Hinz hat in der vergangenen Nacht mit offenen Zimmertüren geschlafen. Wieso? Er testet eine neue Strategie gegen das lästige Brummen in Altona. Dank der offenen Türen verlaufe sich der Ton vielleicht etwas besser in der Wohnung – diesen Tipp hatte er im Internet bekommen.
Bereits seit einem Monat ist ein ruhiger Schlaf in Hinz’ Nachbarschaft in Ottensen nämlich eher die Ausnahme. Schuld daran ist der tieffrequente Brummton, der die Menschen in Altona in den Wahnsinn treibt.
Woher das nervtötende Geräusch kommt, ist weiterhin unklar. Auch das Bezirksamt hat keine Idee, woher es stammen könnte. Jetzt spüren die Anwohner dem Brummton auf eigene Faust nach.
Mysteriöser Brummton in Altona: Es brummt nun dauerhaft
Seit Wochen tritt das nicht lokalisierbare Brummen auf, vornehmlich in Ottensen. Wie Anwohner Hauke Hinz berichtet, habe sich der Ton, der zuvor phasenweise aufgetreten war, mittlerweile sogar in ein Dauerbrummen verwandelt. Mit Worten wie „Folter“ und „Psychoterror“ beschreibt er das akustische Phänomen.
Online haben sich in den vergangenen Wochen mehr als 300 Betroffene zusammengefunden und sich über ihr Leiden ausgetauscht. Was die meisten Geplagten gemeinsam haben: Sie wohnen im Erdgeschoss oder Hochparterre, erzählt Hinz.
„Es muss also irgendwas im Erdboden sein, das das Geräusch macht – aber es muss etwas Massives sein“, vermutet er.
Brummton in Altona soll mit Messgeräten genauer untersucht werden
Sieben Menschen beschwerten sich bislang beim Bezirksamt Altona, teilt dessen Sprecher Mike Schlink mit. All jenen Bürgerinnen und Bürgern seien Lärmpegelmessungen angeboten worden.
In mehreren Fällen habe es darauf allerdings keine Rückmeldungen gegeben, so Schlink. In der Wohnung von Hinz soll der Ton in der kommenden Woche mit Messgeräten festgestellt und genauer untersucht werden.
Die Messung durch das Bezirksamt ist deshalb so relevant, weil das Amt nur gegen den Betreiber einer Anlage vorgehen kann, die das Brummgeräusch verursacht, wenn ein bestimmter Lärmrichtwert für die Brummtöne überschritten ist.
Dieser liegt in der Regel bei 20 Dezibel. Außerdem müsse „das Merkmal für das Vorhandensein tieffrequenter Geräusche erfüllt sein“, äußerte das Bezirksamt kürzlich gegenüber dem Abendblatt.
Bezirksamt hält zentrales Brummen für unwahrscheinlich
Zuletzt teilte das Bezirksamt mit, dass es „in einem Industriestandort wie Hamburg diverse mögliche Ursachen für Brummgeräusche“ gebe und eine zentrale Quelle für den Ton unwahrscheinlich sei. Die Tatsache, dass sich in der Angelegenheit so viele Altonaer online vernetzen, spricht eine andere Sprache.
„In einem Fall wurde bereits eine Lärmmessung vor Ort durchgeführt“, berichtet Schlink. Bei dieser Messung sei herausgekommen, dass vermutlich eine Heizungsanlage in einem Nebenraum der Übeltäter ist. „Dies wäre dann allerdings nur eine Erklärung für diesen einen speziellen Fall“, so der Bezirksamtssprecher.
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Brummton in Altona: Nachbarn wollen Geräusch künstlich nachahmen
Weil ihnen das Bezirksamt bislang kaum weiterhelfen kann, nehmen die Nachbarn nun eigene Ermittlungen auf. Hinz war nun schon bei sieben anderen Betroffenen vor Ort, um das Geräusch in deren Wohnungen zu inspizieren. Zudem hat sich online ein Herr bei ihm gemeldet, der „mehr Ahnung von der Materie“ hat, erzählt Hinz. Mit ihm gemeinsam will er dem mysteriösen Ton nun genauer auf den Grund gehen.
„Er hat sich einige Sachen angelernt und Messgeräte zugelegt. Jetzt will er den Ton künstlich nachkonstruieren“, erzählt der lärmgeplagte Ottensener. Mit dem künstlichen Ton wollen sie beim Bezirksamt vorstellig werden, um den Beamten genaue Daten – etwa Frequenzbereiche – präsentieren zu können, damit die Ursache schneller gefunden werde.
Deutsche Bahn schließt S-Bahnhof Diebsteich als Brummton-Quelle aus
Im Internet, etwa in Nachbarschafts-Netzwerken wie nebenan.de, ist das Brummton-Thema ein Dauerbrenner. Neben den krudesten und nicht immer ernst gemeinten Verschwörungstheorien – der Bau geheimer Tunnel, Außerirdische, Spionage seitens Russland, den USA, China oder sonst wem – wird auch regelmäßig die Deutsche Bahn als Verursacherin des Geräuschs in Betracht gezogen.
Einige Altonaer bringen das Geräusch etwa mit bauvorbereitenden Bohrungen im Bereich des künftigen S-Bahnhofs Diebsteich in Zusammenhang. Die Deutsche Bahn allerdings bestreitet die Vorwürfe. „Wir können ausschließen, dass das beschriebene Geräusch im Zusammenhang mit der Verlegung des Bahnhofs Hamburg-Altona steht“, teilt eine Sprecherin der Bahn mit. Es sei keine Geräuschquelle lokalisierbar.
Brummton in Altona: In anderen Fällen waren Baustellen die Ursache
„Zum einem liegt die Baumaßnahme knapp eineinhalb Kilometer vom Bahnhof Hamburg-Altona entfernt. Zum anderen finden die Arbeiten in der Regel in Tagschichten von Montag bis Freitag statt. Darüber hinaus ist das Geräusch wohl erstmals im Jahr 2001 aufgetreten, also deutlich vor Baubeginn am Diebsteich“, so die Bahn-Sprecherin.
Andererseits: In vergangenen Brummton-Fällen der Jahre 2001, 2009 und 2018 waren neben Heizungsanlagen und Pumpengeräuschen auch Baustellen für die Geräusche verantwortlich. „Wir werden das Thema im Projektteam nochmals prüfen“, teilte die Deutsche Bahn weiter mit.
Und Hauke Hinz? Der schläft mit offenen Türen, übertüncht den Ton mit „White Noise“-Rauschen aus seinem Bluetooth-Lautsprecher oder ist auf der Suche nach gänzlich neuen Anti-Brumm-Strategien, die ihm trotz des mysteriösen Geräuschs einen ruhigen Schlaf ermöglichen.