Hamburg. Abendblatt-Serie: Was macht die Corona-Pandemie mit den Hamburgensien? Achter Teil: Der Süllberg in Blankenese.
Der Blick auf die Elbe verheißt, dass alles im Fluss ist. Dass es immer weitergeht. Der Blick in den Kalender verrät: Stillstand, Leere. Der Blankeneser Neujahrsempfang, so etwas wie der politische Aschermittwoch des Nordens, für den die Spitzen der Bundespolitik gern für einen Abend Berlin gegen Blankenese tauschen, um mit mehr als 1000 Gästen der Hamburger Gesellschaft zu feiern: abgesagt. Die Hochzeitsparty mit mehr als 200 Gästen: verschoben auf Frühjahr 2021. Die Weihnachtsfeier eines bekannten Hamburger Unternehmens: verlegt, ins Netz.
Dass er es, nach mehr als 25 Jahren in der absoluten Spitzengastronomie, in der das Essen fein und die Arbeit hart ist, mal „langsamer angehen“ lassen wolle, das hatte sich Karlheinz Hauser Anfang des Jahres vorgenommen und deshalb angekündigt, den zum Ende des kommenden Jahres auslaufenden Pachtvertrag für den Süllberg, seit 2002 sein beruflicher Heimathafen, nicht zu verlängern.
Aber es fühlt sich eben anders an, wenn man, unterwegs auf der Dauerüberholspur, plötzlich ausgebremst wird von einem Virus, oder ob man selbst mal einen Gang runterschaltet. Insbesondere für einen Machertypen wie Karlheinz Hauser, der kaum etwas weniger mag als Fremdbestimmtheit. „Kochen allein, das war mir nie genug“, sagt der 53-Jährige, der als Patron des Süllbergs das gesamte Anwesen mit zwei Restaurants, Biergarten, Ballsaal und angeschlossenem Fünf-Sterne-Hotel betreibt.
Resturlaub und Kurzarbeit
Ungewohnt still es es in diesen Tagen dort, wo sonst gespeist, getanzt, das Leben gefeiert wird. Die Zahl seiner Mitarbeiter habe er „deutlich runtergefahren“, sagt Karlheinz Hauser. Von 85 auf 58. Es lasse ihn ruhiger schlafen, dass er niemanden habe entlassen müssen. „Zum Glück hat die Fluktuation, wie sie in der Branche dazugehört, gereicht.“ Von den verbliebenen Angestellten baut die eine Hälfte Resturlaubstage ab, die andere ist in Kurzarbeit. Es liege ihm am Herzen, dass seine 15 Azubis ihre Lehre gut beenden können.
Sein Gourmetrestaurant Seven Seas, seit 2012 mit zwei der begehrten Michelin-Sterne dekoriert, hat Karlheinz Hauser seit März nicht mehr geöffnet. Das hätte sich nicht gerechnet, sagt er, zu hoch sei der Wareneinsatz, der Betrieb mit zwölf Mitarbeitern zu personalintensiv. Wegen der Abstandsregeln hätte er in dem eng bestuhlten Gastraum statt 30 Gästen höchstens zwölf bewirten dürfen. „Und Trennwände aus Plexiglas, das hätte ich fürs Ambiente jetzt nicht so passend gefunden“, sagt er lachend.
Hauser hat sich seinen Humor behalten
Seinen Humor hat er in der Krise behalten, das Zupackende gehört ohnehin seit seiner Kindheit im Badischen dazu. Natürlich sei die Lage schwierig, in einigen Monaten habe er ein Minus von fast 80 Prozent verzeichnet im Vergleich zu den Vorjahresmonaten.
Das könne nur ein wirtschaftlich gut aufgestellter Betrieb über eine längere Zeit aushalten. „Wir sind jahrelang extrem gesund gelaufen, das ist unser Vorteil.“ Den Sommer über, als viele Ausflügler das Essen aus Hausers zweitem Restaurant, dem Deck 7, auf der Terrasse genossen hätten, sei man wieder auf Kurs gewesen.
Lesen Sie auch:
- Teil 6: Rund um die Alster ist die Leichtigkeit verloren gegangen
- Teil 5: Wie sich Hagenbecks Tiere und Pfleger im Lockdown verändern
- Teil 4: Stammgäste machen das Fischereihafen Restaurant stark
- Teil 3: Der Hamburger Fischmarkt: Eine Institution ist in Gefahr
- Teil 1: Miniatur Wunderland in Hamburg: „Wollen mit Vollgas aus der Krise“
Dann der nächste, aus Gastronomensicht recht kurzfristig verordnete Lockdown. „Im ersten Moment war das ein Schlag, ganz klar. Weil ich natürlich auch der Meinung bin, dass es bei uns sehr gesittet abläuft, wir mehr als 2000 Quadratmeter Platz haben und uns streng an die Hygienevorschriften gehalten haben.“
Andererseits seien die Infektionszahlen ja nun mal stark angestiegen. „Insofern halte ich diese Maßnahme, so hart sie uns Gastronomen auch trifft, für absolut notwendig“, sagt der dreifache Vater. Man dürfe bei allem Groll nicht vergessen, dass die Bundesregierung ein Hilfsprogramm aufgesetzt habe, das es so in kaum einem anderen Land gebe.
Ende 2021 hört Hauser auf, Süllberg steht zum Verkauf
Es kämen auch wieder bessere Zeiten. Irgendwann. „Es wird nicht so sein, dass alles wieder hochgefahren wird und hier bei mir sofort Buchungen für 150 fette Feste eingehen. Das ist mir schon auch klar“, sagt Karlheinz Hauser, der Anfang der 90er-Jahre bei „Jahrhundertkoch“ Eckart Witzigmann in dessen legendärerem Münchner Restaurant Aubergine als Sous-Chef angestellt war, anschließend von Feinkostunternehmer Gerd Käfer das Catering-Geschäft erlernte und dann als Küchendirektor im Hotel Adlon unter anderem große Bankette auf Schloss Bellevue verantwortete. Er war also schon auf dem Gipfel, als er 2002 auf den Süllberg kam.
Lesen Sie auch:
- Karlheinz Hauser hört auf – mit einer offenen Hintertür
- Karlheinz Hauser verlässt den Süllberg in Hamburg-Blankenese
- Hamburger Gastronom Rüther: „Die Branche steckt im Überlebenskampf“
Nun soll das Wilhelminische Gebäudeensemble, das unter Denkmalschutz steht, verkauft werden, erzählt Karlheinz Hauser. „Drei bis vier Millionen Euro wird man dann sicher noch investieren müssen.“ Er selbst habe bereits angeboten, einem neuen Betreiber beim Start zu helfen. „Mir liegt wahnsinnig viel am Süllberg, das dürfte jedem klar sein. Das war fast 20 Jahre mein Zuhause.“
Ihm selbst werde nicht langweilig werden, sagt der Spitzenkoch. Da seien noch seine beiden anderen Läden in Frankfurt und Rastatt, das Cateringunternehmen, die Tätigkeit als Berater und das Fernsehen, „ARD-Buffet“ und „Küchenschlacht“. Noch konzentriere er sich aber voll auf seinen Süllberg: Vom 1. Dezember an gibt es „Gans to go“. Es müsse halt immer weitergehen, sagt Karlheinz Hauser und blickt auf die Elbe.
Hier können Sie den täglichen Corona-Newsletter kostenlos abonnieren