Der Einkaufscenter-Spezialist ECE kauft 45.000 Quadratmeter von der Holsten-Brauerei. Areal gehört zu umfangreichsten Neubaugebieten der Stadt.
Altona. Im Verhandlungspoker zwischen Stadt und Grundeigentümern der Neuen Mitte Altona hat sich jetzt eine neue Konstellation ergeben. Der in Hamburg ansässige Shopping-Center-Riese ECE hat von der Brauerei Holsten ein etwa 45.000 Quadratmeter großes Grundstück des Areals gekauft, das nach der HafenCity zu den umfangreichsten Neubaugebieten der Stadt gehören wird. "Das wird unser bisher größtes Wohnungsbauprojekt", bestätigte Unternehmenssprecher Christian Stamerjohanns den Kauf.
Mit anderen Partnern aus der lokalen Baubranche hatte ECE bereits ein 16.000 Quadratmeter großes Grundstück im Plangebiet der Neuen Mitte erworben - dort sollen ebenfalls Wohnungen gebaut werden. Für die Holsten-Fläche hatte ECE sich zunächst eine Kaufoption gesichert, die bis zu diesem Wochenende befristet war. Lange gab es Spekulationen, ob ECE noch vom Kauf zurücktritt - oder die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Auch soll es Medienberichten zufolge Versuche der Holsten-Mutter Carlsberg gegeben haben, den Kaufpreis noch einmal hochzuschrauben. Er soll bei etwa zwölf Millionen Euro liegen, wie die "Immobilien Zeitung" mutmaßt.
+++ Streit um Gutachten +++
+++ Wird Altonas Neue Mitte nur eine kleine Mitte? +++
Kein schlechter Preis, wenn man bedenkt, dass der entsprechend für rund 300 Euro erworbene Quadratmeter Baugrund laut Gutachtern als Wohngebiet bei 800 Euro liegen könnte. Allerdings müssen sich die Eigentümer und Investoren der Neuen Mitte an Kosten für Schulen, Parks, Straßen und ähnlichen Dingen beteiligen beziehungsweise Flächen dafür hergeben, die sie dann nicht bebauen können.
In den beiden Bauabschnitten auf dem alten Bahngelände im Herzen Altonas können etwa 3500 Wohnungen gebaut werden, davon rund 1600 im ersten Teil an der Harkortstraße südlich eines alten Eisenbahnviadukts. Dort ist die ECE nun mit rund 60 000 Quadratmetern einer der Hauptakteure. Einen ähnlich großen Flächenanteil im ersten Abschnitt besitzt noch die ehemalige Immobilientochter der Bahn, die Aurelis, die heute dem Baukonzern Hochtief und dem Finanzunternehmen Redwood Grove gehört.
Der zweite Bauabschnitt ist von einer Verlegung des Altonaer Fernbahnhofs zur nahen S-Bahn-Station Diebsteich abhängig. Dazu gibt es zur Verärgerung örtlicher Politiker aber immer noch keinen verlässlichen Vorstandsbeschluss der Deutschen Bahn.
Mit einer sogenannten Eckpunktevereinbarung hatten sich die Stadt und die Eigentümer bereits im Juli 2010 auf wesentliche Grundzüge der Bebauung geeinigt. So will die Stadt dort beispielsweise durchsetzen, dass höchstens ein Drittel der Wohnungen Eigentumswohnungen sein dürfen. Miet- und auch Sozialwohnungen sollen dort ebenfalls zu großen Teilen auf den Markt kommen. Auch Verabredungen zur Kostenbeteiligung bei der Erschließung wurden in dem von Oberbaudirektor Jörn Walter unterzeichneten Papier genannt. Ursprünglich war diese Eckpunktevereinbarung ebenfalls auf den 30. Juni dieses Jahres befristet. "Wir haben uns nun auf eine Verlängerung ohne Frist geeinigt, die die Eckpunkte in den Grundzügen bestätigt", sagt Harald Hempen, Aurelis-Regionalleiter.
Tatsächlich dürfte sich das Projekt Neue Mitte schon jetzt reichlich verzögert haben - denn eigentlich war für Ende 2012 bereits einmal ein Baubeginn von Walter avisiert worden. Jetzt will die Bürgerschaft erst nach der Sommerpause über den Masterplan entscheiden. Engagierte Bürger und ein umfangreiches Beteiligungsverfahren mit verschiedenen Gremien haben aber immer wieder neue Inforunden notwendig gemacht. Doch noch mehr hat auch das Verhandlungspoker zwischen Eigentümer und Stadt und unter den Eigentümern zu längerer Planzeit geführt, vermuten Beteiligte. "Gerade die ECE versucht in dieser Situation, gegenüber der Stadt und den anderen Eigentümern ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen", schreibt die "Immobilien Zeitung" und beruft sich dabei auf nicht genannte Insider.
Man kann sich eben leicht vorstellen, dass städtische Forderungen für einen großen Park und ähnliche Dinge an den Renditeerwartungen nagen. Besonders die Forderung nach einem Schulneubau hat da wohl manchen Manager genervt. Aber auch selbst um den Bau einer 70 000 Euro teuren Bushaltestelle soll intensiv gerungen worden sein. "Die geben die Kosten in ihre Exceltabellen ein und verhandeln dann weiter", so ein Politiker. Allerdings ist die Verhandlungsposition der Stadt bei der Neuen Mitte stärker als anderswo. Denn das Gebiet ist von der Stadt zuvor zu einer Art Sonderplangebiet nach Paragraf 165 des Baugesetzbuches erklärt worden. Auf eine Kurzform gebracht bedeutet dies einen genormten Verhandlungsablauf. Die Stadt legt ihre Ziele fest - etwa den Schulbau oder die Anzahl der Sozialwohnungen. Mit städtebaulichen Verträgen müssen die Eigentümer diesen Zielen zustimmen.
Kommt keine solche vertragliche Einigung zustande, kann die Stadt von einem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, wobei der Grundstückspreis sich nach Gutachterwert berechnet. Anschließend plant sie dann selbst - was aus Sicht von Anwohnervertretungen der bessere Weg wäre, weil er Spekulationsgewinne ausschließen könnte.
Derzeit ermittelt die Stadtentwicklungsbehörde die Kosten für eine Entwicklung des Brachlandes zu einem funktionierenden Wohngebiet. Der Preis, der sich daraus ergibt, soll dann Basis für weitere Verhandlungen sein, heißt es bei der Behörde auf Anfrage. Ziel sei aber ein städtebaulicher Vertrag mit den Eigentümern. Mit anderen Worten: Selbst ins Immobiliengeschäft einzusteigen - das traut sich die Stadt offenbar trotz der zähen Verhandlungen nicht. Noch nicht.