Käsehändler Bruno Blockus erfüllt die Regeln - und wird trotzdem abgemahnt. Die Gastronomen in Altona planen jetzt ein Bürgerbegehren.

Hamburg. Bruno Blockus hat eine Sorge - und die ist 30 Zentimeter groß. So groß ist die Differenz zwischen der alten und neuen Begrenzung des Bürgersteigs die dazu führt, dass der Besitzer des Käseladens am Schulterblatt um seine Existenz bangen muss.

Seit Jahren stellt der 62-Jährige im Frühjahr zwei Reihen mit Bänken und Tischen vor seinem Geschäft auf. Die eine Reihe steht vor seinem Ladenfenster, die andere am Rande des Bürgersteigs. Dazwischen bleibt ein 2,20 Meter breiter Durchgang für die Fußgänger frei. Nie habe es Probleme gegeben, sagt Blockus. Nie habe sich ein Passant beschwert. Erst als das Bezirksamt Altona und der Altonaer Ausschuss für Verbraucherschutz Anfang Februar die Bestimmungen für die Außengastronomie verschärften , fingen die Probleme an.

Bisher mussten Gastronomen und Einzelhändler 1,50 Meter auf dem Gehweg Platz lassen, falls sie Stühle und Tische nach draußen stellen wollten. Ab dieser Saison müssen sie jedoch zwei Meter Platz lassen. Mit 2,20 Meter lässt Blockus also sogar mehr frei, als vorgeschrieben. Dennoch hat ihm der Ausschuss für Verbraucherschutz die Genehmigung für die Sommerterrasse verwehrt. Die Fläche, die der Käsehändler frei lasse, sei zu klein. Begründung: Das Fußgängeraufkommen speziell vor seinem Laden sei so hoch, dass für Blockus eine Sonderregelung gelte. Er müsse nun 2,50 Meter frei lassen.

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Für den Käsehändler bedeuten die Behördenvorgaben im Klartext: weniger Außenplätze, weniger Gäste und damit Umsatzeinbußen von geschätzt 30 Prozent. "Die 30 Zentimeter Differenz entsprechen doch nicht mal einem halben Schritt", sagt Blockus verärgert.

Vom Bezirk habe er eine in seinen Augen "fadenscheinige Erklärung" als Begründung für die Sonderregelung bekommen. "Man sagte mir, dass durch den Aufbau meiner Tische nicht nur die Fläche zu klein sei, sondern auch die Passanten an dieser Stelle eine Kurve laufen müssten." Das empfindet Bruno Blockus als "bürokratische Willkür".

Für Kerstin Godenschwege, Pressesprecherin des zuständigen Bezirksamts Altona, ist das keine Willkür, sondern "eine Einzelfallentscheidung". "Der Stadtteil verändert sich ständig, deswegen müssen auch immer neue Maßstäbe gesetzt werden. Es kommt ganz auf die Gegebenheiten vor Ort an - also darauf, wie viele Menschen hier täglich entlanglaufen und wie viel Verkehr es hier gibt", erklärt sie. Und über das Schulterblatt flanierten eben besonders große Menschenmassen.

In vielen Lokalen und Geschäften in der Schanze und in Ottensen klebt seit einiger Zeit ein gelbes Plakat in den Fenstern, darauf prangt die Frage "Hältst du dich im Sommer auch gerne mal drinnen auf?" Darunter ist ein durchgestrichenes schwarzes Männchen mit einer dampfenden Kaffeetasse zu sehen. Mit ihm macht die Initiative "Kein Platz mehr in der Sonne" auf ihr Problem aufmerksam. 50 Einzelhändler und Gastronomen aus Altona haben sich zusammengeschlossen und wollen gegen die von der Behörde geforderte Begrenzung des Bürgersteigs vorgehen. 12 000 Unterschriften haben sie innerhalb weniger Wochen gesammelt.

Mithilfe der Anwältin Sabine Sievers wollen sie ihre Interessen durchdrücken und planen jetzt sogar ein Bürgerbegehren. Dafür muss die Initiative weitere 6000 Unterschriften sammeln. Unterschreiben dürfen dann aber nur noch Bürger, die auch in Altona gemeldet sind. "Ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass wir in kürzester Zeit die nötigen Unterschriften zusammenhaben werden", sagt Stefan Schmitz, Sprecher der Initiative und Inhaber mehrerer Bars in Ottensen und der Schanze. "Kommt es nach der Unterschriftensammlung zum Bürgerentscheid, werden wir ihn gewinnen. Da bin ich mir sicher." In gut zwei Wochen will die Initiative anfangen, die Unterschriften für das Begehren zu sammeln. "Kommt es zum Bürgerentscheid, wird das ungefähr 200 000 Euro kosten, die wiederum durch die von uns gezahlten Steuern finanziert werden", sagt Schmitz. Das könne doch nicht der Sinn sein.

Doch die neue Bürgersteigbreite ist nicht der einzige Zankapfel im Schanzenviertel. 299 Wirte und Einzelhändler hatten Ende des vergangenen Jahres den Antrag auf eine Sommerterrasse gestellt. Das heißt, sie wollten Waren oder Mobiliar nach draußen stellen. 110 Anträge sind mittlerweile bearbeitet worden. Vier wurden laut Bezirksamt Altona abgelehnt. Etwa 190 Händler und Gastronomen warten noch immer auf eine Antwort. Die wochenlange Warterei auf die Genehmigungen erklärt das Bezirksamt Altona damit, dass die Anträge wegen der im Februar geänderten Bestimmungen erst seit drei Wochen bearbeitet werden könnten. Mit der Bearbeitung ginge eine sorgfältige Prüfung der Gegebenheiten vor Ort einher. Und das dauere nun mal.

Auch Henri Fahning, dessen Croque-Imbiss La Famille direkt neben Bruno's Käseladen liegt, wartet auf den Brief der Behörde. "Der Behördenwahnsinn nimmt uns unsere Existenzgrundlage. Die neuen Bestimmungen machen die kleinen Läden kaputt und somit auf lange Sicht auch das Schanzenviertel", redet sich Fahning in Rage. Besonders verärgert ist er über die Aussage seitens des Bezirksamts, dass die Sitzbänke eine Gefahr seien für die Passanten. "In all den Jahren gab es keine Verletzten, keine Toten und auch nicht so einen Ärger."

Kerstin Godenschwege vom Bezirk Altona widerspricht der Aussage des aufgebrachten Gastronomen. 28 Beschwerden von Anwohnern hätten das Altonaer Bezirksamt im Jahr 2011 erreicht. An vielen Stellen sei nicht genug Platz, beispielsweise für Passanten mit einem Rollator oder jemanden, der einen Kinderwagen schiebt. Die Stolpergefahr sei hoch. "Die Sicherheit der Menschen hat Vorrang vor der Außengastronomie, und die Behörde hat eben die Aufgabe, alle Interessen zu vertreten", so die Behördensprecherin.

Käsehändler Blockus und Croque-Ladenbesitzer Fahning haben sich der Initiative angeschlossen. "Einzeln sind wir kaputtzukriegen, aber gemeinsam sind wir stark", sagt Blockus. "Wir haben uns den Erfolg unserer Geschäfte über Jahre erkämpft." Diesen Erfolg wolle man sich jetzt nicht durch die Bürokratie der Behörden zerstören lassen.