Hamburg. In Altona verkauft Claire Hung ein exotisches Getränk aus Taiwan. Wie grüne Insekten für einen einzigartigen Geschmack sorgen.
Noch so ein neuer Hype? Dieses Mal Tee, der von Käfern angeknabbert wird und deshalb für eine besondere Tea Time sorgen soll. Was sich skurril anhört, ist in Asien schon länger bekannt, doch bei uns noch ungewohnt. Das soll sich jetzt ändern.
Denn die Unternehmerin Claire Huei-Lin Hung hat den exotischen schwarzen Tee namens Leafhopper aus ihrer Heimat Taiwan nach Hamburg geholt und möchte ihn europaweit bekannt machen.
Hamburg-Altona: Dieser besondere Tee wird von Käfern angeknabbert
Und tatsächlich: Eine Kostprobe dieses Getränkes begeistert – jedenfalls, wenn man ohnehin Teeliebhaber ist. Der Tee ist einerseits kräftig, andererseits ist da eine süße Honignote – er wird ohne Zucker und ohne Milch getrunken. Auf jeden Fall ist er anders.
Im Mini-Kaufhaus ‘s Fachl Hamburg an der Bahrenfelder Straße in Ottensen verkauft Frau Hung ihren Tee, damit Menschen ihn probieren können. Ansonsten läuft der Handel online.
Käfer-Tee: In Taiwan ist das besondere Getränk schon länger bekannt
Die Taiwanesin weiß natürlich, worauf es bei einer Verkostung ankommt. „Ich bin mit der Teekultur in Taiwan aufgewachsen“, erzählt sie. „Denn Taiwan, das ist nicht nur ein Hightech-Land. 70 Prozent des Landes bestehen aus Hochgebirge – ideal zum Teeanbau.“
Der Tee wächst unter idealen Wetterbedingungen im Hochgebirge der Insel Taiwan, auch bekannt als Formosa – neben Hamburg die zweite Heimat der 48-Jährigen. Neben den üblichen Tee-Nationen China oder Indien ist nämlich auch der kleine Inselstaat Taiwan in Asien bekannt für Teeanbau – nur nicht in Europa. Noch nicht.
Frau Hung serviert den Tee in stilvollen Miniatur-Porzellanschälchen – allein das beeindruckt schon. Dazu reicht sie ein kleines Mürbeteiggebäck mit gekochter Ananas. Die Kombination aus Käfer-Tee und Süß-Saurem hat es in sich und schmeckt. „Das ist sehr traditionell und aus Taiwan“, sagt Frau Hung, die seit fast 20 Jahren mit Mann und Tochter Liv in Altona lebt.
Leafhopper heißt ihr Start-up, das sie im Sommer 2019 gegründet und dafür ihren sicheren Job in der Halbleiterindustrie aufgegeben hat. Ausschlaggebend war ein Heimatbesuch im Februar 2019 zum chinesischen Neujahrsfest.
Grüne Käferchen knabbern an den Tee-Blättern und sorgen für Aroma
Claire Hung besuchte eine Teeplantage, von der ihr Bruder schwärmte. Dort traf sie einen Bauern, der zuvor erkannt hatte, dass die vermeintlichen Schädlinge auf seinen Teeblättern in Wahrheit das Produkt verbessern. Die kleinen grünen Käfer sind die sogenannten Leafhopper, sie knabbern die Pflanze an. „Diese Käfer gibt es in einigen asiatischen Ländern, aber vor allem in Taiwan“, so Hung.
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„Der Bergbauer hat den Tee einfach mal probiert und gemerkt, dass der "bug-bitten" Tee eine Honigsüße hat und gut schmeckt“, erzählt sie weiter. "Bug-bitten" Tee bedeutet frei übersetzt: von Käfern angeknabberter Tee.
Käfer-Tee: Insekten setzen chemischen Prozess in Gang
So funktioniert die Arbeit der Käfer: Die Insekten knabbern die Teeblätter an. Das ist dann vor allem ein optisches Problem. Sorge, dass man einen Käfer mittrinkt, muss man keine haben. Denn die Insekten bleiben beim Teepflücken in den Sommermonaten nicht auf den Blättern.
Solange sie aber daran knabbern, setzen sie einen natürlich-chemischen Prozess in Gang – und zwar am besten bei schwarzem Tee. Dadurch versucht die Pflanze, ihre Blätter vor den Käfern zu schützen. Eine Geruchsprobe an den Käfer-Tee-Blättern im Ottenser ‘s Fachl ist übrigens ein wenig enttäuschend. So gut er schmeckt, so wenig duftet er. Er riecht einfach nach gar nichts.
Ursprünglich wurden diese angeknabberten Blätter weggeworfen, bis der Bergbauer seine Zufallsentdeckung machte. Alles nur Marketing und Einbildung? „Nein“, sagt Frau Hung, „Forscher haben das schon vor 20 Jahren bestätigt.“
Weil die Käfer empfindlich sind und nur dort leben, wo es keine Pestizide gibt, hat der Tee des Hamburger Start-ups Bio-Qualität.
Tee aus Altona kann auch kalt serviert werden
Eine weitere positive Eigenschaft des Tees: Er kann auch kalt serviert werden. Dafür lässt man die Teeblätter sechs bis 12 Stunden im Kühlschrank in kaltem Wasser ziehen. Durch diese Cold-Brew-Methode schmeckt er nicht so bitter und enthält weniger Koffein.
Klar gab es Zweifler, die der zierlichen Geschäftsfrau den Online-Teehandel nicht zutrauten. Aber Hung kann hartnäckig sein und gegen Widerstände angehen. Das hat die studierte Politikwissenschaftlerin, die später in einen Ingenieursstudiengang wechselte, bereits in ihrem früheren Berufsleben in der Halbleiterindustrie lernen müssen – einer reinen Männer-Domäne.
„Da war ich eine Frau mit Migrationshintergrund zwischen 34 Männern und dann auch noch die einzige Frau überhaupt.“ Und diese Männer waren nicht immer nett zu ihr und haben sie zunächst nicht ernst genommen. Hung musste sich den Respekt ihrer ehemaligen Kollegen hart erkämpfen. Und sie hat es geschafft.
Hamburg-Altona: Von hier aus geht der besondere Tee nach ganz Europa
Nun kämpft sie vor allem dafür, dass Tee aus Taiwan bekannter wird. Sie bekommt den bereits umweltfreundlich verpackten Tee per Schiff vom Bauern ihres Vertrauens aus Taiwan geliefert und vertreibt ihn europaweit über Amazon. Ihr Ziel: „Mein Tee soll so gemütlich sein wie ein indischer Darjeeling, aber für Taiwan stehen.“
Sie ist ohnehin überzeugt: „Ich habe den besten Tee der Welt.“ Kunden in dem Ottenser Mini-Kaufhaus würden das regelmäßig bestätigen. Dort gibt es einmal im Monat eine feste Verkostung für alle, die den von Käfern angeknabberten Tee probieren möchten. Infos dazu unter www.leafhoppertee.de.