Altonas Wirte sammeln 10.000 Unterschriften gegen Beschränkungen. Die Anwohner im Schanzenviertel begrüßen die neuen Regeln.
Hamburg. Topi Rohde hat einen trotzigen Blick und einen dicken Stapel Papier in der Hand. "Rund 10.000 Unterschriften sind das", sagt der Wirt des Aurel in Ottensen. 10.000 Namen, mit denen gegen die neuen Regelungen für die Außengastronomie im Bezirk Altona protestiert wird . Denn die Wirte und viele ihrer Gäste fühlen sich gegängelt.
Die andere Seite der Medaille, das sind viele Anwohner, vor allem im Schanzenviertel. Sie finden die "Ballermannisierung" unerträglich und sind froh, dass der Bezirk nun restriktiver vorgeht: Gastwirte und Einzelhändler im gesamten Bezirk dürfen nur noch dann Tische und Ständer hinausstellen, wenn die Gehwege noch zwei Meter breit bleiben. Vorher galten 1,50 Meter.
Außengastronomie findet natürlich in ganz Hamburg statt - doch während es fast überall kaum Probleme gibt (siehe Bericht unten), kommt es in Mitte und Altona immer öfter zu Schwierigkeiten. In den beliebten Ausgehvierteln wie in der Sternschanze und in Ottensen wird es in der Sommersaison weniger Außenplätze geben.
Eine so rigorose Zwei-Meter-Regelung gibt es sonst in keinem anderen Bezirk. Ebenso wenig wie Lärmschutzschirme, die für diese Saison in der Susannenstraße Pflicht sind. Stühle und Bänke nach Absprache vor dem Nachbargeschäft aufstellen - auch da sagt Altona als einziger Bezirk: "Verboten."
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Ist Altona also die große Spaßbremse? Holger Sülberg, Sprecher für Verbraucherschutz der GAL Altona, widerspricht: "Wir sind nicht bei allen Regelungen strenger als andere Bezirke", sagt er. In einigen Bereichen sei Altona sogar lockerer als beispielsweise derBezirk Mitte. "Wir vergeben mancheLizenzen sogar ganzjährig, während das in Mitte nur für einige Monate möglich ist. Jeder Bezirk muss das so regeln, wie das für ihn am sinnvollsten ist."
Der Bezirkspolitiker, der selbst gern auf dem eigenen Balkon sitzt, kann das "Spaßargument" dennoch ein Stück weit verstehen, ordnet es aber eher der Kategorie "Touristenhaltung" zu. "Als Besucher genießt man den Trubelsicher, viele Anwohner - etwa in der Sternschanze - fühlen sich aber mittlerweile gestört." Die "konstant hohe" Beschwerdelage wird vonseiten der GAL und der SPD immer wieder als das Hauptargument genannt. Laut Kerstin Godenschwege, Sprecherin des Bezirksamts Altona, hat es im vergangenen Jahr 28 Beschwerden gegeben. Hinzu kämen etwa die bei der Polizei erhobenen Beanstandungen.
Viele Gastwirte halten die "zahlreichen" Beschwerden für übertrieben. Das meint auch Mehmet Sönmez, Filialleiter des türkischen RestaurantsLades am Alma-Wartenberg-Platz in Ottensen. "Wir haben uns immer gut mit unseren Nachbarn verstanden", sagt er. "Noch nie ist eine Beschwerde gekommen." Erst vor wenigen Tagen hat er die Ablehnung seines Antrags auf Außengastronomie bekommen: Jetzt sind seine Tische plötzlich zu groß für den Gehweg. "Wir müssen jetzt neue, kleinere Tische besorgen und einen neuen Antrag stellen." Bis dahin darf er draußen kein Mobiliar aufstellen. Wenn die kleineren Tische genehmigt werden, hat er acht Außenplätze weniger als sonst. "Wir rechnen mit großen Umsatzeinbußen", sagt er.
Schräg gegenüber, in der Kneipe Aurel, stapeln sich Flyer auf demTresen. "Im Bezirk Altona herrscht Zollstockzwang" ist darauf zu lesen. Und: "50 Zentimeter sind nur eine halbe Schrittlänge - für uns ist das jedoch ein ganzer Schritt in Richtung Abgrund." Seit ein paar Wochen sammelt Geschäftsführer Topi Rohde gemeinsam mit vielen anderen GastwirtenUnterschriften gegen die neuen Regeln. "Viele Leute kommen vorbei und fragen, wie sie uns unterstützen können." Die meisten von ihnen seien Anwohner, sagt er. "Es sind bei Weitem nicht nur unsere Stammkunden oder Gastro-Kollegen, die unterschreiben."
Rohde glaubt, dass die Beschwerden aus Richtung Schulterblatt undSusannenstraße kommen - nicht aus "seinem" Viertel. Eine gastronomie-kritische Initiative wie die "Anwohnerini Schanzenviertel" gibt es in Ottensen in der Tat nicht.
Trotzdem gilt der Beschluss der Bezirksversammlung für alle 14 Stadtteile Altonas. Holger Sülberg spricht von "Gleichbehandlung". Im Hintergrund heißt es aber auch von GAL und SPD, die Beschlüsse könnten auch die "Falschen" treffen. Deshalb werde jeder Einzelfall geprüft - ein noch nicht zu übersehender Arbeitsaufwand für die Verwaltungen.
Die Mitglieder der Anwohnerini Schanzenviertel sehen in der Zwei-Meter-Regelung vor allen Dingen ein Signal. "Viele langjährige Anwohner sind frustriert davon, dass sich die Schanze in den vergangenen Jahren zu einer Partymeile entwickelt hat", sagt ein Mitglied der Initiative. Die jetzigen Regelungen seien nur die Folge jahrelangen Fehlverhaltens der Gastwirte. "Hätten sich die Wirte an die Auflagen gehalten und abends pünktlich die Stühle reingeholt, wäre es gar nicht dazu gekommen", sagt ein Mitglied.