In einem so vielseitigen Viertel wie Ottensen erfordert die Arbeit viel Fingerspitzengefühl. Der “Bünabe“ ist seit 30 Jahren in Altona im Einsatz.
Hamburg. Der Altonaer Bahnhof an einem Dienstagvormittag bei nasskaltem Frühlingswetter und viel Wind. "Da muss man durch", sagt Kay Vogelhubert bei unserem Start zu einem Ottensen-Rundgang und lacht. Er ist das Hamburger Schietwetter gewöhnt. Denn Kay Vogelhubert ist Stadtteilpolizist und der Gehweg sein Revier. Seit Anfang der 80er-Jahre ist der gebürtige Wilhelmsburger in Altona im Einsatz, 12 Jahre davon bereits als Stadtteilpolizist in Ottensen. Er ist die Schnittstelle zwischen Polizei und Bürgern, zeigt Präsenz, klärt auf, informiert und schlichtet.
„Das Viertel ist überhaupt nicht kriminell, hier kann man sich echt sicher fühlen“, bemerkt der bürgernahe Beamte gleich zu Beginn des Spaziergangs. In den letzten 30 Jahren hat sich der Stadtteil Ottensen seiner Ansicht nach sehr positiv entwickelt. „Früher gab es viel Leerstand und heruntergekommene Gebäude. Das hat sich eindeutig geändert, das Viertel ist aufgewertet worden und auch viel belebter", sagt er.
Die Ottenser Marktstraße gehört zu seinem Revier. Mit dem Einkaufszentrum Mercado und den vielen kleinen Geschäften ist sie die Einkaufsmeile des Viertels. In der Fußgängerzone stehen Bäume, drum herum sind Sitzbänke angebracht. Bei gutem Wetter ist jeder Platz besetzt. Regelmäßig spielen hier Straßenmusiker.
Eine der Sitzbankgruppen hat ein ganz spezielles Dekor. Das Holz ist mit Kronenkorken diverser Biermarken gepflastert. "Das ist die Punkerecke", erklärt Vogelhubert. "Als die damals vom Mönckebrunnen weg sollten, sind sie schließlich hierher gezogen". Von Vertreibung hält der Stadtteilpolizist grundsätzlich nicht viel: "Das verschiebt das Problem doch meistens nur woanders hin."
In einem so vielseitigen Viertel wie Ottensen erfordert die Arbeit des Stadtteilpolizisten viel Fingerspitzengefühl. "Der Stadtteil ist ziemlich linkslastig, viele Anwohner sind politisch aktiv. Außerdem leben hier sehr unterschiedliche Kulturen, Mentalitäten und Generationen und auch die sozialen Verhältnisse gehen auseinander. Kurz: Hier ist Leben drin", sagt Vogelhubert.
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In der Gaußstraße schwelt gerade ein Nachbarschaftskonflikt. Dort ist vor nicht allzu langer Zeit ein Wohnhaus saniert worden. Anschließend sind neue Mieter eingezogen. Direkt neben dem Haus liegt eine kleine öffentliche Grünanlage. "Die neuen Mieter haben sich darüber gefreut, wollten ihre Ruhe haben und einen schönen Blick vom Balkon. Im Frühjahr haben sie auf der Grünfläche Blumen und Büsche gepflanzt. Und im Sommer kamen dann die Biertrinker auf den Platz, wie jedes Jahr. Dann war der Konflikt da“, erzählt der Stadtteilpolizist. Die Lösung in einem solchen Fall? „Kommunikation!“, sagt Vogelhubert. Das sei das wichtigste, und die versuche er dann herzustellen. "Aber zum Glück funktioniert das Miteinander in Ottensen meistens noch", bemerkt er.
Zwistigkeiten unter Nachbarn sind typische Aufgaben des sogenannten Bünabe – "fürchterlich, dieses Behördendeutsch!" –, aber es gibt auch Fälle anderer Art. Zum Beispiel als eine Mutter im Sommer ihr Baby aus Versehen im Auto eingesperrt hatte und den Schlüssel stecken ließ. "Das sind so Fälle, da muss man Ruhe bewahren, richtig reagieren und den Menschen gleichzeitig Sicherheit vermitteln", sagt Vogelhubert.
Auf seinen Streifengängen durch Ottensen ist er immer allein unterwegs. Alles andere mache keinen Sinn, sonst käme man nicht an die Menschen heran. "Dennoch ist das manchmal nicht ganz einfach, denn ich muss meine Entscheidungen immer nach eigenem Ermessen fällen", sagt Vogelhubert.
Die Laufbahn eines Stadtteilpolizisten erfordert eine besondere persönliche Eignung und kann erst ab einem Mindestalter von 40 Jahren einschlagen werden. Sie zählt zum gehobenen Dienst. 235 solcher Präventiv-Polizisten sind in ganz Hamburg im Einsatz, im Gebiet des Altonaer Polizeikommissariats (PK 21) sind es elf. "Dass Hamburg sich das leistet, finde ich gut, sagt Kay Vogelhubert.
Als er in den 80er-Jahren als junger Berufsanfänger nach Altona versetzt wurde, hatte der 51-Jährige nicht die Absicht, lange in diesem Revier zu bleiben. "Diese Ecke Hamburgs war mir völlig fremd", sagt Vogelhubert. "Und dann die ganzen Einbahnstraßen! Am Anfang habe ich mich hier nur mit dem Stadtplan zurechtgefunden, und selbst das war schwierig. Ich dachte, nach einem halben Jahr bin ich wieder weg."
Und dann wurde er doch warm mit seinem Einsatzgebiet und blieb. Demnächst zieht er mit seiner Frau aus Wilhelmsburg selber hierher. „Ottensen birgt zwar viele Gegensätze, aber die Mischung stimmt einfach", findet Kay Vogelhubert.
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Bei schönem Wetter kommt der Stadtteilpolizist in seiner Uniform "nicht einen Meter weit", so oft wird er angesprochen. An der Bahrenfelder Straße winken ihm zwei etwa sechsjährige Mädchen fröhlich zu. Die präventive Arbeit fängt schon bei den Schulkindern an. Vogelhubert ist „Cop 4 you“ an der Bugenhagen-Schule, an der Rudolf-Steiner-Schule und beim Gymnasium Altona. Da freuen sich immer alle, wenn er kommt und zum Beispiel über Diebstahl erzählt. In der Pubertät machen die meisten Schüler eher einen Bogen um die Polizei. „Dann wollen sie dich nicht mehr kennen“, sagt Vogelhubert und lacht. „Aber mit Anfang zwanzig grüßen dich die meisten dann doch wieder.“
Im Laufe seiner Berufsjahre als Polizist hat er einige Devisen für sich entwickelt: „Bloß nichts persönlich nehmen, fair mit Menschen umgehen und immer vom Guten in ihnen ausgehen.“ Damit hat er sich bei den Anwohnern im Viertel großes Vertrauen erarbeitet. Kürzlich begegnete der Stadtteilpolizist einem Mann, den er früher wegen verschiedener Drogendelikte mehrmals verhaftet hatte. „Jetzt, nach einigen Jahren, kommt er freundlich auf der Straße auf mich zu und sagt: ‚Herr Vogelhubert, kennen Sie mich noch?’ und schüttelt mir die Hand.“